Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung
Zusammenfassung der Antworten aus den deutschen (Erz-)Diözesen auf die Fragen im Vorbereitungsdokument für die III. Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode 2014
Diese Zusammenfassung basiert auf den Antworten aus den 27 deutschen (Erz-)Diözesen sowie darüber hinaus von etwa 20 namhaften katholischen Verbänden und Institutionen, denen angesichts des von der Bischofssynode vorgegebenen knappen Erhebungszeitraums unterschiedliche Erhebungs-verfahren und Entstehungsprozesse zugrunde lagen. Dazu gehören Ausarbeitungen durch Fachleute und -gremien, Erarbeitungen in Räten der verschiedenen Ebenen bis hin zu stichprobenweisen Befragungen von Einzelpersonen und Onlinebefragungen mit entsprechender statistischer Auswertung. Trotz des vielfach als schwer verständlich kritisierten Sprachstils der Fragen haben viele Einzelpersonen und Gremien selbst die Initiative ergriffen, sich mit dem Vorbereitungsdokument für die III. Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode befasst und den Diözesen Antworten auf die darin enthaltenen Fragen übermittelt. Auf diese Weise kamen in der Vorbereitung gerade auch Eheleute und Familien zu Wort.
Im Gesamtergebnis beruht diese Zusammenfassung auf einer breiten Beteiligung der Gläubigen. Das in der Kürze der Zeit entfaltete Engagement sowohl der einzelnen beteiligten Personen als auch der mit der Sichtung und Systematisierung befassten Institutionen ist beachtlich. Dies verweist einerseits auf die grundlegende Lebensrelevanz der Gesamtthematik und andererseits auf ein großes Interesse daran, die je eigenen Vorstellungen und Einschätzungen in die Vorbereitung der Synode einzubringen. Die deutschen Bischöfe sind allen, die sich daran beteiligt haben, für ihr Engagement für die Kirche dankbar.
1. Zur Verbreitung der Heiligen Schrift und des Lehramtes der Kirche in Bezug auf die Familie
a) Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Lehren der Bibel, um die Kenntnis von „Gaudium et spes“, „Familiaris consortio“ und anderer Dokumente des nachkonziliaren Lehramtes über die Bedeutung der Familie nach der Lehre der katholischen Kirche? Wie werden unsere Gläubigen zum Familienleben nach der Lehre der Kirche herangebildet?
Viele Gläubige kennen biblische Aussagen zu Ehe und Familie (z. B. Schöpfungsbericht, das sechste Gebot, Bergpredigt). Die kirchlichen Dokumente sind im Einzelnen jedoch nicht oder nur in wenigen Fällen bekannt und haben daher kaum unmittelbare Bedeutung für die persönliche Lebensführung. Die meisten Gläubigen bringen mit der Kirche einerseits eine familienfreundliche Haltung, andererseits eine lebensferne Sexualmoral in Verbindung. Grundsätzlich gilt für gesamtkirchliche Verlautbarungen, dass ihr sprachlicher Duktus und ihr autoritativer Ansatz nicht dazu angetan sind, das Verständnis und die Akzeptanz der Gläubigen zu wecken und zu finden. Deshalb ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung gering.
Kurse zur Ehevorbereitung und seelsorgliche Angebote für Eheleute und Familien werden auf diözesaner und pfarrlicher Ebene angeboten, kommen aber oft auch nicht zustande. Sofern diese Angebote die personale Dimension von Ehe und Familie hervorheben (und damit dem Geist von „Familiaris consortio“ nahestehen), finden sie auch inhaltlich Zustimmung. Während die Vermittlung von bewährten praktischen Kompetenzen, etwa hinsichtlich der Paar-kommunikation oder der Kindererziehung hohe Wertschätzung erfährt, stößt ein Gespräch über die natürliche Familienplanung meistens auf Desinteresse oder Ablehnung.
Die kirchliche Lehre über Ehe und Familie ist Bestandteil der Lehrpläne für den Religionsunterricht. Sie spielt in der Jugendarbeit eine nur geringe Rolle. Nur vereinzelt wird in Predigten auf das katholische Familienbild Bezug genommen.
b) Wird die Lehre der Kirche dort, wo sie bekannt ist, ganz angenommen? Zeigen sich bei ihrer Umsetzung in die Praxis Schwierigkeiten? Welche?
Die Lehre der Kirche wird dort, wo sie bekannt ist, meist nur selektiv angenommen. Die Idee des sakramentalen Ehebundes, welche die Treue und Ausschließlichkeit der Ehepartner sowie die Weitergabe des Lebens umfasst, wird von den Menschen, die sich kirchlich trauen lassen, normalerweise akzeptiert. Die meisten Gläubigen schließen ihre Ehe in der Perspektive und Hoffnung einer lebenslangen Verbindung. Die kirchlichen Aussagen zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, zur Homosexualität, zu wiederverheirateten Geschiedenen und zur Geburtenregelung finden hingegen kaum Akzeptanz oder werden überwiegend explizit abgelehnt.
Das katholische Familienbild wirkt auf viele zu idealistisch und lebensfern. Insbesondere die Vorgaben der Kirche zur Sexualmoral und zur Familienplanung, welche nur die natürliche Empfängnisregelung zulässt, sind nur für sehr wenige Paare relevant. Da nicht zuletzt auch der Zölibat von vielen als Ausdruck einer kritischen Grundhaltung der Kirche zur Sexualität gedeutet wird, erschwert dies eine positive Vermittlung der kirchlichen Lehre von Ehe und Familie.
c) Wie wird die Lehre der Kirche im Kontext der Pastoralprogramme auf nationaler, diözesaner und Pfarreiebene verbreitet? Wie sieht die Katechese über die Familie aus?
Es gibt vielfältige Maßnahmen und Angebote. Häufig geschieht Familienkatechese im Rahmen der Sakramentenkatechese, etwa in Ehevorbereitungskursen oder in der Begleitung und Einbeziehung der Eltern bei der Hinführung ihrer Kinder auf die Initiationssakramente – vor allem auf die Taufe und die Erstkommunion.
Die Familie ist gleichermaßen Subjekt als auch Gegenstand der Katechese, denn religiöse Erziehung in der Familie ist für die Weitergabe und Aneignung des Glaubens unverzichtbar. Aus unterschiedlichen Gründen fällt Eltern die religiöse Erziehung ihrer Kinder oft jedoch schwer. Die Kirche steht hier – so zeigt es die pastorale Praxis – vor der Herausforderung, die Familien als Orte der Weitergabe des Glaubens zu stützen und zu stärken. Hinsichtlich der Taufe ist es wichtig, dass sich die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten auf die Feier der Taufe ihrer Kinder vorbereiten und ihr eigenes Leben mit dem Evangelium in Verbindung bringen. Dabei kann die Begegnung mit engagierten Familien und Gruppen der Gemeinde hilfreich sein. Im Kontext der Erstkommunionpastoral ist es auch die Aufgabe der Katechese, deutlich zu machen, dass die Familie trotz der unterschiedlichen Realitäten, in denen Kinder aufwachsen und leben, ein Raum ist, in dem man Jesus Christus begegnen kann.
Die Familienpastoral ist im Bereich der deutschen (Erz-) Diözesen gut verankert. So gibt es in allen (Erz-)Bistümern Diözesanreferenten für die Ehe- und Familienpastoral. Zu den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz gehört eine eigene Kommission für Ehe und Familie, in der gesellschaftliche Herausforderungen für die Ehe und Familie diskutiert und familienpastorale Initiativen auf der Ebene der Bischofskonferenz beraten, koordiniert und initiiert werden.
d) In welchem Maß – und insbesondere bezüglich welcher Aspekte – ist diese Lehre im außerkirchlichen Bereich wirklich bekannt, wird akzeptiert, zurückgewiesen und/oder kritisiert? Welche kulturellen Faktoren behindern die volle Annahme der Lehre der Kirche über die Familie?
