Ein politischer Katholik

Portrait des ehemaligen ZdK-Präsidenten Bernhard Vogel

„Mitten in dieser Welt“ war das Leitwort des 82. Deutschen Katholikentags in Essen, dem Bernhard Vogel als Präsident vorstand. Ein Katholikentag voller Spannungen. Mitten in der Welt – das war Bernhard Vogel. Tief im katholischen Glauben verwurzelt, prägte er das politische Leben Deutschlands in der Nachkriegszeit an maßgeblicher Stelle. Er war ein Brückenbauer, ein Vermittler zwischen Ost und West, dessen Arbeit bis in die heutige Zeit nachwirkt. 

Vogel war Ministerpräsident zweier Bundesländer – von 1976 bis 1988 in Rheinland-Pfalz, von 1992 bis 2003 in Thüringen –, Abgeordneter zweier Landtage und des Bundestags, Landesminister und Inhaber herausgehobener Parteiämter in der CDU. Ein Befürworter des Dialogs, um keine klaren Worte verlegen. Eigenschaften, die ihn auch als Präsident des Essener Katholikentags 1968 und später als ZdK-Präsident auszeichneten. Im Herbst 2023, im Podcast-Interview mit ZdK-Generalsekretär Marc Frings, erzählte er, seine enge Verbindung zur Kirche habe er über den „Bund Neudeutschland“ gefunden. Die frühe Mitgliedschaft wurde das Fundament seines kirchlichen Engagements. Auf die Frage, was überwiegt – Stolz oder Demut – wenn er auf sein Lebenswerk schaue, antwortete er: „Demut und Dankbarkeit dafür, dass ich diese Aufgaben übertragen bekommen habe und wahrnehmen durfte.“ 

Über vierzig Jahre war Vogel Mitglied und vier Jahre Präsident des ZdK. Im November 1967 wurde er als eine von 18 Einzelpersönlichkeiten – die nach dem Reformprozess des ZdK keiner bischöflichen Zustimmung mehr bedurften – in das ZdK gewählt. 

1968 wurde er dann Präsident des 82. Deutsche Katholikentags in Essen. Das Treffen wurde von Vogel als Wendepunkt bezeichnet; es sollte alle folgenden beeinflussen und das Engagement der katholischen Laien in Deutschland verändern. Der Essener Katholikentag war dazu auserkoren, die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils sehr konkret nach Deutschland zu tragen. Damit wurde er zur Feuerprobe für Vogels öffentliches Engagement und führte schließlich zu seiner ZdK-Präsidentschaft. Auslöser dafür war die wenige Tage vorher vom Papst veröffentlichte Enzyklika „Humanae Vitae“, die aktuelle Verhütungsmethoden wie die Pille verdammte. Nur mit Mühe sei es ihm gelungen, diesen streitbaren Katholikentag zusammenzuhalten, wird Bernhard Vogel später berichten. Ein Ergebnis seiner Rolle als Vermittler und Katholikentagspräsident war die Würzburger Synode, die auch als Sternstunde für die Kirche in Deutschland bezeichnet wird. Beschlossen bei einem Kaffee, noch während des Katholikentags. 

Auch seine Zeit als ZdK-Präsident von 1972 bis 1976 war von einem mitunter kritischen Verhältnis zum Vatikan, aber auch zur Deutschen Bischofskonferenz geprägt. Vor allem in der Frage, ob eine ostdeutsche Bischofskonferenz eingerichtet werden sollte, mit einer Nuntiatur in Ostberlin, zeigte sich Bernhard Vogel entschlossen ablehnend. Er sorgte dafür, dass das Projekt so lange herausgezögert wurde, dass es schließlich nicht weiter verfolgt wurde. Seine Ablehnung muss vor allem als Sorge um die Zementierung der deutsch-deutschen Teilung gelesen werden. 

Ein weiterer Schwerpunkt Vogels war die Versöhnung mit Polen. Sein Fokus lag hierbei nicht auf Abkommen auf staatlicher Ebene, sondern auf der Beziehungsförderung zwischen den beiden Ländern durch zwischenmenschliche Begegnung, vor allem im Hinblick auf kulturelle Beziehungen. Als ZdK-Präsident setzte er sich für die Gründung des Maximilian-Kolbe-Werkes ein, dem er einige Jahre später als Präsident vorstand. 

„Mit Bernhard Vogel verliert das ZdK einen großen und unermüdlichen Vordenker und politischen Gestalter, einen wahren Homo Politicus“, sagt die ZdK-Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp. „Er war ein herausragender Akteur des politischen Katholizismus in unserer Zeit.“ 

Die katholische Zivilgesellschaft war Bernhard Vogel in vielen Jahrzehnten seines Lebens Heimat und Herzensanliegen. Noch bis ins hohe Alter fuhr er in jedem Januar zu den Einkehrtagen des ZdK nach Maria Laach. In jenem Kloster fand einst Konrad Adenauer Zuflucht vor den Nazis. Vogel traf dort über Jahre Freunde und Weggefährtinnen und lebte das Katholisch-Sein in Gemeinschaft. Der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung verstand sein Leben als Politiker, so muss man daraus schließen, immer auch als ein katholisches Leben: Allumfassend. Brücken bauend. Kraftvoll.

Zum letzten ZdK-Interview im Rahmen unserer Podcastreihe mit Dr. Bernhard Vogel 
 

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