Unterscheidung statt Schlagwörtern – ZdK-Präsident Alois Glück zur aktuellen Auseinandersetzung um Pegida

Der pauschale Begriff der „Islamisierung“ vergiftet die Beziehung zu allen Muslimen.

„Islamisierung“ und „Christliches Abendland“, die beiden Schlagworte prägen die Mobilisierung der Menschen für Demonstrationen und ebenso die Auseinandersetzung darüber. Zwei Begriffe, die jeweils unbestimmt bleiben und deren einziges Ziel das Schüren von Ängsten ist. Die mit dieser Mobilisierung versuchte Ausgrenzung von Menschen, die zu uns kommen, mit der Ausgrenzung derer zu beantworten, die zu diesen Demonstrationen gehen, führt nur zur weiteren Polarisierung, aber nicht zu einer konstruktiven Auseinandersetzung. Eine „Schlacht der Schlagwörter“ macht keinen Sinn. Der erste und wichtigste Schritt ist die inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Schlagwörtern „Islamisierung“ und „Abendland.“

„ Islamisierung“
Was soll mit dem Begriff Islamisierung ausgesagt werden? Damit soll wohl ein allgemeines Gefühl der Bedrohung durch den Islam und die Muslime ausgedrückt und eben damit mobilisiert werden. Für was aber soll mobilisiert werden? In der öffentlichen Diskussion wird vom Islam fast ausschließlich im Zusammenhang mit gewalttätigen Gruppen, die sich auf den Islam berufen, berichtet. Wenn mit „Islamisierung“ gewaltbereite und gewalttätige Muslime gemeint sind, dann kann es in der Ablehnung und der Aufforderung zur Wachsamkeit nur eine große Gemeinsamkeit geben. Diese gewalttätigen Muslime bedrohen alle Menschen, auch alle Muslime, die einen solchen fanatischen und gewalttätigen „Islam“ ablehnen. Die Antwort auf diese Gefahr durch eine ganz kleine, aber gefährliche Minderheit, zu der auch Salafisten gehören, kann nur die Wachsamkeit des Rechtsstaates und das Zusammenstehen aller Demokraten sein.

Es gilt aber auch: Der pauschale Begriff der „Islamisierung“ vergiftet die Beziehung zu allen Muslimen. Er verdächtigt und diskriminiert auch alle Muslime, die in unserem Land mit uns arbeiten und leben und sich von diesen Fanatikern eindeutig distanzieren. Gegen diese Vergiftung der Beziehungen zu allen muslimischen Mitbürgern müssen wir eindeutig Stellung nehmen! Diese notwendige Unterscheidung ist ein Gebot des Anstands, der Redlichkeit , der Wahrhaftigkeit. Wenn wir stumm bleiben, entmutigen unsere muslimischen Mitbürger, mit denen wir als Nachbarn und Arbeitskollegen, mit denen wir ganz selbstverständlich leben, zusammenarbeiten oder bei ihnen einkaufen.

„Abendland“
Was ist mit Abendland“, gar mit „Christliches Abendland“ gemeint? Was soll verteidigt werden?

Unsere „Ruhe“?
Das ist in zweifacher Hinsicht falsch. Einmal ist es eine Illusion zu glauben, dass wir im Zeitalter der Globalisierung und immer engerer weltweiter Verflechtung als Exportnation nur Rosinen-Pickerei betreiben könnten. Die Realität ist, dass die Welt ständig mehr eine Schicksalsgemeinschaft wird und uns Konflikte und Unruhen in anderen Regionen der Welt früher oder später erreichen. Dies gilt ganz besonders für die Konflikte und Kriege vor den Toren Europas, für die Konflikte im Nahen Osten und die Entwicklungen im Norden Afrikas. Die Haltung „wir wollen unsere Ruhe haben“ ist nicht nur eine kurzsichtige Illusion, das ist
aus christlicher Sicht unbarmherzig und hat ganz gewiss nichts mit der Verteidigung „Christlicher Werte“ oder des „Christlichen Abendlands“ zu zun.

Gegenüber Flüchtlingen, Menschen mit schrecklichen Erfahrungen der Verfolgung und der Flucht, können und dürfen wir uns als Christen nicht einfach abwenden.

Was ist mit dem „Christlichen Abendland“ denn gemeint? Was sind die Werte, die verteidigt werden sollen, weil sie uns wichtig sind? Die Fundamente der jüdisch-christlichen Tradition und der Aufklärung in Europa sind das Leitbild der Menschenwürde, der Rechtsstaat, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Wenn die Angst vor der Bedrohung durch andere Religionen oder Kulturen zu einer ernsthaften Wertedebatte führen würde, hätte unsere jetzige Situation unabhängig von den Motiven der Akteure noch eine positive Wirkung.

Die größte Gefährdung für die christliche Tradition ist gegenwärtig ein grenzenloser Materialismus, nicht eine andere Religion.

Wer kann für Christen Verbündeter sein?
Ist es jeder, der von „Europäischen Werten“ oder „Christlichen Werten“ spricht? Was ist der Maßstab für die Unterscheidung der Geister? Welches Menschenbild haben die, die unsere Unterstützung und unsere Gefolgschaft wollen und zu Aktionen aufrufen? Welches Menschenbild haben die Aktivisten für Pegida?

Der zentrale Maßstab ist für uns die Würde des Menschen, eine Würde, die jeder Mensch unabhängig von Rasse, Religion, Nützlichkeit oder sonst etwas gleichermaßen hat. Deshalb können unsere Verbündeten nie und nimmer Menschen und Gruppierungen sein, die Werte
beschwören und gleichzeitig Menschen ausgrenzen, weil sie eine andere Religion, eine andere Rasse, Nationalität haben.

Schließlich müssen wir die Frage stellen, den Akteuren und allen die sie unterstützen, welche konstruktiven Antworten, welche konstruktiven Vorschläge, sie haben. Oder wollen sie nur unsere Sorgen, unsere Ängste für ihre Ziele mobilisieren und politisch vermarkten?

Ängste sind Teil des menschlichen Lebens. Wenn sie uns beherrschen und von uns Besitz ergreifen lähmen sie uns und führen leicht zu irrationalen Verhalten.

Pressemitteilung "Unterscheidung statt Schlagwörtern – ZdK-Präsident Alois Glück zur aktuellen Auseinandersetzung um Pegida" als PDF

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