Außerhalb der Kirche wird die kirchliche Sexualmoral als reine „Verbotsmoral“ wahrgenommen und in Argumentationsduktus und Sprache als unverständlich und lebensfern bewertet. Die kirchliche Weigerung, homosexuelle Lebenspartnerschaften gesellschaftlich und rechtlich anzuerkennen, wird darüber hinaus als Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verstanden.
Zu den gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren, die die Kommunikation der kirchlichen Lehre erschweren, gehört eine fundamentale Veränderung und Pluralisierung des Familienbegriffs, ebenso auch die Privatisierung der Sexualmoral und menschlicher Beziehungen überhaupt. Für die meisten gehören Fragen der Sexualmoral zum Intimbereich des Einzelnen bzw. der Partner, auf den Institutionen nur beratend, nicht aber normierend Einfluss nehmen dürfen. Der soziale, auch öffentliche Austausch zu Themen von Ehe und Familie wird wertgeschätzt, sofern die Gewissensentscheidung des Einzelnen respektiert wird. Die Säkularisierung der Gesellschaft und Kultur macht es für die Kirche schwierig, die religiöse und spirituelle Dimension von Ehe und Familie zu kommunizieren. Sprachlich und inhaltlich sind die theologischen Aussagen für die meisten Menschen unverständlich. Schließlich wird es infolge der Pluralisierung von Lebensformen immer schwieriger, sozial verbindliche Vorgaben zu formulieren, die den unterschiedlichen Lebensverhältnissen gerecht werden. Diese Entwicklungen machen verständlich, dass die kirchlichen Angebote der Ehe-, Familien- und Lebensberatung sich hoher sozialer Wertschätzung erfreuen, während die kirchliche Ehetheologie und Sexualmoral nahezu keine Akzeptanz findet.
2. Zur Ehe nach dem Naturrecht
a) Welchen Raum nimmt der Begriff des Naturrechts in der weltlichen Kultur ein, sowohl auf institutioneller, erzieherischer und akademischer Ebene als auch in der Volkskultur? Welche anthropologischen Sichtweisen liegen dieser Debatte über das natürliche Fundament der Familie zugrunde?
Der Begriff „Naturrecht“ ist in der Gesellschaft kaum bekannt. Er spielt auf institutioneller und erzieherischer Ebene sowie in der Alltagskultur praktisch keine Rolle. Auch in der akademischen Ethik- und Rechtsbegründung wird der Naturrechtsbegriff nur noch selten gebraucht. Zugleich gibt es eine große Sympathie für die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte, normalerweise jedoch ohne dass nach ihrer theoretischen Begründung gefragt wird. Interessant ist, dass Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom „natürlichen“ Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder spricht. Diese Rechtsauffassung findet eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Ein einheitliches, allgemein akzeptiertes anthropologisches Konzept gibt es aber nicht. In den moraltheologischen Debatten ist in den letzten Jahren – nicht zuletzt seit der Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag im September 2011 – das Interesse an einer Verhältnisbestimmung von Ethik, Humanwissenschaften und Theologie neu erwacht, wobei sich mitunter Muster naturrechtlichen Denkens zeigen.
Auch wenn eine explizit naturrechtliche Perspektive praktisch keine Rolle spielt, erfährt doch das gelingende Leben in einer stabilen Paarbeziehung und Familie eine ungebrochen hohe Wertschätzung in der Gesellschaft. Die Menschen wünschen sich auf Dauer angelegte Paarbeziehungen, die auf einer verlässlichen Wertschätzung des Partners beruhen. Insbesondere auch für Jugendliche und junge Erwachsene ist es ein sehr hoher Wert, ein gutes Familienleben zu führen. Diese breite gesellschaftliche Zustimmung zur allgemeinen Bedeutung von Beziehungen und verlässlichen familiären Strukturen für den Menschen könnte eventuell Anschlussmöglichkeiten für ein zeitgemäßes naturrechtliches Denken bieten.
b) Wird der Begriff des Naturrechts in Bezug auf die Verbindung zwischen Mann und Frau von Seiten der Gläubigen im Allgemeinen akzeptiert?
Der Begriff „Naturrecht“ ist auch den meisten Gläubigen nicht geläufig. Manche Rückmeldungen von Gläubigen lehnen eine Beantwortung dieser Frage ausdrücklich mit der Begründung ab, dass die Begrifflichkeit schlicht unbekannt sei. Allerdings hat die damit gemeinte Wirklichkeit in Bezug auf die Verbindung zwischen Mann und Frau für viele Gläubige eine intuitive Plausibilität, wenn auch keine letztgültige normative Verbindlichkeit. Der innere Zusammenhang zwischen Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit als Wesensgehalt der Ehe ist vielfach nicht präsent. Das führt dazu, dass viele Aspekte der kirchlichen Sexualmoral – insbesondere die Aussagen des Lehramtes hinsichtlich der Kontrazeptionsmethoden und der außerehelichen Sexualität – von einer Mehrheit der Gläubigen nicht verstanden bzw. nicht geteilt werden. Auch die Position der Kirche hinsichtlich gelebter Homosexualität und des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare ist vor diesem Hintergrund schwer vermittelbar.
c) Auf welche Weise wird in Theorie und Praxis das Naturrecht in Bezug auf die Verbindung zwischen Mann und Frau im Hinblick auf die Bildung einer Familie bestritten? Wie wird es in den zivilen und kirchlichen Einrichtungen dargelegt und vertieft?
Faktisch stehen die Einstellungen von einer Mehrheit der Menschen zu wichtigen Fragen von Ehe und Familie im Widerspruch zu einem Naturrecht traditioneller Prägung. So werden Liebe und Sexualität einerseits und die Zeugung von Kindern andererseits zunehmend als zwei verschiedene und voneinander getrennte Lebensvollzüge erlebt und verstanden.
Während eine gewisse Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit wie auch das Monogamie-Prinzip als allgemeine Kennzeichen der Ehe eine breite Zustimmung in der Gesellschaft finden, wird das Prinzip einer strengen Unauflöslichkeit der Ehe mit der Konsequenz der Nicht-Zulassung einer erneuten Eheschließung von einer großen Mehrheit abgelehnt. Auch die Zweigeschlechtlichkeit der Ehe wird von einem größer werdenden Bevölkerungsanteil in Frage gestellt. Entsprechend gibt es die Tendenz zu einer rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Ehe, der auch große Teile der Bevölkerung zustimmen.
In zivilen Einrichtungen wird die naturrechtliche Dimension gar nicht dargelegt. Die Idee des Naturrechts im Sinne einer Normativität, die sich unmittelbar aus bestimmten Naturgegebenheiten ableiten ließe, steht im Widerspruch zu einem eher konstruktivistischen Wirklichkeitsverständnis der Moderne und Postmoderne. Auch im innerkirchlichen Raum wird das Naturrecht kaum dargelegt oder vertieft und oft als historisch überholt und an moderne ethische Diskurse nicht mehr anschlussfähig dezidiert abgelehnt. Insbesondere wird eine biologistisch verengte Auffassung vom „Naturrecht“ scharf kritisiert, weil sie dem christlichen Menschenbild nicht gerecht werde. Einige schlagen vor, anstelle des Begriffs des „Naturrechts“ besser auf den biblisch grundgelegten und positiver besetzten Begriff der „Schöpfungsordnung“ zurückzugreifen. Eine stärker personal argumentierende Grundlegung, wie sie bereits in den Texten des II. Vaticanums (insbesondere „Gaudium et spes“), vor allem aber auch im „Familiaris consortio“ aufscheint, hält man hingegen für eher geeignet, den Menschen unserer Zeit den reichen Bedeutungsgehalt der christlichen (Familien-)Ethik zu erschließen.
d) Wie soll man die pastoralen Herausforderungen annehmen, die sich ergeben, wenn nicht praktizierende oder sich als ungläubig bezeichnende Getaufte die Feier der Eheschließung erbitten?
