„Wer wird Dir dort im Himmel begegnen?“
Predigt von Dr. Wilfried Hagemann, Pfarrer em., beim Requiem für Dr. Friedrich Kronenberg, Bonn-Bad Godesberg, Kirche Frieden Christi - es gilt das gesprochene Wort
Liebe Elisabeth, liebe Angela, liebe Anne – liebe Familie Kronenberg!
Liebe Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken,
liebe Mitarbeitende im Generalsekretariat gestern und heute,
liebe Frau Präsidentin Stetter-Karp,
liebe Frau Dr. Gilles vom Sekretariat der DBK,
lieber Pater Langendörfer!
In dieser Stunde verbindet uns alle der Schmerz des Abschieds von Fritz Kronenberg. Er ist im Alter von fast 92 Jahren am 1. Februar nach schwerer Krankheit gestorben. Und zugleich bewegt uns ein tiefer Dank an Gott, dass Fritz so lange unter uns, mit uns und für uns gelebt hat als Ehemann, Vater, Schwiegervater, Großvater, Urgroßvater und ganz einfach als Mensch.
Liebe Elisabeth, Du hast so viele Jahre mit Fritz gelebt und hast den jungen, vom Pfadfindersein geprägten Mann erlebt, mit ihm die Familie gegründet und ihn mit allen Kräften in seiner Mission unterstützt. Du hast in den letzten Jahren nach dem Ruhestand das Leben mit Fritz in besonderer Weise geteilt und für das Haus in Bad Godesberg und das Ferienhaus in der Eifel gesorgt. Euer Leben war geprägt von einer großen Gastfreundschaft, für die Kinder und Enkelkinder, für Freunde von weither, weit über die große Familie hinaus. In den letzten so schweren Monaten und in den letzten Wochen bist Du bei Fritz geblieben und hast ihm alles gegeben. Dir verdankte er, zu Hause sterben zu können. Dafür sei Dir herzlich gedankt.
In den vielen Jahren, da Fritz als Generalsekretär des ZdK bundesweit und europaweit unterwegs war, hast Du ihm nicht nur den Rücken freigehalten. Du hast Dich wie er für die Kirche verantwortlich gefühlt und hast die Zeit gefunden, Dich für die Gemeinde Frieden Christi auf dem Heiderhof in jeder Hinsicht einzusetzen und Dich für die Frauengemeinschaft zu engagieren. Freud und Leid habt ihr gemeinsam getragen, Du warst dem Fritz eine wundervolle Begleiterin. Ihr habt das Fest der Diamantenen Hochzeit gefeiert, was für eine lange Zeit! Und dann ist da doch vor einigen Wochen ein Wort gefallen, das Fritz zu Dir gesagt hat und das Dir so gutgetan hat; Fritz sagte: Ich freue mich jeden Tag, dass Du da bist!
Und jetzt nehmen wir alle mit Dir, liebe Elisabeth, Abschied von Fritz. Wir tun es im festen Glauben an das ewige Leben, an die Herrlichkeit Gottes, in die er jetzt gelangt ist, in die Ewigkeit.
Wer wird Dir, lieber Fritz, dort begegnen? Ich denke an Deine beiden Kinder, Birgitta und Daniel, die Gott schon vor Dir zu sich geholt hat. Ich denke an Deine Eltern und an Deine bereits verstorbenen Geschwister.
Wer wird Dir dort im Himmel begegnen?
Ich denke an die frühere Crew im Generalsekretariat, wo Du 33 Jahre gearbeitet hast. Ich kann nur einige nennen: Felix Rabe, Paul Becher, Vincens Lissek und auch Bischof Klaus Hemmerle. Ich denke auch an Kardinal Höffner, Deinen Doktorvater in Münster, und an Kardinal Döpfner, mit dem Du gemeinsam mit Prälat Forster von der Bischofskonferenz die Gemeinsame Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg mitgestaltet hast, mit Energie, mit Mut und einem feinen Gespür.
Wer wird Dir dort sonst noch begegnen, wenn Du in die Ewigkeit eintrittst? Vielleicht finden sich auch jene Frauen ein, die durch Donum Vitae, das Du mitgegründet hast, den Mut bekommen haben, ihr Kind auszutragen und zu gebären. Vielleicht auch jene Polen, die die Konzentrationslager der Nazis überlebten und deren Familien, die durch das von Dir mitbegründete Maximilian-Kolbe-Werk konkrete Unterstützung gefunden haben und noch finden.
Ich frage noch einmal: Wofür danken wir heute in diesem Gottesdienst unserem Gott, wenn wir an den Zeitzeugen Fritz Kronenberg denken?
