„Brückenbauerin in alle Schichten“

Göring-Eckardt würdigt 175 Jahre katholische Zivilgesellschaft

Mit einem Aufruf zur Europawahl und einem Beschluss zum verstärkten Engagement für Friedensethik in Kriegszeiten ist die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) heute zu Ende gegangen. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt würdigte in einer Rede 175 Jahre organisierte katholische Zivilgesellschaft in Deutschland – im Vorfeld des heute in Erfurt beginnenden 103. Deutschen Katholikentags. 

„Ich empfinde es als ein schönes Zeichen, den Katholikentag, dieses katholische Fest, 2024 hier in Erfurt auszurichten: 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution“, sagte sie. „1989 waren hier und überall in Ostdeutschland viele auf den Straßen, um für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu demonstrieren. Viele der Menschen auf diesen Demonstrationen kamen aus den Kirchen.“ Göring-Eckardt verglich dies mit der Entstehungsgeschichte der organisierten katholischen Zivilgesellschaft in Deutschland: „Auch hier gab eine Revolution den Anfang. Die Wurzeln der katholischen Zivilgesellschaft reichen in die Revolutionsjahre 1848/49 zurück – sie waren ein Katalysator der politischen Öffentlichkeit. Was lange unvorstellbar war, schien plötzlich möglich: demokratische Mitbestimmung, mündiges Bürgertum. Eine vielfältige Interessenorganisation.“ Die Emanzipation katholischer Bürger*innen sei einhergegangen mit der anderer Bewegungen, etwa der Arbeiterbewegung – „im katholischen Bereich vor allem mit Namen wie dem Mainzer Bischof von Ketteler, später mit Adolph Kolping oder Franz Hitze verbunden“. Damals habe aber auch die politische Emanzipation der Frauen begonnen: „Die katholische Frauenbewegung entstand ebenfalls in dieser Zeit.“

Göring-Eckardt würdigte Christi*innen und Kirchen heute als „Brückenbauer*innen in alle Schichten“. Sie zeigten „Haltung, immer wieder“. Das ZdK sei mit seinem Katholikentag „ein Ort für das Rausgehen und Beieinanderbleiben“. Es sei in Zeiten der Gefährdung der Demokratie wichtiger denn je, dass es eine organisierte katholische Zivilgesellschaft gebe, die sich für eine offene Diskussionskultur, Menschenrechte und Gemeinwohl stark mache.

Im Beschluss der Vollversammlung „Zukunft hat die Welt des Friedens“ nahm das Gremium am Ende Bezug zum Leitwort des Katholikentags „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Die Mitglieder des ZdK bekennen sich darin zum „Recht auf Verteidigung“, bezeichnen aber Gewaltmittel nur dann als legitim, „wenn sie durch Völkerrecht legitimiert sind und sich auf dem Boden internationaler Vereinbarungen bewegen“. Friede definiere sich nicht allein durch die Abwesenheit von Krieg: „Kein Friede ohne globale Gerechtigkeit. Ein umfassender Frieden ist in erster Linie politisch, sozial und ökologisch.“ Im Fazit heißt es: „Eine Welt des Friedens beginnt beim Individuum, beim Menschen des Friedens.“ Zum Auftakt des 103. Deutschen Katholikentags in Erfurt wurde damit nochmals die enge Verbindung zwischen dem ZdK und diesem großen christlichen Treffen hergestellt – das ZdK ist Veranstalter der Katholikentage. 

Die Vollversammlung beschloss ebenfalls, sich für die öffentlichen Rehabilitierung homosexueller Menschen zu engagieren und eine unabhängige „Aufarbeitung der Mitschuld der Kirche bei der Kriminalisierung queerer Identitäten“ in Auftrag zu geben. Dreißig Jahre nach Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 175 in Deutschland sei es für das ZdK überfällig, die Entscheidung von 1994 zu würdigen. Damals habe das ZdK der Entkriminalisierung von Homosexualität „keinerlei öffentliche Beachtung und Würdigung“ entgegengebracht. Es gebe „die historische Mitschuld von Katholik*innen gegenüber ihren Geschwistern im Glauben und allen anderen Verfolgten.“ Das ZdK müsse dazu auch seine eigene Geschichte unabhängig erforschen lassen. 

Pressemitteilung „Brückenbauerin in alle Schichten“ als PDF

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