Wenn nicht praktizierende oder sich als ungläubig bezeichnende Christen die Feier der Eheschließung erbitten, sollten sie zunächst einmal mit Freude willkommen geheißen und in ihrer Entscheidung zur Ehe ermutigt und gestärkt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, ihnen eine ausführliche und qualitätsvolle kirchliche Ehevorbereitung anzubieten bzw. diese auch verbindlich vorauszusetzen. Junge Paare, die den Entschluss gefasst haben zu heiraten, befinden sich in einer Lebensphase, in der ihnen ihre Paarbeziehung besonders wichtig ist und in der sie in der Regel offen gegenüber einem erfahrungsgesättigten Rat bezüglich eines gelingenden Lebens in Ehe und Familie sind. Wenn sie im Rahmen kirchlicher Ehevorbereitung einerseits die hohe Wertschätzung erleben, die die Kirche der Ehe, der ehelichen Liebe, der Sexualität und dem Leben in Familie entgegenbringt, und andererseits praktisch-hilfreiche Kompetenzen – beispielsweise in der Paarkommunikation – erwerben, dann kann die Ehevorbereitung auch eine Tür zu einer neuen Annäherung an das kirchliche Leben öffnen.
Paare, die sich auch nach einer solchen Ehevorbereitung ausdrücklich vom christlichen Verständnis der Ehe distanzieren, können aufgrund des fehlenden Konsens keine gültige sakramentale Ehe schließen. Zugleich gilt es jedoch auch ihren Wunsch nach einer kirchlichen Feier – der möglicherweise aus einem diffusen religiösen Gefühl heraus geäußert wird – ernst zu nehmen. Die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Form man der Bitte dieser Paare um die Feier der Eheschließung nachkommen soll, fällt sehr unterschiedlich aus. In jedem Fall wird man bei konkreten Entscheidungen den jeweiligen Einzelfall genau in den Blick zu nehmen haben. Gegebenenfalls könnte eine Segnung der Paare – ohne Erfragung des Ehekonsens im kirchenrechtlichen Sinn – eine angemessene Form sein.
3. Die Familienpastoral im Kontext der Evangelisierung
a) Welche Erfahrungen wurden in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Ehevorbereitung gemacht? Auf welche Weise hat man sich bemüht, dem Evangelisierungsauftrag der Eheleute und der Familie Impulse zu geben? Wie kann man das Bewusstsein der Familie als „Hauskirche“ fördern?
Zur Ehevorbereitung sind in den deutschen Diözesen zahlreiche verschiedene Kurs- und Veranstaltungsmodelle entwickelt worden. Die Spannbreite reicht dabei vom eintägigen Seminar über Wochenendseminare, mehrteilige Abendkurse bis hin zu Reihen mit mehreren Wochenendveranstaltungen. Die Erfahrungen hiermit sind sehr unterschiedlich. Einige Diözesen berichten von rückläufigen Teilnehmerzahlen, andere erleben, dass die Teilnehmerzahlen gerade in jüngster Zeit ansteigen. Es werden je nach Diözese zwischen 10 Prozent und 60 Prozent der Paare erreicht, die kirchlich heiraten, durchschnittlich etwa ein Drittel. Vor allem die zeitaufwändigeren Ehevorbereitungsseminare werden nur von wenigen Brautpaaren besucht. Das Ehevorbereitungsgespräch mit dem Ortspfarrer oder dessen Bevollmächtigen ist für alle Brautleute obligatorisch, wird aber oft nicht als Chance für ein eingehenderes Gespräch genutzt, sondern verbleibt im eher formalen Rahmen. Immer wieder klagen Brautleute auch über eine unpersönliche und formalistische Behandlung ihres Anliegens.
Der Evangelisierungsauftrag der Eheleute und Familien wird in erster Linie darin gesehen, die Ehe über die Jahre hin als personale Lebensgemeinschaft so zu entfalten, dass das christliche Leitbild der Ehe dadurch an Anziehungskraft gewinnt. Dann wird aber auch die Weitergabe des Glaubens an die nachwachsenden Generationen als genuiner Evangelisierungsauftrag der Familien verstanden.
Impulsangebote für diesen Evangelisierungsauftrag gibt es in Form von zahlreichen Veranstaltungen auf Diözesan-, Dekanats- oder Pfarreiebene sowie seitens der Verbände und Bewegungen. Insbesondere Seminare zu Fragen der Erziehung werden stark nachgefragt. Seit 1971 wird in den deutschen Diözesen jährlich ein Familiensonntag begangen. Hierzu wird jeweils vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz ein Themenheft herausgegeben, das aktuelle Themen und Fragestellungen aufgreift. Zahlreiche andere Publikationen und Periodika bieten Impulse für ein christliches Familienleben.
Das Bewusstsein der Familie als Hauskirche ist in Deutschland nicht sehr stark ausgeprägt. Es lässt sich am ehesten dadurch fördern, dass man verdeutlicht, wie sehr das ganze Leben der Familie hier eine Rolle spielt, ohne den Aspekt der Hauskirche allein auf das Gebet im Familienkreis zu begrenzen. Gegenüber Formen von Hausgottesdiensten gibt es in Deutschland große Hemmschwellen, die auch einen konfessionell-kulturgeschichtlichen Hintergrund haben.
b) Ist es gelungen, für die Familie Gebetsformen vorzuschlagen, die in der Komplexität des heutigen Lebens und der aktuellen Kultur Bestand haben?
Die Praxis des Gebets in der Familie ist in Deutschland sehr unterschiedlich. Unter den Gebetsformen wird vor allem das Tischgebet in christlichen Familien mit kleinen Kindern praktiziert. Auch das abendliche Beten mit den Kindern ist eine häufige Praxis. Immer mehr Familien gelingt es aber auch nicht, eine Praxis des gemeinsamen Gebetes zu entwickeln. Es gibt eine große Nachfrage nach einfachen Gesten, Zeichen und Worten, um das Gebet im Familienalltag zu realisieren – vor allem mit kleinen Kindern. Einfache und praktikable Handreichungen hierzu erreichen beachtliche Auflagenzahlen. Schwierig wird die Frage des Gebets in der Familie häufig dann, wenn die Kinder älter werden. Das neue Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ soll auch für die häusliche Gebetspraxis eine Hilfe sein.
c) Haben die Familien in der aktuellen Situation des Generationenkonflikts verstanden, ihre Berufung zur Weitergabe des Glaubens umzusetzen? Wie?
Eine Situation des Generationenkonflikts in den Familien gab es in Deutschland verstärkt in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seither hat sich das Generationenverhältnis in den Familien deutlich entspannt. Eltern sind heute sehr bemüht darum, Kinder gerade im religiösen Bereich nicht zu etwas zu drängen. Konflikte werden gerade in diesem Bereich eher gemieden als ausgetragen. Bei religiösen Themen fühlen Eltern sich zudem selbst verunsichert, sodass sie in Bezug auf die Weitergabe des Glaubens oft sprachlos sind und dieses Thema, obwohl sie es für wichtig erachten, an Institutionen wie Kindergarten, Gemeinde und Schule delegieren. Eine wichtige Funktion nehmen in diesem Zusammenhang nicht selten die Großeltern ein, die scheinbar viel besser den Glauben weitergeben können. Allerdings wird dies häufig dadurch erschwert, dass viele Familien heute in einer räumlich großen Distanz zu den Großeltern leben. Wo man sich um die Glaubensweitergabe müht, kommt der Gestaltung der christlichen Feste im Jahreskreis und nach wie vor auch den Feiern zu Taufe, Erstkommunion und Firmung eine hohe Bedeutung zu. Auch im Gespräch mit den Kindern über Krankheit und Tod ist der Glaube ein zentraler Aspekt. Gerade beim Tod naher Angehöriger, wie etwa der Großeltern, wird die christliche Grundhaltung der Hoffnung zu einem zentralen Thema. Zugleich wird hier aber oft auch eine religiöse Sprachlosigkeit besonders drängend erfahren.
d) Wie haben es die Ortskirchen und Bewegungen der Familienspiritualität verstanden, vorbildliche Wege der Formung und Ausbildung zu schaffen?