Das Erste, was ich sagen möchte, ist ein Zitat, das wir auch eben in der Lesung gehört haben: Fritz Kronenberg war ein Mann, der sich vom Geist Gottes führen ließ. So hat es ja Paulus auch seinem Schüler Timotheus geschrieben:
Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben,
sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn und auch nicht meiner, seines Gefangenen, sondern leide mit mir für das Evangelium!
Gott gibt dazu die Kraft: Er hat uns gerettet;
mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen,
nicht aufgrund unserer Taten, sondern aus eigenem Entschluss
und aus Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus
geschenkt wurde.
Fritz Kronenberg war ein Christ. Er wusste um seine Berufung aufgrund der Taufe. Er schämte sich des Evangeliums nicht. Er trat offen dafür ein, in der Kirche und außerhalb. Er war bereit, dafür zu leiden und auch verkannt zu werden.
Man kann auch sagen: Fritz war ein Mensch mit Weltdimension. Er war ein besonnener Mann, geprägt vom Geist des Evangeliums. Er hatte schon als junger Pfadfinder Geschmack an der Liturgie gefunden, am christlichen Glauben, am Evangelium. Er wusste um die tiefe Sendung der Kirche trotz all ihrer schwachen Seiten, die ihm nur zu bewusst gewesen sind, trotz all der schwachen Seiten ihrer Mitglieder, die ihm schon früh aufgefallen sind.
Das Zweite Vatikanische Konzil mit seinem Aufbruch zum Geheimnis der Kirche, zur Ökumene, zu den Juden, zu den Weltreligionen, zur Gewissensfreiheit und zur Weltgestaltung hat ihn zutiefst geprägt.
Als ich in das Zentralkomitee der deutschen Katholiken – genauer gesagt ins Generalsekretariat 1987 – berufen wurde, um dort mitzuarbeiten und als Priester einem Laien unterstellt war, fiel mir der intensive Dialog mit den polnischen „Klubs der Katholischen Intelligenz“ auf, mit Breslau und Warschau und Krakau. Mir fiel auf, welch tiefe Beziehungen durch die vielen Reisen von Kronenberg und Mitgliedern des ZdK zwischen den Christen aus Deutschland und den polnischen Katholiken aufgebaut worden sind.
Mir fiel auf, dass regelmäßig Exposure-Programme durchgeführt wurden, Exkursionen, die in Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor und dem Bonner Entwicklungshilfeministerium in Länder der Dritten Welt organisiert wurden, zum Beispiel nach Indonesien. Und ich hörte von Fritz Kronenberg, dass er mitgefahren ist und bereit war, sich in den Hütten einfacher Familien gleichsam aussetzen zu lassen, um zu spüren und zu erkennen, wie diese Menschen leben und was sie nötig haben, damit sie in die Lage versetzt werden, selber ihr Leben und ihre Entwicklung gestalten zu können. Auch seine Fahrt nach Japan habe ich damals mitbekommen und die Verleihung des Ehrendoktors dort.
Und diese Offenheit und Weite setzte sich dann fort im Umgang der Katholikentagsverantwortlichen mit den Verantwortlichen des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Fritz Kronenberg hat zusammen mit dem damaligen Generalsekretär Dr. Christian Krause, dem späteren Landesbischof von Braunschweig, so viele gute Initiativen in Gang gesetzt. Dies strahlte aus auf Kirchentag und Katholikentag. Dies alles bekam eine große Bedeutung und Wirkkraft beim Fall der Mauer, bei der Wende im Ostblock. Und da hat er alles darangesetzt, dass Ost und West in Deutschland zusammenwuchsen. Eine Besonderheit möchte ich noch eigens erwähnen. Ich war erstaunt, als ich 1987 an der ersten Vollversammlung des ZdK teilnahm, etwas Besonderes festzustellen: Zu Beginn der Vollversammlung wurde ein Gebet gesprochen für das Zentralkomitee der ukrainischen Katholiken, mit denen das ZdK sich verbündet hatte, obwohl diese Gruppe im Untergrund war und gar keinen offiziellen Kontakt zu uns halten konnte.
Ich erlebte in Fritz Kronenberg einen Mann, der offen war für neue Situationen und damit für neue Entwicklungen. Mehrmals setzte er durch, dass das Statut des ZdK angepasst wurde: zum Beispiel die Neuordnung der Wahl des Präsidenten; oder die Hereinnahme von Vertretern der Neuen Geistlichen Gemeinschaften in den Bereich der Katholischen Verbände. Das Gespräch mit den Juden, das Gespräch mit dem Islam wurde begonnen und wurde auch fester Bestandteil auf Katholikentagen. Auch die Offenheit für andere politische Parteien wie SPD oder Bündnis 90/Die Grünen wurde unter seiner Leitung möglich. Ich wage es zu sagen: Wirklich – er war ein Mann mit Weltdimension, der auf den Geist Christi hören wollte.
