ZdK-Präsident Glück fordert von Kirche Dialog- und Überzeugungsbereitschaft in der gesellschaftlichen Debatte
"Mit dem Argument, weil etwas 'Tradition’ ist, weil etwas 'christlich’ ist, ist im Hinblick auf gesellschaftliche und politische Fragen heute kein prägender Einfluss mehr möglich"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, hat Kirche und Katholiken zu einem grundsätzlichen Perspektivwechsel im Hinblick auf ihr Wirken in der Gesellschaft und ihre Argumentationsweise aufgerufen: "Wir müssen werben und überzeugen", so Glück.
"Es geht darum, den Mitmenschen überzeugend zu vermitteln, dass die Werte und Positionen, die uns wichtig sind, sei es im Lebensschutz oder in Fragen der Gerechtigkeit, des Umweltschutzes und in allen anderen Bereichen, gut und wichtig für den einzelnen Menschen und für den Weg der Gesellschaft sind. Um der Menschen willen, nicht um der Kirche willen", unterstrich Glück in seinem Bericht zur Lage vor der ZdK-Vollversammlung am Freitag, dem 22. November 2013. "Wir vertreten unsere Positionen nicht als eine christliche Sondermoral. Wir vertreten sie als Dienst und Beitrag für ein gutes Leben der Menschen."
Angesichts stark gewandelter Meinungsbildungsprozesse und des schwindenden Einflusses von Großorganisationen habe sich die Situation der Kirche im Inneren und in Bezug auf ihre Rolle in der Gesellschaft grundlegend verändert. Die Entwicklung lasse sich vor allem als Machtverlust im Einfluss auf die Lebensgestaltung der einzelnen Menschen, auch der Gläubigen, als Machtverlust im Einfluss in der Gesellschaft beschreiben. "Mit dem Argument, weil etwas 'Tradition’ ist, weil etwas 'christlich’ ist, ist im Hinblick auf gesellschaftliche und politische Fragen heute kein prägender Einfluss mehr möglich", so der ZdK-Präsident. "Auch nicht bei der Mehrheit der Gläubigen. Wer die Entwicklungen in Gesellschaft und Politik beeinflussen will, kann nicht mehr einfach Gehorsam und Gefolgschaft verlangen. Wir müssen werben und überzeugen."
Alois Glück rief die Katholiken dazu auf, in diesem Prozess gesprächs- und dialogfähig zu sein und sachgerecht, sprachlich und menschlich überzeugend zu argumentieren. "Selbstgerechte Demonstrationen der eigenen hohen Moral mit entsprechender Anklage an alle Andersdenkenden überzeugen nicht, sie erzielen keine Wirkung. Dies verschärft sich noch, wenn die Beobachter den Eindruck gewinnen, dass auch noch menschliche Kälte gegenüber menschlichen Nöten im Spiel ist."
Das größte Problem sei nicht, dass christliche Werte keine Chancen mehr haben, betonte Glück, sondern dass zu wenig Menschen aus der Mitte der Kirche in die vielfältigen Aufgaben im öffentlichen Leben gehen. Diese Engagierten brauchten auch mehr Unterstützung und mehr Respekt aus der Kirche.
Thematische Konzentration
Ausdrücklich empfahl der Präsident des ZdK, sich im gesellschaftlichen Dialog auf Themen zu konzentrieren, bei denen in besonderer Weise der Beitrag der Christen notwendig sei. Als Beispiele nannte er die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen, den besonderen Schutz von Ehe und Familie und den Wandel zu einer zukunftsfähigen Kultur.
Die Menschenwürde sei der zentrale Maßstab für die Unterscheidung der Geister bei vielen aktuellen Entwicklungen, betonte Glück. Gerade auch gegenüber rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften, die oft Werte beschwörten und gleichzeitig Menschen anderer Prägung abwerteten, ausgrenzten und Hass säten, müssten Christen ihre Haltung am Maßstab Menschenwürde festmachen.
In der gegenwärtigen Phase wichtiger grundsätzlicher Weichenstellungen für die Familienpolitik forderte Glück dazu auf, neu zu bedenken, was die Aussage des Grundgesetzes "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" unter den heutigen Bedingungen bedeutet und was demnach die Maßstäbe der Familienpolitik sein müssen. In diesem Zusammenhang fragte Glück kritisch an, warum mit den Gutachten für die Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen seitens der Bundesregierung fast nur wirtschaftswissenschaftliche Institute beauftragt worden seien und die Leistungen der Familie für die Erziehung, für den Generationenvertrag und den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht ausreichende Würdigung erfahren hätten.
Als eine Aufgabe von historischer Dimension bezeichnete es der Präsident des ZdK, den Weg zu einer zukunftsfähigen Kultur zu entwickeln. Eine zukunftsfähige Kultur müsse eine Kultur der Nachhaltigkeit sein, forderte er. Nachhaltigkeit sei dabei eine alle Themen und Lebensbereiche umfassende grundsätzliche Orientierung. "Nachhaltigkeit ist mehr als ein technisch-ökonomisches Projekt. Nachhaltigkeit ist ohne ein festes Wertefundament nicht realisierbar", so Glück wörtlich. "In einer Gesellschaft mit dem Leitbild der Cleveren, in der als 'dumm' gilt, wer nicht überall das Maximale für sich herausgeholt hat, in der nur akzeptiert wird, was mir persönlich nützt, kann Nachhaltigkeit nicht verwirklicht werden! Der Weg der Nachhaltigkeit braucht auch ein anderes Leitbild als die Konsumgesellschaft. Dafür braucht es die Solidarität mit den Nachkommen und den Menschen in anderen Regionen dieser Welt."
Schlagworte
Haben Sie Fragen?
Telefon: +49 (0) 30 166380-630
E-Mail: presse(at)zdk.de