Auf der Ebene der Pfarreien, Dekanate und Diözesen gibt es Familienkreise, Familienfreizeitangebote, Familienexerzitien und verschiedene Familienkurse. Eine Reihe von kirchlichen Bewegungen stellt die Familie in den Fokus ihrer Bemühungen. Es handelt sich aber in keinem der genannten Fälle um Massenphänomene, sondern eher um Ansätze im Kleinen. Außerdem gibt es Erziehungskurse für Eltern, die von kirchlichen Trägern angeboten werden, wie etwa das Konzept „KESS-erziehen“ (Kooperativ, Ermutigend, Sozial, Situationsorientiert) der Arbeitsgemeinschaft Katholische Familienbildung (AKF), die von den deutschen Bistümern getragen wird. Auch die im Auftrag der deutschen Bischöfe herausgegebenen „Elternbriefe Du und wir“, die im Verlauf des Aufwachsens der Kinder einen christlichen Grundansatz von Erziehung vermitteln, erreichen mit insgesamt 130.000 Bezieheradressen eine große Zahl junger Familien.
e) Welchen besonderen Beitrag haben Ehepaare und Familien leisten können, um zur Verbreitung einer heute glaubwürdigen ganzheitlichen Sicht von Ehe und Familie beizutragen?
Das Gelingen von Ehe und Familie gilt heute nicht mehr als Selbstverständlichkeit. Umso mehr sind junge Menschen auf der Suche nach Modellen des Gelingens, und gesamtgesellschaftlich ist eine hohe Wertschätzung für Ehepaare festzustellen, die auch nach langen Ehejahren noch in einer liebevollen personalen Beziehung zueinander leben. Wenn christliche Eheleute und Familien verdeutlichen und zur Sprache bringen, dass Ehe und Familie als personale, von Liebe getragene Gemeinschaften an Stabilität und Perspektive gewinnen, werden dadurch solche Modelle des Gelingens sichtbar und Ehe und Familie bleiben als Lebensmodelle glaubwürdig. Dies wird mit großer Einhelligkeit immer wieder als zentrales Element eines missionarischen Wirkens von Eheleuten und Familien gesehen. In vielen deutschen Bistümern gibt es mittlerweile unter Teilnahme des Bischofs zentrale Jubiläums- und Dankfeiern für Paare nach vielen Jahren Ehe. Diese Tage bieten neben der Würdigung dieser Lebensleistungen immer wieder eine sehr gute Gelegenheit, das Gelingen von Ehe sowohl in die Kirche als auch in die Gesellschaft hinein sichtbar zu machen.
f) Welche besondere pastorale Aufmerksamkeit hat die Kirche gezeigt, um den Weg der Paare, die am Anfang ihres gemeinsamen Weges stehen, sowie den der Ehepaare in der Krise zu unterstützen?
Es lassen sich hier beispielhaft einige Projekte nennen, die in den meisten deutschen Diözesen implementiert wurden. Hierzu gehören die Kommunikationskurse EPL (Ein Partnerschaftliches Lernprogramm) für junge Paare, die als sozialwissenschaftlich evaluiertes Instrument zur Stärkung der Paarkompetenz im Umfeld der katholischen Kirche entwickelt wurden und sowohl in der Ehevorbereitung als auch in der Ehebegleitung angeboten werden.
Ein positives Echo finden auch die Ehebriefe, die in zahlreichen Diözesen den Brautpaaren im Abonnement geschenkt werden: zehn Briefe, die per Post über einen Zeitraum von zwei Jahren zugeschickt werden. Eine besondere Bedeutung kommt schließlich der Ehe-, Familien- und Lebensberatung zu, einem professionellen Beratungsangebot der Seelsorge mit derzeit bundesweit 274 Beratungsstellen, 345 Vollzeitplanstellen für professionell ausgebildete Beraterinnen und Berater und einem jährlichen Beratungsvolumen von 420.000 Beratungsstunden. Dieses allgemein zugängliche und für die Ratsuchenden weitgehend kostenlose Beratungsangebot wird zu 72 Prozent von den deutschen Diözesen finanziert, da es dafür nur wenig staatliche Unterstützung gibt.
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die Angebote der Schwangerenberatung und der Telefonseelsorge sowie die weiteren Beratungsangebote und Krisendienste der Caritas.
Auch angesichts dieser Beispiele ist allerdings festzuhalten, dass es in vielen dieser Bereiche einen deutlichen Bedarf für ein größeres Engagement der Kirche gibt. Zudem erweist sich, dass die Angebote regional in sehr unterschiedlicher Weise verfügbar sind und in manchen Regionen ein deutlicher Nachholbedarf besteht.
4. Zur Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen
a) Ist das Zusammenleben „ad experimentum“ in der Ortskirche eine relevante pastorale Wirklichkeit? Welchen Prozentsatz macht es schätzungsweise aus?
In den Stellungnahmen aus den Diözesen wird übereinstimmend festgestellt, dass die „voreheliche Lebensgemeinschaft“ nicht nur eine relevante, sondern eine nahezu flächendeckende pastorale Wirklichkeit ist. Fast alle Paare, die um eine kirchliche Trauung bitten, leben oft schon mehrere Jahre zusammen (Schätzungen liegen zwischen 90 Prozent und 100 Prozent). Dies wird von Katholiken in ähnlich hohem Maße wie von der Gesamtbevölkerung für in Ordnung befunden, wie eine aktuelle demoskopische Untersuchung zeigt. Auch die Trauungen von Paaren, die bereits Kinder haben, nehmen zu. Dabei wird das Zusammenleben weniger als „Experiment“, sondern als eine allgemein übliche Vorstufe der Ehe betrachtet, eingegangen mit der Absicht, die Beziehung auf diese Weise zu festigen und später zu heiraten, sofern sich die Partnerschaft als stabil erweist. Angesichts der endgültigen Verbindlichkeit einer Ehe und im Bewusstsein, dass eine scheiternde Ehe eine tiefe Lebenskrise bedeutet, halten viele eine Eheschließung ohne ein voreheliches Zusammenleben gar für unverantwortlich.
b) Gibt es faktische Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder zivile Anerkennung? Gibt es dazu verlässliche statistische Daten?
Die faktischen Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder zivile Anerkennung sind ein zunehmendes Phänomen. Von den in Deutschland im Jahr 2012 gemeinsam in einem Haushalt lebenden heterosexuellen Paaren (20,693 Mio.) waren 87 Prozent verheiratet (17,993 Mio.) und 13 Prozent waren nichteheliche Lebensgemeinschaften (2,693 Mio.). Die Verschiebung kann an einer anderen Zahl deutlich werden: 180.311 Kinder wurden im Jahr 2012 in Deutschland von einer katholischen Mutter geboren. Bei 128.455 dieser Kinder war die Mutter verheiratet, bei 51.856 Kindern nicht. Das bedeutet: 71,8 Prozent aller Kinder, die 2012 von einer katholischen Mutter geboren wurden, kamen in einer Ehe zur Welt und 28,8 Prozent wurden von einer unverheirateten Mutter geboren. Gesamtgesellschaftlich ist dabei der Anteil der nichtehelichen Geburten in den neuen Bundesländern deutlich in der Mehrzahl (2011: 61,7 Prozent neue Bundesländer; 29 Prozent alte Bundesländer). Auch die Geburt von Kindern ist heute also nicht mehr selbstverständlich Anlass, zu heiraten. Die Katholiken in Deutschland akzeptieren das Zusammenleben von unverheirateten Paaren ohne große Vorbehalte. Lediglich drei Prozent nehmen hier eine strikt ablehnende Position ein.
c) Stellen die getrennt Lebenden und die wiederverheirateten Geschiedenen eine wichtige pastorale Realität in der Ortskirche dar? Welchen Prozentsatz machen sie schätzungsweise aus? Begegnet man dieser Situation durch entsprechende Pastoralpläne? Welche?
Auch die getrennt Lebenden und die wiederverheirateten Geschiedenen sind zu einem selbstverständlichen Teil der pastoralen Realität in Deutschland geworden. In Deutschland wird etwa jede dritte Ehe geschieden, wobei die absolute Zahl der jährlichen Scheidungen zuletzt rückläufig war. In etwa der Hälfte aller Scheidungsfälle sind gemeinsame minderjährige Kinder betroffen. Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die Ehen von Katholiken etwas stabiler sind als der Durchschnitt, die Differenz ist jedoch nicht sehr groß.
