"Auch weiterhin bleibt es unsere Aufgabe, nach Wegen zu suchen, die Partizipation und Leitung in der Kirche zusammenbringen"

Fachtagung zur Wirkung und Nachhaltigkeit der Dialog- und Gesprächsprozesse der katholischen Kirche in Deutschland

Bei einer Fachtagung der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg", in Kooperation mit der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vom 1. bis 2. September 2016 haben sich rund 150 Teilnehmer mit der Wirkung und Nachhaltigkeit der Dialog- und Gesprächsprozesse der katholischen Kirche in Deutschland befasst. Unter dem Leitthema "Kirche und Synode sind Synonyme" wurde in der "Wolfsburg" (Mülheim an der Ruhr) darüber diskutiert, wie die Ergebnisse der bisherigen Gesprächsprozesse gesichert, die entstandene Gesprächskultur weiterentwickelt und partizipative Strukturen etabliert werden können. Neben einer Auswertung der Prozesse ging es außerdem um perspektivische Fragen sowie mögliche Änderungen in den Organisationsstrukturen.

Nachdem verschiedene Erfahrungen über die Prozesse in den einzelnen
(Erz-)Bistümern ausgetauscht und diskutiert wurden, befassten sich zwei Gesprächsrunden
mit den Themen "Partizipation, Subsidiarität und Synodalität" sowie "Ekklesiologie und
Organisationsentwicklung im Dialog". Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Mitglied der
bischöflichen Steuerungsgruppe für die Gesprächsprozesse, betonte in seinem Impulsvortrag,
dass seit Jahrzehnten der gesellschaftliche Wandel und die Erosionsprozesse im Bereich des
Katholischen, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wahrgenommen und als
Herausforderung für die Kirche gesehen würden. "Wie viel Anpassung an die moderne Welt
ist möglich, und wie viel Abgrenzung und Unzeitgemäßes ist nötig, um die katholische
Identität im Wandel der Zeit glaubwürdig durchzuhalten?" Wir befänden uns in einer
Situation, so Bischof Overbeck weiter, in der die Gestalt der Kirche und die sie bestimmende
Kommunikation die Möglichkeit eines sinnerfüllenden Glaubens für viele nicht mehr
attraktiver mache, sondern häufig reduziere. "Die katholische Kirche kann sich in ihrem
Traditionsverständnis also entscheiden, einfach – unter anderem – moralische Vorstellungen
zu wiederholen und auf immer weniger Gehör zu treffen; sie kann aber auch zu einer
lernenden Organisation werden, die Nichtübereinstimmung kommunikativ in sich aufnimmt,
sprich: den Widerstreit diskursiv und konstruktiv im Inneren kultiviert und so neue Resonanz
und damit Relevanz erzeugt", hob Bischof Overbeck hervor. "Damit die kirchliche
Kommunikation höhere Anschlussfähigkeit erbringt, gilt es, eine Vielfalt von zeitgemäßen
Formen, solcherart Darstellung und Aushandlung von Ambivalenz, zu erproben, wie wir es
erfolgreich mit den Dialogprozessen getan haben."

Für Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins (Sozialethikerin, Universität Münster) ist eine klare
Verständigung über Zuständigkeiten und Kompetenzen für eine Synode unverzichtbar:
"Synodalität braucht eine klare und transparente Zuständigkeit und Partizipationsregeln, die
eine Beteiligung gewährleisten. Das bedeutet eine tiefe geistliche Dimension von
Synodalität." Beachtet werden müsse grundsätzlich die Kontextualität und das
Kontextbewusstsein: "Das heißt, dass die Welt nicht nur von der Kirche, sondern die Kirche
auch von der Welt lernen muss." Prof. Dr. Michael Böhnke (Dogmatiker, Universität
Wuppertal) hält es momentan für unmöglich, eine Synode durchzuführen, und verweist
zugleich auf den Verlust, den es für die Kirche bedeuten würde. "Die Synode ist eine
liturgische Versammlung – die Bitte um den Heiligen Geist prägt die Liturgie der Synode ganz
maßgeblich. Die Synode ist immer auch Ausdruck des suchenden und des fragenden
Glaubensaktes – einem Glauben, der Einsicht sucht." Glaubensinhalt und Glaubensakt
müssten einer tragfähigen Synthese zugeführt werden. Zum Ende betonte Prof. Böhnke, dass
die Kirche sich als suchende und fragende Kirche fortbestimmen müsse. Prof. Dr. Thomas
Suermann de Nocker (Betriebswissenschaftler und Theologe, FOM Essen) sprach
abschließend über strategische Veränderungsprozesse aus wirtschaftlicher Sicht. Er machte
deutlich, dass sowohl Führung als auch Partizipation in den Organisationsstrukturen
vorhanden sein müssten.

Bei einer offenen Abendakademie diskutierten Bischof Dr. Gebhard Fürst (Rottenburg-
Stuttgart), Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg (Präsident des ZdK), Generalvikar Klaus Pfeffer
(Essen) und Prof. Dr. Hans-Joachim Höhn (Universität Köln) über die Leitfrage: "Haben die
Gesprächsprozesse die katholische Kirche in Deutschland vorangebracht?" Die Antwort der
Diskutanten sowie des Plenums war ein deutliches Ja. "Es war nicht vergeblich, dass wir
miteinander gesprochen haben", betonte Bischof Fürst. Die Überarbeitung des kirchlichen
Arbeitsrechts sei ein Beispiel eines Ergebnisses des Gesprächsprozesses. Gleichzeitig stellte
Bischof Fürst die Frage: "Wir müssen als Kirche mit der Botschaft, die wir haben, glaubwürdig
sein – doch wie gelingt uns das?" Prof. Sternberg unterstrich, dass die Gesprächsprozesse
eine vertrauensbildende Maßnahme gewesen seien: "Es zählen nun die Argumente, nicht die
Person." Einig waren sich alle Teilnehmer darin, dass bei solchen Gesprächsprozessen
selbstverständlich die "Reizthemen" diskutiert werden müssen, dabei aber die fundamentalen
Fragen, wie z. B. eine grundsätzliche Sprachfähigkeit und die Frage nach dem Stellenwert von
Gott in unserem Leben, nicht aus dem Blick geraten dürfen.

In einem diskursiven Resümee erklärte Bischof Overbeck, dass der Gesprächsprozess der
Deutschen Bischofskonferenz, aber auch die unterschiedlichen Prozesse und Initiativen der
Bistümer, ganz wesentliche Voraussetzungen waren, um nach der enormen Vertrauenskrise
durch das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle im Jahr 2010 wieder neues Vertrauen
aufzubauen. "Dieses Anheben des ‚Grundwasserspiegels des Vertrauens‘, wie es der
damalige Präsident des ZdK, Alois Glück, einmal nannte, war ein zentrales Ergebnis der
Prozesse und auch notwendig, um sich dann gemeinsam über den weiteren Weg der Kirche
zu verständigen. Auch weiterhin bleibt es unsere Aufgabe, nach Wegen zu suchen, die
Partizipation und Leitung in der Kirche zusammenbringen", so Bischof Overbeck. "Beides ist
heute unverzichtbar." Prof. Sternberg betonte, dass die Gesprächsprozesse wirklich gelungen
sind. "Dennoch müssen wir in ‚unserem Haus‘ weiter aufräumen, damit wir unseren Dienst in
der Welt wieder besser leisten können." Die Prozesse der Zukunft, forderte Prof. Sternberg,
müssen Verbindlichkeit und Konsequenzen haben. "Prozesse ohne Konsequenzen schaden
mehr als sie nutzen."
 

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