Bürgerbeteiligung stärkt parlamentarische Demokratie
„Demokratie in Bewegung - Neue Formen der politischen Beteiligung als Herausforderung für engagierte Christinnen und Christen“
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) setzt sich dafür ein, die aktive Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger an politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen zu fördern und mit den bewährten, effektiven Prinzipien der repräsentativen Demokratie und des Rechtsstaates in Einklang zu bringen.
Bürgerpartizipation stehe nicht im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie und der politischen Meinungsbildung in den Parteien, heißt es in der Erklärung „Demokratie in Bewegung - Neue Formen der politischen Beteiligung als Herausforderung für engagierte Christinnen und Christen“, die die ZdK-Vollversammlung am Freitag, dem 26. April in Münster verabschiedet hat. „ Sie kann vielmehr in den Prozess der demokratischen Meinungs- und Willensbildung integriert werden und die Legitimation der am Ende mit parlamentarischer Mehrheit zu fassenden Beschlüsse stärken.“
Demokratische Prozesse und Bürgerbeteiligung sollen nach Auffassung des ZdK gewährleisten, dass mit der Kompetenz und dem Engagement der Bürger bestmögliche Lösungen gefunden werden. Zugleich dienten sie immer auch dazu, Akzeptanz des Ergebnisses zu stiften. In den vergangenen Jahren sei in mehreren Fällen offenkundig geworden, dass korrekt herbeigeführte Planungsentscheidungen selbst bei vorheriger, im Planungsverfahren fest vorgesehener Bürgerbeteiligung noch keine ausreichende Legitimation stifteten. Daran sei deutlich geworden, dass Bürgerbeteiligung nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich verankert sein müsse, so das Zentralkomitee in seiner Erklärung.
Das ZdK fordert, die Weichen für eine gelingende Bürgerbeteiligung zu Beginn eines Planungs- und Entscheidungsprozesses zu stellen. Am Startpunkt der Politik und der Planung müssten für die Bürgerinnen und Bürger das Ziel der Maßnahme und Alternativen erkennbar sein. Bei ihnen müsse das Signal ankommen, dass sie sich beteiligen können und dass ihre Beteiligung erwünscht ist. Dafür seien geeignete Vermittlungs- und Beteiligungsformate sowie vor allem ausreichend Zeit einzuplanen.
Für mehr Bürgerbeteiligung bietet nach Auffassung des ZdK die Online- Kommunikation und -Mobilisierung große Potenziale – sowohl für eine konstruktive Beteiligung seitens der Politik und der Verwaltung als auch für die Herausbildung stabiler Protestformationen als Gegenöffentlichkeit. Als besonders markantes Beispiel dafür nennt die Erklärung die Bürgerproteste gegen das Infrastrukturprojekt "Stuttgart 21". In diesem Fall habe erst das Instrument der öffentlich durchgeführten Schlichtung den Druck des Netzes und der Straße auffangen, indem es den interessierten Bürgern die Komplexität der Politik übersetzte und nahebrachte. Für Infrastrukturgroßprojekte wie z. B. den bundesweiten Ausbau der regenerativen Energiegewinnung und der Leitungsnetze im Zuge der Energiewende, bei der Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager oder bei Flughafenneubauten und -erweiterungen fordert das ZdK daher künftig von vornherein einen anderen Kommunikationsmodus.
Ausdrücklich bekennt sich das ZdK dazu, dass jede Bürgerbeteiligung auf den Entscheidungsprozess in der repräsentativen-parlamentarischen Demokratie zielen muss. Zu einer einseitigen Interessenartikulation z. B. durch eine Protestbewegung müsse es ein institutionelles Gegengewicht geben. Dies ist und bleibt eine Aufgabe der parlamentarischen Arbeit, die durch Elemente der Bürgerbeteiligung sinnvoll zu ergänzen, aber keineswegs zu ersetzen ist. In den Parlamenten übernehmen Politiker stellvertretend für die gesamte Bevölkerung Verantwortung. Sie sollen vor allem dem Gemeinwohl und nicht nur einzelnen Interessen verpflichtet sein“, heißt es hierzu in der Erklärung. „Am Ende eines Meinungs- und Willensbildungsprozesses muss eine eindeutige, in ihrer Gültigkeit unangefochtene, von gewählten Mandatsträgern getroffene demokratische Entscheidung stehen, die allerdings die Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsprozesses ernst zu nehmen hat.“ Um im Anschluss an
Information und Mobilisierung auch nachhaltige politische Wirkungen entfalten zu können, bedürfe es nach wie vor auch der Organisation in Interessensgruppen oder politischen Parteien, um die Impulse und Initiativen verstetigen zu können.
Christinnen und Christen ruft das ZdK ausdrücklich auf, sich in demokratischen Parteien und Parlamenten zu engagieren und an am Gemeinwohl orientierten Bürgerinitiativen und Bündnissen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren mitzuwirken. Die Stimme der Christen und der Kirchen werde in diesem vorparlamentarischen Zusammenhang gerade dann gehört, wenn sie sich qualifiziert zu Sachfragen äußern und mit gesellschaftspolitischem Profil auftreten.
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