In der Pastoral der Kirche gibt es ein breites Angebot der Ehe-, Familien- und Lebensberatung, das Menschen insbesondere auch in der Situation von Trennung, Scheidung und auch Wiederheirat offen steht. Außerdem gibt es in den deutschen Diözesen Konzepte für die pastorale Begleitung von Alleinerziehenden, die auch in sozialer Hinsicht oft unter großen Problemen und einem hohen Armutsrisiko leiden.
d) All diese Fälle betreffend: Wie leben die Getauften ihre irreguläre Situation? Sind sie sich dessen bewusst? Zeigen sie sich gleichgültig? Fühlen sie sich ausgegrenzt und leiden an der Unmöglichkeit, die Sakramente zu empfangen?
Die Getauften erleben ihre Situation nicht als eine irreguläre. Die Bezeichnungen „regulär“ und „irregulär“ werden von den Menschen in diesem Zusammenhang sogar deutlich abgelehnt, weil sie als ausgrenzend und diskriminierend empfunden werden, gerade den Familien gegenüber, die sowieso schon mit erschwerten Lebensbedingungen konfrontiert sind. Sie bewerten die eingegangene Trennung und den Aufbau einer neuen Beziehung als moralisch gerechtfertigt und erachten manchmal hingegen das Verbleiben in einer unzumutbaren Beziehung als Schuld.
Auch unter den Engagierten in den Pfarrgemeinden finden sich nicht wenige Paare, die wiederverheiratet geschieden sind. Für viele von ihnen, gerade für die Engagierten in der Kirche, entsteht jedoch ein großer Leidensdruck. Sie fühlen sich durch den Ausschluss von den Sakramenten, aber auch durch den Ausschluss von gewissen Diensten und Ämtern diskriminiert und ausgegrenzt.
Scheidung und Wiederheirat leiten oft einen Prozess der Distanzierung von der Kirche ein oder vergrößern die bereits bestehende Distanz zur Kirche. Mit einer Institution, die sie als ablehnend erfahren, möchten viele nichts mehr zu tun haben. Immer wieder führt diese Distanzierung von der Kirche auch zu einer Distanzierung vom christlichen Glauben, der ohne kirchliche Bindung und auf Grund der von der Kirche vertretenen und von den Menschen nicht verstandenen Inhalte immer unbedeutsamer wird.
e) Welche Anfragen/Bitten gibt es von Seiten der wiederverheirateten Geschiedenen an die Kirche in Bezug auf die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung? Wie viele Gläubige, die in diesen Situationen leben, fragen nach diesen Sakramenten?
Die meisten Katholiken, auch jene, die in einer intakten Ehe leben, können die Lehre der Kirche in diesem Punkt nicht nachvollziehen, sondern fordern eine Pastoral des Respekts vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen und einen barmherzigen Umgang mit Scheitern, der auch einen Neuanfang und die Wiederzulassung zu den Sakramenten, insbesondere zur Eucharistie, ermöglicht. Sie weisen darauf hin, dass für gewöhnlich auch in der neuen Beziehung christliche Werte wie Liebe, Treue, Verantwortung füreinander und für die Kinder gelebt werden. Die Zulassung zu den Sakramenten wird vor allem von den Katholiken gefordert, die am Gemeindeleben teilnehmen.
f) Könnte die Straffung der kirchenrechtlichen Praxis zur Anerkennung der Nichtigkeitserklärung des Ehebandes einen wirklichen und positiven Beitrag leisten zur Lösung der Probleme der betroffenen Personen? Wenn ja, in welchen Formen?
Die Stellungnahmen aus den Diözesen stellen übereinstimmend fest, dass die meisten Katholiken, deren Ehen gescheitert sind, sich nicht mit der Frage der Gültigkeit befassen, weil sie ihre oft langjährige Ehe nicht als „nichtig“, sondern als gescheitert betrachten. Ein Verfahren der Annullierung wird daher oft als unehrlich empfunden. Sie erwarten, dass die Kirche ihnen – etwa nach der Praxis der orthodoxen Kirchen – einen Neuanfang in einer neuen Beziehung ermöglicht. Für einen kleineren Teil der Betroffenen könnte das kirchenrechtliche Ehenichtigkeitsverfahren zur Lösung ihrer Probleme beitragen, wenn das Verfahren zeitlich gestrafft, vereinfacht und durch eine pastorale Begleitung ergänzt wird.
g) Gibt es eine Pastoral, um diesen Fällen entgegenzukommen? Wie sieht diese Pastoral aus? Gibt es diesbezügliche Pastoralpläne auf nationaler und diözesaner Ebene? Wie wird den getrennt Lebenden und den wiederverheirateten Geschiedenen die Barmherzigkeit Gottes verkündet und wie wird die Unterstützung ihres Glaubensweges durch die Kirche umgesetzt?
Der kirchenrechtliche Ausschluss von den Sakramenten als Folge einer erneuten zivilen Eheschließung wird von den Betroffenen als ungerechtfertigte Diskriminierung und Unbarmherzigkeit empfunden. Der Ausschluss von der Eucharistiegemeinschaft wird besonders schmerzlich bei der Erstkommunionfeier der eigenen Kinder erlebt. Nicht selten führt dieser Ausschluss zu einem Abbruch auch der Eucharistiegemeinschaft der Kinder, denen das elterliche Vorbild gelebter Eucharistiegemeinschaft fehlt.
In der konkreten Seelsorge ist in vielen Fällen von einer Praxis des eigenständigen Hinzutretens zum Sakramentenempfang auszugehen. Nicht selten gibt es auch eine Praxis der Wiederzulassung zur Eucharistie, der in der Regel Gespräche mit dem Seelsorger vorausgegangen sind. Auch besondere Gottesdienste für Menschen in der Situation von Trennung und Wiederheirat werden angeboten, oft verknüpft mit Gesprächsangeboten. Einzelfallregelungen aber können den allgemeinen Eindruck, die Kirche handle unbarmherzig gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen, nicht ändern. Mehrere Stellungnahmen unterstützen deshalb ausdrücklich die „Handreichung für die Seelsorge zur Begleitung in Trennung, Scheidung und ziviler Wiederverheiratung“ (2013) des Seelsorgeamtes der Erzdiözese Freiburg.
Nach einer aktuellen Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach sprechen sich 66 Prozent der Katholiken für eine kirchliche Trauung Geschiedener aus.
5. Zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
a) Gibt es in Ihrem Land eine zivile Gesetzgebung, die Verbindungen von Personen desselben Geschlechts anerkennt und damit in etwa der Ehe gleichstellt?
In Deutschland gibt es seit dem Jahr 2000 das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, die Paaren gleichen Geschlechts offen steht und in den vergangenen Jahren rechtlich der Ehe nahezu angeglichen wurde. Lediglich das Recht zur gemeinschaftlichen Adoption fremder Kinder ist derzeit noch Ehepaaren vorbehalten. 2012 gab es in Deutschland 32.000 Eingetragene Lebenspartnerschaften und 17.992.000 Ehepaare.
b) Was ist die Haltung der Teilkirchen und Ortskirchen sowohl gegenüber dem Staat, der die zivilen Verbindungen zwischen Personen desselben Geschlechts fördert, als auch gegenüber den von dieser Art von Verbindungen betroffenen Personen?