Auf diesem Hintergrund konnte er seinen unverwechselbaren Dienst tun als Laie gemeinsam mit Priestern und Ordensleuten und Bischöfen für die Kirche in Deutschland und in Europa. Dort brachte er seine Kraft und den Mut des Glaubens ein und fand so zu seinem unverwechselbaren Engagement aus christlichem Geist mitten in der Welt – und dann eben auch im Deutschen Bundestag in zwei Wahlperioden. Er hätte resignieren können, weil er es auch nicht immer leicht gehabt hat. Er hätte auch aus der Kirche austreten können – er blieb jedoch in ihr, um sie von innen her zu verändern. Und so ergriff er dadurch viele Initiativen, um der Kirche zu helfen, noch mehr sie selbst zu werden, er brachte sich einfach ein.
Lieber Fritz, Du hattest eine tiefe Leidenschaft für die Kirche. Du nahmst das Licht des Evangeliums auf und bist für viele ein Zeichen der Hoffnung geworden. Manche Leitworte der Katholikentage deuten an, was damals gedacht und gelebt wurde, z. B. das Leitwort zum 88. Katholikentag in München 1984. Hier wurde ein Wort aufgegriffen, das von Alfred Delp stammte, der am 1. Februar 1945 in Berlin als Zeuge des Glaubens hingerichtet wurde. Dieses Wort lautete: Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Den Freiburger Katholikentag 1978, 10 Jahre zuvor, prägte das Leitwort: Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben – ein Thema, das heute zutiefst aktuell ist. Bei diesem Katholikentag hat es übrigens zum ersten Mal ein Geistliches Zentrum gegeben, in dem ich mit viel Freude mitgearbeitet habe.
Erwähnen möchte ich auch den 82. Katholikentag von Essen 1968. Er stand unter dem Leitwort „Mitten in dieser Welt“. Zum ersten Mal in Deutschland erhob sich während eines Katholikentags offener Widerstand gegen die Amtskirche. In dieser harten Situation wurde die Idee der Gemeinsamen Synode geboren und bei der Schlusskundgebung bekannt gegeben. Fritz Kronenberg und Kardinal Döpfner, ZdK und Bischofskonferenz, blieben zusammen. Der 82. Katholikentag kann als wichtige Zäsur in der Geschichte der Katholischen Kirche in der Bundesrepublik betrachtet werden.
Liebe Schwestern und Brüder! Wir leben in einem gewaltigen Umbruch in Kirche und Gesellschaft. Es kommt für alle, die Verantwortung tragen, sowohl in der Kirche wie in der Gesellschaft, darauf an, sich zu verbünden und sich zusammen mit anderen zu engagieren. Genau das hat Fritz Kronenberg uns vorgelebt. Es braucht Menschen, Christen und Nichtchristen, die aus der Reserve heraustreten und dem Gemeinwohl dienen, wie es auch die katholische Soziallehre empfiehlt.
Wir haben als Christinnen und Christen viele Talente erhalten. Es ist in besonderer Weise das Evangelium mit seiner universellen Weite. Es ist auch jenes Talent, das sich aus der Gegenwart Jesu ergibt, die er uns versprochen hat. Gerade heute braucht es Kirche sozusagen auch außerhalb der Liturgie. Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter ihnen – dieses Wort ist wie ein Talent, das wir heute nutzen sollten, einen neuen Raum zu öffnen, mitten in der Welt. Wo wir dieses Talent nutzen, kann Kirche neu anfangen, da fängt Kirche sozusagen an der Graswurzel an, „ganz draußen“. Es ist uns zugesagt, dass wir uns überall in Seinem Namen versammeln können. Wenn dies geschieht, können wir andere mitnehmen und ihnen vom Talent unseres Glaubens etwas abgeben.
Das ist die Aufgabe, die vor uns liegt. Das wollen wir in dieser Stunde der Eucharistiefeier mit bedenken und in das gemeinsame Heilige Mahl, das uns alle verbindet, mit hineinnehmen. Fritz Kronenberg macht uns Mut, gerade heute in dieser Zeitenwende unsere Talente als Christinnen und Christen zu nutzen und darin einen Beitrag zum Aufbau des Ganzen zu leisten.
Lieber Fritz, danke für Dein Leben, danke für Dein Leben unter uns. Amen.