Ein Jahr nach dem 7. Oktober

ZdK-Hauptausschuss im Austausch mit Jüdischem Weltkongress und Malteserorden

Ein Jahr nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel hat der Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sich über die Lage in jüdischen Gemeinden in Deutschland sowie über die Herausforderungen humanitärer Hilfe in Nahost informiert. Zu Gast waren Frank Fischer, Leiter des Büros des Jüdischen Weltkongresses in Deutschland, und Ivo Graziani, Kabinettschef des Großhospitaliers des Malteserordens. 

Fischer berichtete über die Arbeit des Jüdischen Weltkongresses (World Jewish Congress, WJC), der weltweit mehr als hundert jüdische Gemeinschaften und Organisationen vertritt und sich insbesondere der Belange all jener annimmt, die außerhalb des Staates Israel leben. Zu den Schwerpunkten des WJC gehört auch das interreligiöse Gespräch mit christlichen und muslimischen Gruppen. Aktuell sei seine Arbeit von den Folgen des 7. Oktobers 2023 geprägt, sagte Fischer: „Juden auf der ganzen Welt fühlen sich traumatisiert und spüren eine neue Bedrohung. Viele reagieren darauf, indem sie sich zurückziehen und sich unsichtbar machen. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus. Aber dieser Mechanismus hat Folgen. Viele Juden verlieren ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Verbundenheit mit den Orten, die sie ihre Heimat nennen. Das gilt insbesondere für viele in der Jüdischen Gemeinde Deutschlands. Sie fühlen sich allein in einer Wüste und Leere, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint.“ 

Fischer nahm Bezug auf das aktuelle Lagebild aus den jüdischen Gemeinden hierzulande, das der Zentralrat der Juden in Deutschland am Jahrestag des Hamas-Massakers veröffentlicht hatte. „Es ist zu sehen, dass die Gemeinden in dieser psychischen Extremsituation für Jüdinnen und Juden ein Halt sind. Zugleich wird aber auch von den negativen Auswirkungen des Krieges im Nahen Osten berichtet, von Ängsten, Konflikten und tiefem Schmerz. Und fast die Hälfte der Gemeinden sind 2024 von antisemitischen Vorfällen betroffen.“ Fischer sagte, ihn erschüttere es, „wie der 7. Oktober 2023 Hass und Gewalt gegen Juden auch in Deutschland Tür und Tor geöffnet hat“. 

Ivo Graziani, Kabinettschef des Großhospitaliers des Malteserordens, berichtete von der humanitären Situation in Nahost. „Es ist eine Krise, die Israel und den Libanon, Gaza und das Westjordanland gleichermaßen betrifft. Wir können die Krisen dieser Länder und Gebiete nicht getrennt voneinander betrachten. Sie sind eins. Und so helfen wir, wo es uns möglich ist.“ Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, habe nach einem Besuch im Gazastreifen im Mai ein Projekt mit dem Malteserorden und dessen Hilfswerk ‚Malteser International‘ ins Leben gerufen. „Seit Juni bringen wir Essen für 5000 Menschen in den Gazastreifen, außerdem Früchte für 20.000 Menschen, denn gerade Früchte gibt es durch die Zerstörungen vor Ort fast gar nicht mehr. Wir wollen noch in diesem Jahr ein Gesundheitszentrum eröffnen und 2025 auch ein Feldkrankenhaus.“ 

Graziani hofft auf Frieden – wider alle Hoffnung. „Die Eskalationsspirale muss durchbrochen werden. Wenn das nicht gelingt, ist die Katastrophe perfekt. Aber die Welt schaut zu! Der Nahe Osten braucht dringend internationale Hilfe, um diesen mörderischen Konflikt zu lösen.“ 

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp dankte Fischer und Graziani für deren Einblicke und offenen Worte. „Es ist erschütternd, dass keine politische Ordnungsmacht sich bislang anschickt, dem Leid der Menschen in Gaza ein Ende zu setzen. Über 40.000 Tote und flächendeckender Hunger sind eine schreckliche Bilanz“, sagte Stetter-Karp. „Auch wenn wir den Konflikt von hier aus nicht lösen können, können wir eine Haltung der Entfeindung fördern, über die Grenzen des Unfassbaren hinweg. Es ist erkennbar wichtig, das Miteinander zu suchen. Ich danke in diesem Zusammenhang den Gesprächskreisen ‚Juden und Christen‘ und ‚Christen und Muslime‘ beim ZdK für ihr fortgesetztes Engagement im Dialog. Sie sind stark darin, Gesprächsräume zu schaffen und offen zu halten. Wir brauchen das! Es führt nicht zuletzt zu gemeinsamem Engagement gegen den grassierenden Antisemitismus hierzulande, aber auch gegen den erstarkten antimuslimischen Rassismus in Deutschland.“

Pressemitteilung: "Ein Jahr nach dem 7. Oktober “ als PDF

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