Die Bischöfe in Deutschland haben sich immer wieder gegen eine rechtliche Gleichstellung von Ehe und eingetragener Partnerschaft ausgesprochen und dabei darauf verwiesen, dass Ehen nicht zuletzt wegen ihrer Ausrichtung auf Nachkommenschaft und Familiengründung eine andere Bedeutung sowohl für die beteiligten Personen als auch für die Gesellschaft haben als gleichgeschlechtliche Partnerschaften und dass dies auch in der rechtlichen Stellung der jeweiligen Institute zum Ausdruck kommen soll. Die katholische Kirche konnte sich mit dieser Position kaum gesellschaftliches Gehör verschaffen, da der Aspekt des Diskriminierungsverbotes so stark im Vordergrund steht, dass kein anderes Argument zur Geltung kommt. Für die Zukunft ist eine Diskussion darüber zu erwarten, ob die beiden Rechtsinstitute in ein einziges Institut „Ehe“ überführt werden sollen, das dann sowohl heterosexuellen wie homosexuellen Paaren offen steht. Auch hier nimmt die katholische Kirche eine deutlich ablehnende und warnende Haltung ein, weil sie darin eine Gleichmachung von an sich Ungleichem sieht.
c) Welche pastorale Aufmerksamkeit ist möglich gegenüber Menschen, die sich für derartige Lebensgemeinschaften entschieden haben?
Die Kirche bietet Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, insbesondere das pastorale Gespräch und die Beratung im Kontext ihrer Beratungs-institutionen (Ehe-, Familien- und Lebensberatung) an. Sehr vereinzelt gibt es gezielte Seminarangebote oder explizite Angebote für Seelsorgegespräche. Bisher ist die pastorale Aufmerksamkeit insgesamt gering. Möglich wäre sicher ein deutlich expliziteres Zugehen auf Menschen in diesen Lebenssituationen. Den Katholiken in Deutschland sind die Toleranz und die individuelle Wertschätzung gegenüber homosexuellen Menschen insgesamt gesehen sehr wichtig. Darin gibt es eine hohe Übereinstimmung mit der Mahnung des Katechismus der Katholischen Kirche: „Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen.“ (KKK 2358)
Vor diesem Hintergrund gibt es bei den deutschen Katholiken eine deutliche Tendenz, die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und deren Gleichbehandlung gegenüber der Ehe als ein Gebot der Gerechtigkeit zu betrachten. Die Öffnung der Ehe als solcher für gleichgeschlechtliche Paare wird hingegen überwiegend abgelehnt. Nicht wenige halten es jedoch für sinnvoll und positiv, auch gleichgeschlechtlichen Paaren einen Ritus der Segnung anzubieten.
d) Wie soll man sich auf pastoraler Ebene mit Blick auf die Glaubensweitergabe in jenen Fällen verhalten, in denen gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptiert haben?
Diese – wenigen – Kinder werden von den Bemühungen der Kirche um die Weitergabe des Glaubens in keiner Weise ausgeschlossen, sofern deren Erziehungsberechtigten Taufe, Katechese, Religionsunterricht und Erstkommunion für diese Kinder wollen. Eine Ungleichbehandlung dieser Kinder wird vehement abgelehnt.
6. Zur Erziehung der Kinder in irregulären Ehesituationen
a) Wie hoch ist der geschätzte Prozentsatz der Kinder und Heranwachsenden im Vergleich zu den in regulären Familien geborenen und aufgewachsenen Kindern?
In Deutschland wachsen in 79 Prozent aller Familien die Kinder bei beiden leiblichen Eltern auf. Für zehn Prozent der Familien gilt, dass ein oder mehrere Kinder für einen Elternteil nicht die leiblichen Kinder sind. In elf Prozent der Familien ist ein Elternteil, zumeist die Mutter, alleinerziehend.
b) Mit welcher Haltung wenden sich die Eltern an die Kirche? Um was bitten sie? Nur um die Sakramente oder auch um die Katechese und den Religionsunterricht im Allgemeinen?
Eltern wenden sich mit ganz unterschiedlichen Haltungen an die Kirche. Dabei wird der Fall, dass sie „nur die Sakramente“ für ihre Kinder möchten, tendenziell seltener, weil Eltern ohne weitergehendes Interesse meist auch keinen Wert mehr auf die Taufe oder die Erstkommunion legen. Wer hingegen Taufe und Erstkommunion für sein Kind möchte, bejaht in der Regel auch Katechese und Religionsunterricht. Für die Intention der Eltern ist der Aspekt des Segens sehr bedeutsam: Sie wünschen sich, dass ihren Kindern von der Kirche der Segen Gottes zugesprochen wird. Sie wollen, dass ihre Kinder freundlich aufgenommen werden und sehen darin ein Zeichen dafür, dass sie gemeinsam mit ihnen angenommen sind. Zugleich suchen die Eltern auch nach Unterstützung in der religiösen und wertorientierten Erziehung und Sozialisation ihrer Kinder.
c) Wie kommen die Teilkirchen dem Wunsch dieser Eltern nach, ihren Kindern eine christliche Erziehung zu bieten?
In Deutschland gibt es knapp 9.200 Kindertagesstätten sowie 686 allgemeinbildende Schulen und 219 berufsbildende Schulen in katholischer Trägerschaft, die auch von breiten gesellschaftlichen Kreisen sehr geschätzt und nachgefragt werden. Darüber hinaus gibt es in fast allen Bundesländern einen konfessionellen schulischen Religionsunterricht. Auch die Teilnahme an der Vorbereitungskatechese zu Erstkommunion und Firmung ist im Allgemeinen allen getauften Kindern möglich. In vielen Pfarreien wird es auch nicht mehr als Problem betrachtet, wenn Eltern, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, sich aktiv an der Vorbereitung auf die Erstkommunion beteiligen.
Weitere Angebote machen die kirchliche (außerschulische) Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere in den 16 Mitgliedsverbänden des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), die kirchlichen Bewegungen sowie die Kinder- und Jugendseelsorge, etwa die Messdienerarbeit. All diese Angebote stehen unterschiedslos allen Kindern offen.
d) Wie läuft in diesen Fällen die sakramentale Praxis ab: die Vorbereitung, die Spendung der Sakramente und die Begleitung?
Im Regelfall werden die Eltern eingeladen, ihr Kind zur Kommunionvorbereitung anzumelden, die meist mit dem Eintritt ins dritte Schuljahr anfängt. Im Optimalfall gibt es zum Beginn der Kommunionvorbereitung ein persönliches Gespräch des zuständigen Seelsorgers mit jeder Familie, bei dem die gegenseitigen Erwartungen und Erfordernisse miteinander geklärt werden. In den meisten Pfarreien in Deutschland werden Kinder und Eltern in der Vorbereitung von einem Team von ehrenamtlichen Katechetinnen und Katecheten begleitet, die auch Sorge für die katechetische Unterweisung der Kinder tragen. Konfessionsverschiedene Eltern von Kommunionkindern gehören dabei ebenso zum pastoralen Alltag wie Eltern, die in Scheidung, Trennung und zivil wiederverheiratet leben.
Oft wird gerade in diesem Zusammenhang die Frage nach der Zulassung geschiedener und wiederverheirateter Eltern zu den Sakramenten virulent, weil die Eltern es als erschwerend und frustrierend erleben, dass ihre Kinder in den Gemeindezusammenhängen mit Maßstäben konfrontiert werden, denen sie als Eltern selbst nicht entsprechen und bezüglich derer sie von ihren Kindern angefragt werden. Dabei entscheidet sich in vielen Fällen vor allem in der Erstkommunionkatechese, ob die Kirche den Zugang zu dem wiederverheirateten Paar und damit zu der Familie verliert oder ob sie mit ihnen als Väter und Mütter auch die Chance gewinnt, die Kinder mit ihrer Botschaft zu erreichen. Diese Zusammenhänge verdeutlichen den entscheidenden Stellenwert einer sensiblen und wertschätzenden Pastoral, die die Situation der Kinder und der Familien im Blick hält und wenn nötig mit besonderer Zuwendung und Hilfe darauf reagiert.
7. Zur Offenheit der Eheleute für das Leben
a) Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Gläubigen in Bezug auf die Lehre von „Humanae vitae“ über die verantwortliche Elternschaft? Welches Bewusstsein gibt es von der moralischen Bewertung der unterschiedlichen Methoden der Geburtenregelung? Welche Vorschläge zur Vertiefung dieses Themas aus pastoraler Sicht gibt es?
