„Schluss mit der organisierten Verantwortungslosigkeit!“
ZdK-Präsidentin fordert nach Münchner Missbrauchsgutachten Konsequenzen
„Verantwortliche in der katholischen Kirche haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Das zeigt das heute veröffentlichte Missbrauchsgutachten in München nun zum wiederholten Mal. Wann folgen endlich Konsequenzen, die der dramatischen Lage gerecht werden?“ Das fragt die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp.
Die Vorstellung des Gutachtens zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger und Erwachsener im Bereich der Erzdiözese München und Freising habe deutlich gemacht, „dass auf die Betroffenen bis 2010 keinerlei Rücksicht genommen wurde.“ Aber das Ausbleiben überzeugender Strukturreformen danach zeige auch, dass rechtswidrige Verhaltensweisen bis in die Gegenwart reichten. Der Perspektivwechsel sei nach der Aufdeckung des Missbrauchsskandals schlecht gelungen. „Auch im Jahr 2022 heißt die bittere Realität: Das System der Vertuschung, des Vergessens und der schnellen Vergebung ist nicht aufgebrochen worden.“
Das Münchner Gutachten der Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl enthalte nun „klare Hinweise darauf, dass dem emeritierten Papst Benedikt XVI. in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising in vier Fällen ein Fehlverhalten nachzuweisen sei“, so Stetter-Karp. Er habe Missbrauchstäter im Priesteramt belassen und immer wieder versetzt. Dass der emeritierte Papst in einer Stellungnahme vom 14. Dezember 2021 offenbar nach wie vor kein Fehlverhalten einräume, sei erschreckend, so die ZdK-Präsidentin. Auch andere Verantwortungsträger seien betroffen. Dass Kardinal Reinhard Marx offenbar nur in zwei Fällen ein fehlerhaftes Verhalten nachgewiesen werde, mache die drängende Frage nach den Konsequenzen aus dem Gutachten nicht unwichtiger: „Es ist klar, dass die katholische Kirche ein systemisches Problem hat. Sie muss sich endlich dieser Wahrheit stellen.“
Stetter-Karp sagt, sie glaube nicht mehr daran, dass die Kirche die Aufarbeitung allein schaffe. Zu zögerlich seien viele Diözesen daran gegangen, unabhängige Kommissionen zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals einzusetzen. Es gehe nur schleppend voran. Das Münchner Gutachten belege zudem, dass unabhängige Ombudsstellen für Betroffene von sexueller Gewalt eingerichtet werden müssten und auch die Gemeinden, in denen Täter gearbeitet und gelebt hätten, in die Aufarbeitung einbezogen gehörten. Zudem stelle sich die Frage, ob die Kirchenleitungen ohne politischen Druck ihrer persönlichen Verantwortung gerecht würden. „Im Gegenteil vermitteln Statements von Leitungspersönlichkeiten, dass sie zu keinem Zeitpunkt Entscheidungsgewalt innegehabt hätten.“ Schuld werde nicht eingestanden, sondern vergessen oder vertuscht.
Die Präsidentin des ZdK sieht deshalb den Synodalen Weg in Deutschland – der als Folge der MHG-Studie zwischen Deutscher Bischofskonferenz und ZdK verabredet wurde – vor der dritten Synodalversammlung an einem Scheideweg: „Wir brauchen klare Voten für ein Ende des Machtmissbrauchs – gerade auch von Bischöfen. Entscheidungen sind zusammen mit der Basis der Katholik*innen zu finden. Und es ist höchste Zeit, dass Betroffene zu Beteiligten gemacht werden.“ Die Kirche habe gegenüber den Betroffenen von sexueller Gewalt „doppelt versagt“. Denn sie habe ihren Auftrag, die Schwächsten in der Gesellschaft zu schützen, nicht erfüllt. Zudem habe sie noch selbst Räume für Missbrauch eröffnet.
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