„Mitgestalten! Nach den Werten, die wir mit unserem Glauben verbinden“
Portrait des ehemaligen ZdK-Präsidenten Alois Glück
Seine Leidenschaft war das Bergsteigen. Wie man mit Ausdauer und ruhigem Schritt den Gipfel erreicht, hatte er früh gelernt. Dieses Können bewies er auch im Amt des ZdK-Präsidenten. Denn was Alois Glück sich vornahm, erforderte langen Atem. Mit ihm spürte man die Bedeutung der katholischen Zivilgesellschaft für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. In der Kirche setzte er auf Vermittlung und Dialog. Er starb im Alter von 84 Jahren am Montagmorgen in München.
„Mitgestalten! Nach den Werten, die wir mit unserem Glauben verbinden.“ In einer Podcast-Reihe des ZdK fasste Alois Glück im Juli 2023 seine Motivation in Worte. Er sprach von „Zeiten des Umbruchs“, in denen er Präsident des ZdK gewesen sei. „Der Umwelt- und Kulturwandel“ habe die katholische Zivilgesellschaft herausgefordert, „es gab viele Diskussionen“. Auch an der Kirche selbst sei dieser Wandel nicht vorbeigegangen.
Alois Glück meisterte den Wandel mit jenem ruhigen, festen Schritt, den es auch zum Bergsteigen braucht. Zu seinem 80. Geburtstag schrieb ihm sein Nachfolger im Amt des ZdK-Präsidenten, Thomas Sternberg, in seinem Glückwunsch: „Du warst und bist ein Glücksfall für die katholische Kirche in Deutschland. Mit Deiner großen Erfahrung hast Du es als ZdK-Präsident mit schier unvorstellbarem Einsatz und großer kommunikativer Kompetenz verstanden, der krisengeschüttelten Kirche eine glaubwürdige Stimme zu geben. Ohne je unangemessen zuzuspitzen oder zu polarisieren, hast Du in aller Klarheit Position bezogen, in unserer Kirche und in Politik und Gesellschaft. Dein Wort findet Gehör. Durch Deine Art hast Du den Gläubigen neues Selbstbewusstsein gegeben und zugleich dem kirchlichen Amt in sehr schwierigen Situationen geholfen."
Alois Glück kämpfte für das, was er als richtig empfand. Dazu gehörte, was Christen „Bewahrung der Schöpfung“ nennen. Glück engagierte sich für den Schutz des ungeborenen Lebens, für eine nachhaltige Familienpolitik und für ein würdiges Sterben mit Hospiz- und Palliativversorgung. Die Liebe zur Schöpfung zeigte sich auch darin, wie er sich für den Erhalt der Natur einsetzte. 2019 begann er seine erfolgreiche Vermittlung zwischen Bienenschützern und Bauern in Bayern, die sich über das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ verhakt hatten.
Glück galt nicht nur in der Politik als „wandelnder Vermittlungsausschuss“. Er zeigte dieses Können auch in der Kirche. Als Rom die deutschen Katholiken 1999 zum Ausstieg aus der staatlich anerkannten Schwangeren-Konfliktberatung zwang, gehörte er zur Gründungsriege von „Donum Vitae“. Als er sich 2009 zur Wahl als ZdK-Chef stellte, forderte ihm das einen Kompromiss ab. „Glücks Opfer für die Laienarbeit“, wie der Münchner Merkur damals titelte, bestand darin, dass er seine leitende Mitarbeit in Stiftung und Förderkreis von Donum Vitae ruhen ließ. Nur so war – unausgesprochen – mit der erforderlichen Mehrheit der deutschen Bischöfe für seine Präsidentschaft zu rechnen. Den meisten Bischöfen galt Donum Vitae offiziell als „nicht katholisch“, sie deklarierten den Verein als „Vereinigung außerhalb der katholischen Kirche“. Mit ihnen in Verbindung und produktivem Gespräch zu bleiben, war eine zentrale Aufgabe des ZdK. Glück meisterte sie. Er blieb Mitglied des Vereins Donum Vitae und schaffte, zusammen mit Kardinal Marx, später eine indirekte Anerkennung. Das freute ihn. Schließlich ging es auch hier um sein Lebensthema: Schöpfung bewahren. Auch dann, wenn’s schwierig wird.
Als Alois Glück sich nach seiner ersten Amtsperiode 2013 erneut zur Wahl als ZdK-Präsident stellte, wurde er mit 97 Prozent der Stimmen von der Vollversammlung wiedergewählt. Hier zeigte sich die Wertschätzung für seine herausragende Fähigkeit, in schwierigen Lagen das Kletterseil mit festem Griff in der Hand zu behalten.