Die Enzyklika „Humanae vitae“ (1968) über die verantwortete Elternschaft ist nur noch in der älteren Generation bekannt. Ihre Rezeption wurde von Anfang an auf das Verbot sogenannter „künstlicher“ Methoden zur Geburtenregelung reduziert. In der jüngeren Generation ist die Enzyklika unbekannt, wie sich aus den entsprechenden Rückmeldungen einhellig ergibt.
Gleichwohl findet die Lehre, dass Eltern die Zahl ihrer Kinder gemäß der gesundheitlichen, wirtschaftlichen, seelischen und sozialen Situation abwägen sollen (vgl. „Gaudium et spes“, Nr. 51; „Humanae vitae“ Nr. 10), breite Akzeptanz innerhalb und außerhalb der Kirche. Hingegen wird die Unterscheidung zwischen „natürlichen“ und „künstlichen“ Methoden der Geburtenregelung und das Verbot der letzteren von der großen Mehrheit der Katholiken als unverständlich abgelehnt und in der Praxis nicht beachtet. Zur „verantworteten Elternschaft“ gehört für die meisten Katholiken auch die Verantwortung für die angemessene Methode, die nach den Kriterien der Sicherheit, der Praktikabilität und der gesundheitlichen Verträglichkeit gewählt wird. Höhere Akzeptanz findet die Unterscheidung zwischen empfängnisverhütenden und nidationshemmenden Methoden; Abtreibung wird von der großen Mehrheit der Katholiken abgelehnt.
b) Wird diese Morallehre akzeptiert? Welches sind die problematischsten Aspekte, die die Akzeptanz bei der großen Mehrheit der Ehepaare erschweren?
Die große Mehrheit der Katholiken wie auch der Gesamtbevölkerung in Deutschland bejaht die grundsätzliche Offenheit der Ehe für Kinder und misst einem gelingenden Familienleben mit Kindern einen hohen Stellenwert in der eigenen Lebensplanung bei. Doch die kirchliche Lehre, dass alle Sinngehalte menschlicher Sexualität in jeder sexuellen Begegnung berücksichtigt werden sollten und daher jeder „absichtlich unfruchtbar gemachter eheliche Akt“ in sich unsittlich sei (vgl. „Humanae vitae“ Nr. 14), wird von der Mehrheit der Katholiken abgelehnt. Eine Minderheit von unter drei Prozent setzt sich für Methoden der Natürlichen Familienplanung (NFP) ein und praktiziert sie aus persönlicher Überzeugung, oft auch aus medizinischen Gründen.
c) Welche natürlichen Methoden werden von Seiten der Teilkirchen gefördert, um den Ehepaaren zu helfen, die Lehre von „Humanae vitae“ umzusetzen?
Die Deutsche Bischofskonferenz unterhält eine eigene Fachstelle für die NFP-Arbeit, die bei den Malteser-Werken angesiedelt ist. Auf dieser Ebene gibt es auch eine feste Kooperation mit der Frauenklinik der Universität Heidelberg. Viele Diözesen bieten zudem Kurse zur Natürlichen Familienplanung (NFP) an. Die Nachfrage verharrt auf niedrigem Niveau. Auch seitens vieler Hauptamtlicher in Pastoral und Caritas besteht eine starke Skepsis und eine geringe Bereitschaft, sich über diese Methode zu informieren und für sie zu werben.
d) Welche Erfahrung gibt es hinsichtlich dieses Themas in Zusammenhang mit der Praxis des Bußsakraments und der Teilnahme an der Eucharistie?
Da die praktizierenden Katholiken mehrheitlich die Unterscheidung von „natürlichen“ und „künstlichen“ Methoden der Geburtenregelung nicht akzeptieren, stellen sie auch keinen Zusammenhang zwischen der Wahl der Methode zur Geburtenregelung und dem Empfang des Bußsakraments oder der Eucharistie her. Die Rückläufe aus den Diözesen stellen übereinstimmend fest, dass die Anwendung von „künstlichen“ Methoden der Geburtenregelung von den Katholiken nicht als sündhaft betrachtet wird und folgerichtig auch nicht Gegenstand des Beichtgespräches ist. Die Frage von Sünde und Schuld stellt sich für die meisten eher im Blick auf die Beziehung der beiden Partner. Als sündhaft werden z. B. Untreue, Lieblosigkeit oder mangelnder Respekt bewertet.
e) Welche Gegensätze fallen zwischen der Lehre der Kirche und der weltlichen Erziehung in diesem Bereich auf?
Die Sexualerziehung außerhalb der Kirche ermutigt Jugendliche zu einem bewussten, selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Körperlichkeit und zu einem respektvollen Umgang mit anderen Menschen. Zu einem verantworteten Umgang mit Sexualität gehört danach vor allem die Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften und der Übertragung von Krankheiten, insbesondere HIV-AIDS. Das kirchliche Verbot „künstlicher“ Verhütungsmethoden, insbesondere des Gebrauchs des Kondoms, wird gerade auch im Blick auf die HIV-Prophylaxe nicht nur als lebensfremd, sondern explizit als unmoralisch bewertet.
f) Wie kann man eine mehr für die Nachkommenschaft offene Mentalität fördern? Wie kann man einen Anstieg der Geburtenrate fördern?
Die Entscheidung zum Kind hängt von vielen Faktoren ab. Im Zentrum staatlicher Familienpolitik steht seit längerem die durchgängige Erwerbstätigkeit beider Elternteile und damit verbunden eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für die Zukunft der Familien ist jedoch darüber hinaus entscheidend, Rahmenbedingungen zu gewähren, die jungen Eltern eine freie und verantwortliche Entscheidung über die Gestaltungsformen in Ehe und Familie sichern. Kinderbetreuungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, Teilzeitlösungen und der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben sind dabei wichtige Faktoren. Einfluss auf die Familiengründung und die Kinderzahl nehmen aber ebenso Fragen nach dem richtigen Zeitpunkt der Familiengründung, nach einer stabilen Partnerschaft, nach der Sicherheit der Existenz, nach der Familienfreundlichkeit unserer Gesellschaft und der gesellschaftlichen Anerkennung von Familienarbeit.
In der Pastoral, aber auch als Anwältin der Familie in Gesellschaft und Politik, trägt die Kirche dazu bei, ein lebensdienliches, familienfreundliches und verantwortungs-ermöglichendes Klima zu fördern. Außerdem setzt sie sich für entsprechende Rahmenbedingungen ein. Denn die Offenheit für das Leben ist nicht nur eine moraltheologische, sondern auch eine sozialethische Herausforderung. Die deutschen Diözesen unterstützen die Familien, indem sie beträchtliche finanzielle Mittel in Ausbau, Unterhalt und die Qualität von Kindergärten, Kindertagesstätten sowie Schulen investieren. In zahlreichen Einrichtungen und mit umfangreichen Beratungs- und Weiterbildungsangeboten bieten sie wertvolle Hilfestellungen und Unterstützung nicht nur in schwierigen Situationen. Mit diesem Engagement findet die katholische Kirche in Deutschland breite gesellschaftliche Anerkennung.
8. Zur Beziehung zwischen Familie und Individuum
a) Jesus Christus offenbart das Geheimnis und die Berufung des Menschen: Ist die Familie ein privilegierter Ort, damit dies geschieht?
Auch in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert ist die Familie der Ort der ersten und grundlegenden Prägung der menschlichen Person. Das Urvertrauen, die personale Bindungsfähigkeit und die basale religiöse Prägung erfährt der Mensch in der Familie. Zeitlebens bleibt die Familie in aller Regel der Ort der uneingeschränkten personalen Annahme und Rückbindung. Die Hochfeste des Kirchenjahres, die ein Vertrautwerden mit der Person Jesu Christi fördern, werden als zentrale Feste in der Familie begangen. Dort wo die Familie als primäre Erziehungs- und Bindungsinstitution ausfällt, ist sie nur sehr schwer zu ersetzen. So ergibt sich, wie sehr die Familie ein privilegierter Ort der Weitergabe des Glaubens ist. Eltern haben zudem heute weithin das Bedürfnis, ihren Kindern, die in einer pluralen und komplexen Gesellschaft aufwachsen, eine grundlegende Orientierung mit auf den Lebensweg zu geben, die über die Kindheit hinaus trägt. Allerdings fühlen sie sich dabei oft überfordert. Sie sind selbst verunsichert in Fragen der religiösen Orientierung und deshalb oftmals sprachlos.
b) Welche kritischen Situationen der Familie in der heutigen Welt können zu einem Hindernis für die Begegnung des Einzelnen mit Christus werden?
