ZdK-Präsident Glück fordert Debatte über Grundlagen des Zusammenlebens
"Es fällt uns schwer, die Werte, die wir durch die genannten Entwicklungen bedroht und verletzt sehen, selbstbewusst als ein Gegenprogramm zu profilieren"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, hat dazu aufgerufen, in Deutschland und in Europa neu über die eigenen normativen Grundlagen des Zusammenlebens nachzudenken.
"Vieles spricht dafür, dass sich jetzt langjährige Entwicklungen zu Krisen und notwendigen Entscheidungen verdichten. Unsicherheit und Ängste sind immer mehr spürbar. Mir scheint, wir müssen uns von der Hoffnung verabschieden, dass sich die Ideen der Freiheit, der Menschenrechte, des Rechtsstaats und der Demokratie bald nahezu weltweit verbreiten würden", so Alois Glück vor der Vollversammlung des ZdK am Freitag, dem 8. Mai in Würzburg. Dies werde deutlich, an der aggressiven Haltung Russlands im Konflikt um die Ukraine. Hier werde bewusst gegen die westlichen Werte argumentiert. In noch ganz anderer Weise handele es sich bei dem unfassbar menschenverachtenden islamistischen Terror von IS im Irak und in Syrien oder von Boko Haram in Nigeria, aber auch bei anderen radikalen Gruppen, um eine Kampfansage an diese westlichen Werte.
"Es fällt uns schwer, die Werte, die wir durch die genannten Entwicklungen bedroht und verletzt sehen, selbstbewusst als ein Gegenprogramm zu profilieren", so Glück. " Wir erahnen, wir spüren diese Dimension der Veränderung und der Herausforderung, aber wir verdrängen sie."
Deshalb gelte es, konsequent Position zu beziehen, gegenüber all denjenigen, die gegen Flüchtlinge, Asylsuchende, Menschen aus anderen Ländern, Kulturkreisen und Religionen Stimmung machen. Und es müsse auch klar sein: Für Christen könnten Gruppierungen, die gegen diese Menschen Stimmung machen und Aktionen gegen sie planen, nie und nimmer ein politischer oder kirchlicher Partner sein – auch wenn sie noch so viele scheinbar christliche Werte propagierten und behaupteten, diese zu verteidigen. "Wir Christen aus der Mitte der Gesellschaft dürfen uns die Deutungshoheit über christliche Werte von niemandem wegnehmen lassen", forderte der ZdK-Präsident.
Gleichzeitig betonte er: "Die Normen und Regeln des Grundgesetzes stehen für das Zusammenleben über jedem religiösen Gesetz. Das gilt für die Muslime in unserem Land, es gilt natürlich auch für Christen und Angehörige anderer Religionen oder für Nichtreligiöse. Es gilt für das Zusammenleben auch dann, wenn es den eigenen persönlichen und religiösen Überzeugungen widerspricht. Dies ist die Konsequenz der vom Staat garantierten Religionsfreiheit und der Trennung von Religion und Staat. Sich darauf zu berufen, im Sinne eines "Verfassungspatriotismus", reicht aber für ein fruchtbares Zusammenleben noch nicht aus. Das Grundgesetz mobilisiert nicht die Menschen, es ist eine Angelegenheit des Verstandes und der Einsicht, aber keine Botschaft für die Herzen und für das Zusammenleben."
Nach Auffassung des Präsidenten des ZdK führt kein Weg daran vorbei, sich über Werte zu verständigen. "Wenn uns die "Wertegemeinschaft Europäische Union" etwas bedeutet, müssen wir das auch konkretisieren, müssen diese Werte beschreiben. Das sind alles Anfragen an uns selbst, unsere Arbeit. Es wäre unredlich, dies einfach der Politik als Aufgabe zuzuweisen und dann die kritischen Zuschauer zu spielen", so Alois Glück.
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