Das galt bereits für das Jahr 2010. In Berlin hatte der Jesuit und Leiter des Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, zusammen mit ehemaligen Schülern einen Missbrauchsskandal an seiner Schule öffentlich gemacht. Es war der Auftakt zu einer sich schnell entwickelnden Ahnung, die nach und nach Bestätigung fand: In der Kirche war es bundesweit über Jahrzehnte in großem Ausmaß zu sexueller und spiritueller Gewalt gekommen. Alois Glück war entsetzt. Und sah einen entscheidenden Weg hin zu einer effektiven Aufarbeitung im „Überdiözesanen Gesprächsprozess ‚Im Heute leben‘“. Er selbst suchte immer wieder den Dialog mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Zum Katholikentag in Mannheim 2012 erschien das Buch „Vitamin K. Warum wir die katholische Kirche brauchen“. Die Journalistin Christiane Florin interviewte beide in acht Kapiteln dazu, was nun zu tun sei – und wie die Kirche reformiert werden könne. Dass Glück so viel entschlossener auf Reformen setzte, sich so viel ehrlicher machte als sein bischöfliches Gegenüber, wurde 2023 offenbar. In diesem Jahr wurde öffentlich, dass Bischof Zollitsch nicht wirklich entschlossen an Aufarbeitung gedacht hatte – sondern von der Öffentlichkeit unbemerkt fortfuhr, Fälle aus seinem Erzbistum zu vertuschen.
„Wir danken Dir, dass Du dem ZdK treu geblieben bist“, schrieb Sternberg in seinem Brief zum 80. Geburtstag Glücks im Januar 2020. „In einer für das Zentralkomitee sehr schweren Situation hast Du Dich, ganz gegen Deine persönlichen Pläne und auf das Drängen Vieler in die Pflicht nehmen lassen und für das Amt des ZdK-Präsidenten zur Verfügung gestellt. Wir hoffen auf Deinen Rat und Deine Freundschaft auch weiterhin.“
Diesen Rat, diese Freundschaft hat Alois Glück dem ZdK immer entgegengebracht. Es war ihm ein Herzensanliegen, Kirche und Gesellschaft mitzugestalten – eben „nach den Werten, die wir mit unserem Glauben verbinden“, wie er es im Hochsommer 2023 noch einmal im Gespräch mit Elsa Fiebig aus der Pressestelle des ZdK formulierte.
Andere hätten sich vielleicht nach einem anstrengenden, emotional fordernden Engagement in der Politik in einen Ruhestand begeben, der das Wort verdient. Nicht so Alois Glück. Von 1970 bis 2008 Mitglied des Bayerischen Landtags, von 1988 bis 2003 Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion und von 2003 bis 2008 Landtagspräsident, machte er sich ab 2009 sozusagen „frei“ für das ZdK. Sein Leben war neben Beruf und Familie geprägt von ehrenamtlichem Engagement, das ihn eng mit Bayern verband: als stellvertretender Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, Initiator und Vorsitzender des Netzwerks Hospiz in seinem Heimatlandkreis, Vorsitzender des Fördervereins Caritas-Kinderdorf Irschenberg, Vorsitzender des Freundeskreises der Benediktinerinnen-Abtei Frauenwörth – und Vorsitzender der Bergwacht Bayern.
Die Berge. Für ihn blieben sie Zeit seines Lebens Haltepunkt. Herausforderung. Und Heimat. Mit 17 Jahren hatte er die elterliche Landwirtschaft übernommen; sein Vater war im Krieg gefallen. Auf dem morgendlichen Weg in den Stall schweifte sein Blick in die Weite der Natur. Glücksgefühle verband Alois Glück Zeit seines Lebens mit diesem Umfeld, seinem Zuhause.
Doch in ihm war auch der Drang in die Welt, hin zu gesellschaftlichem und politischem Engagement. Ab 1964 als Landessekretär der Katholischen Landjugendbewegung Bayerns unterwegs, lernte er hier auch seine Frau Katharina kennen. Mit ihr bekam er zwei Kinder. Sein Leben blieb gehalten und getragen von seinem Glauben und von seiner Fähigkeit, auch die schwersten Berge mit ruhigem Schritt zu meistern. Was er in der Natur erlebte, übertrug er auf seine politische Arbeit und sein Engagement im ZdK. Der ruhige Schritt, beharrlich und ausdauernd, brachte ihn voran. Mit ihm gelang es auch, die Wegstrecke nie allein meistern zu müssen. Alois Glück war immer im Gespräch, auch auf schwierigen Etappen. Ihm gelang die Verbindung zu Menschen. Ihm gelang Veränderung. Vor allem aber gelang es ihm, mit Gott zu gehen. „In Zeiten des starken Umbruchs“, an die er sich im Sommer 2023 erinnerte, blieb sein Glaube sein Kompass. „Er war ein Mann klarer Worte in Kirche und Gesellschaft. Wir bleiben ihm und seinem Lebenswerk eng verbunden“, sagt die amtierende ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Das ZdK sei Alois Glück zu höchstem Dank verpflichtet. „Seine Stimme ist uns Mahnung und Ansporn, nicht nachzulassen im Engagement für ein zukunftsfähiges Christsein.“
(Britta Baas)
Zum letzten Interview mit Alois Glück
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