Die Familien stehen heute vor der Schwierigkeit, in einer durchstrukturierten und ausgreifenden Arbeitswelt, die zunehmende Flexibilität von den Familien verlangt, ein gemeinsames Familienleben zu organisieren. Da, wo es beispielsweise kaum noch gelingt, regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten in der Familie zu etablieren, wird auch die Übung des gemeinsamen Tischgebets unmöglich. Eltern beklagen heute durchweg in allen Umfragen und Studien, dass sie zu wenig Zeit für das Familienleben mit den Kindern haben. Die Beschleunigung der Lebensvollzüge führt dazu, dass gemeinsame Ruhe- und Mußezeiten in der Familie immer seltener werden. Die zunehmende Individualisierung des Alltagslebens führt auch dazu, dass die Religion selbst im Kreis der Familie zunehmend als Privatsache der einzelnen Familienmitglieder betrachtet wird. Ein Gespräch über die Bedeutung Jesu Christi für das eigene Leben wird vor diesem Hintergrund sehr schwierig.
Andererseits ist auch die zunehmende grundlegende Verunsicherung vieler Menschen in Fragen der religiösen Orientierung und des Glaubens zu nennen. Sie merken für sich selbst, dass ihr Glaube aus Kindertagen nicht mehr trägt. Angebote für eine erwachsenengemäße Befassung mit Glaubensfragen stehen nicht in großer Zahl zur Verfügung und werden auch nicht von vielen Menschen wahrgenommen – zumal in der Familienphase auch dafür die Zeit knapp ist. In dieser Situation fällt es schwer, aktiv nach den geeigneten Formen der Glaubensweitergabe Ausschau zu halten.
c) In welchem Maß wirken sich die Glaubenskrisen, die die Einzelnen durchmachen können, auf das Familienleben aus?
Unsicherheiten und Krisen im Glauben tragen oft zur Distanzierung von der Kirche und ihren als schwer nachvollziehbar empfundenen Lehren bei. Sie führen zum Schweigen über Glaubensfragen und unterstützen die Tendenz, sich in einer an religiösen Bezügen und Symbolen armen Lebensweise und Gesellschaft einzurichten, in denen zentrale Fragen des Glaubens nicht verneint, sondern verdrängt werden. So findet Familienleben zunehmend in einem Klima des „praktischen Agnostizismus“ statt. Damit geht jedoch auch der Halt und die Letztorientierung verloren, die der Glaube Menschen schenkt. Es entsteht zugleich die von Soziologen häufig beschriebene Tendenz, vom Ehepartner und von der Familie ein letztes Glück und eine absolute Sinnerfüllung zu erwarten. Dies stellt nicht nur eine Überhöhung, sondern auch eine Überforderung von Ehe und Familie dar, die ihrerseits das Risiko des Scheiterns weiter steigert.
9. Weitere Herausforderungen und Vorschläge
Gibt es andere Herausforderungen und Vorschläge hinsichtlich der in diesem Fragebogen behandelten Themen, die nach Meinung der Befragten dringlich oder nützlich sein mögen?
Die Umfrage hat bei aller Verschiedenheit des jeweiligen Vorgehens in den deutschen Diözesen auch eine Reihe von Aspekten und Perspektiven deutlich gemacht, die für die Gesamtsituation der katholischen Kirche in Deutschland und für eine Neuorientierung der Pastoral von Bedeutung sind:
So wird darauf hingewiesen, dass eine stärkere Beachtung des einzelnen Menschen als Person und Subjekt in seiner eigenen Verantwortung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang werden auch die Grenzen jeder „Verbotsethik“ deutlich, die versucht, das ihr Wichtige in – womöglich noch sanktionsbewehrte – Anweisungen und Verbote zu kleiden. Rigorose Anforderungen, oftmals noch vorgetragen in einem juridisch eingefärbten Sprachduktus, führen zu einer ablehnenden Grundhaltung und verfangen dort nicht mehr, wo eine stärker beratende Ethik durchaus Gehör finden kann. Da, wo die Kirche deutlich machen kann, dass es ihr tatsächlich um ein gelingendes Leben in Gemeinschaft geht, wird sie auch dann wahrgenommen, wenn sie warnend oder mahnend die Stimme erhebt, um die Menschen zu überzeugen.
Die Antworten aus den Bistümern machen deutlich, wie groß die Differenz zwischen den Gläubigen und der offiziellen Lehre vor allem hinsichtlich des vorehelichen Zusammenlebens, der wiederverheirateten Geschiedenen, der Empfängnisregelung und der Homosexualität ist.
Insbesondere im Bereich der Sexual-, Ehe- und Familienethik gilt es deshalb auch, einen Duktus zu finden, der sich vom Vorurteil der Leibfeindlichkeit und einer lebensfeindlichen Gesetzesethik zu befreien vermag. Anstelle der Betonung von kasuistischen Einzelfragen kommt es darauf an, die zentrale Botschaft der Kirche von Ehe und Familie in ihrer unbedingten Bejahung des Lebens und des Leibes in einladender Weise zu vermitteln. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung des Lebens in Ehe und Familie als einer eigenen Form der Berufung zur Nachfolge Christi noch einmal verstärkt in den Blick zu nehmen sein.
Ein Neuansatz erscheint auch im Hinblick auf die Beurteilung des „Scheiterns“ menschlicher Beziehungen unabdingbar. In dieser Frage verstehen die Menschen, auch die Gläubigen, – so zeigen es die Antworten eindeutig – die Denk- und Argumentationsweise der Kirche nicht mehr. Es gilt hier, den Ort von Menschen aus gescheiterten ehelichen Beziehungen in der Kirche grundsätzlich neu zu bestimmen und die Frage nach einer Möglichkeit zur Wiederzulassung zu den Sakramenten konstruktiv und weiterführend aufzugreifen. Auch die Bedeutung von Segnungen für Menschen in schwierigen Situationen ist – in klarer Abgrenzung von sakramentalen Feiern – neu in den Blick zu nehmen.
Deutlich tritt in den Rückmeldungen der Gläubigen jedoch auch hervor, dass die Pastoral sich stärker als bisher um eine Wegbegleitung von Eheleuten in ihren oft sehr verschiedenen Lebenssituationen und Lebensphasen bemühen muss. Dort, wo die Kirche als stärkend und unterstützend erlebt wird, wird sie auch außerordentlich geschätzt – selbst nach vielen Krisen und Skandalen. Unabdingbar für diese Pastoral der Wegbegleitung wird eine noch bessere Kenntnis der Lebenssituationen und der Schwierigkeiten von Ehepaaren und Familien in der heutigen Gesellschaft sein. Die bereits bestehenden Angebote für Menschen und Paare in Krisensituationen sind immer wieder neu auf ihre Niedrigschwelligkeit hin zu befragen und noch besser miteinander zu vernetzen.
Ebenso ist die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Engagements der Kirche zugunsten von familien- und kinderfreundlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu nennen. Auch hier gilt es, die Familien selbst als Subjekte und als Experten in eigener Sache wahrzunehmen und mit den Möglichkeiten der Kirche zu
unterstützen. Eine Stärkung der katholischen Familienverbände und deren internationaler Vernetzung ist in diesem Zusammenhang ein weiterführendes Anliegen.
Zuletzt kommt es auch in der Durchführung der Außerordentlichen Bischofssynode 2014 und der Ordentlichen Bischofssynode 2015 darauf an, die Eheleute und Familien tatsächlich als Subjekte der Ehe- und Familienpastoral ernst zu nehmen, sie in die Vorbereitungen aktiv einzubeziehen und sie an den Beratungen der Synode selbst in geeigneter Weise zu beteiligen.
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