Handreichung für einen wertschätzenden Umgang mit Priestern, die aufgrund einer Partnerschaft aus dem Amt scheiden
Beschluss der Gemeinsamen Konferenz
1. Einleitung
Am 9. März 2023 wurde von der Synodalversammlung des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland der Handlungstext Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung1 verabschiedet. Der zweite Teil des Textes (b) befasst sich mit dem Umgang mit Priestern, die wegen einer Partnerschaft aus dem Amt geschieden sind oder scheiden. Grundlage des Beschlusses ist die Erkenntnis, dass es unterschiedliche Erfahrungen in diesem Bereich gibt und keine Standards erkennbar sind, die eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Bistümern ergeben könnten. Eine Verfahrenssicherheit im Umgang mit diesen Fragen ist bisher nicht gegeben. Nicht selten sind daraus Verletzungserfahrungen entstanden. Manches Handeln wurde als Willkür und damit als Machtmissbrauch erfahren. Gleichzeitig war und ist diese Entscheidung auch oft mit existenziellen Nöten verbunden. In der Präambel des Synodalen Weges heißt es: „Als Synodalversammlung gehen wir einen Weg der Umkehr und der Erneuerung. Wir stellen uns der Kritik und der berechtigten Anklage der Betroffenen von sexualisierter Gewalt, Machtmissbrauch und deren Vertuschung in der Kirche.“2 Darum gilt es, Willkür in allen Handlungsfeldern zu verhindern und auch systemisch umzusteuern. Bischöfe und Verantwortliche im Personaleinsatz von Priestern sind gefordert, „a) einen intensiven Austausch mit suspendierten und dispensierten Priestern zu pflegen und einer Entfremdung entgegenzuwirken. [Und] b) es zu ermöglichen, dass sich dispensierte Priester auf allen Laien offenstehende kirchliche Berufe bewerben können. Die Integration in einen pastoralen Dienst soll wie im erneuerten Dispensreskript3 möglich sein.“4 Die hier vorliegende Handreichung ist die Umsetzung des Beschlusses durch eine Arbeitsgruppe, die sich aus von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) benannten Mitgliedern zusammensetzt. Sie hatte im Votum 7 (37) des Handlungstextes „Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung“ den Auftrag:
a) „Best-Practice-Beispiele für einen menschlich überzeugenden Umgang mit suspendierten und dispensierten Priestern seitens der Diözesen (…) zu sammeln und diese zur Umsetzung an die Diözesen zu geben,
b) verbindliche und rechtssichere Regelungen – orientiert an zivilgesellschaftlichen Standards – analog zum Ausscheiden anderer pastoraler Mitarbeiter*innen für die Übernahme dispensierter Priester in den pastoralen Dienst zu erarbeiten.“5
Die Arbeitsgruppe legt mit dieser Handreichung, deren Erarbeitung die Sammlung von Best-Practice-Beispielen in den 27 Diözesen vorausging, die Erfüllung des Auftrages im Punkt a) vor. Die Handreichung enthält jedoch keine „verbindlichen und rechtssicheren Regelungen (…) für die Übernahme dispensierter Priester in den pastoralen Dienst“6. Die Erarbeitung solcher verbindlicher und rechtssicherer Regelungen hat die Möglichkeiten der AG in ihrer fachlichen Zusammensetzung und Expertise nicht abgebildet und gleichzeitig hätten diese Regelungen den Rahmen einer Handreichung überstiegen.
Die Handreichung zeigt ausgehend von den rechtlichen Grundlagen Perspektiven auf, die einen guten Umgang mit Priestern fördern, die wegen einer Partnerschaft aus dem Amt scheiden, sie listet Best-Practice-Beispiele auf und dient einer Haltung, die das gemeinsame Anliegen der Seelsorge ernst nimmt. Sie will damit Gedankenanregung und Hilfe zu einer wertschätzenden Haltung und Umgangsweise sein sowie die Entwicklung von Standards anregen.
2. Lösungsansätze
2.1. Rechtliche Grundlagen
Die Grundlage für einen menschlich überzeugenden Umgang mit Priestern, die aus dem priesterlichen Dienst ausscheiden, ist im kirchlichen Gesetzbuch (c. 290 ff.) enthalten. Dort ist die Möglichkeit der Laisierung einschließlich der Dispens von der Zölibatsverpflichtung geregelt.
Die sogenannte Laisierung von Priestern ist rechtlich betrachtet ein Verwaltungsakt („Reskript“), der von dem betreffenden Priester selbst erbeten wird/werden kann. Sie stellt - im Gegensatz zur strafweisen Entlassung aus dem Klerikerstand - keine Bestrafung des Priesters dar.
Das Verfahren zur Laisierung ist zweistufig: zunächst werden auf der Ebene der Diözese die genauen Umstände und Tatsachen ermittelt; daran schließt sich das Verfahren zur Entscheidung über die Laisierung auf der Ebene des Apostolischen Stuhls an.
Die beruflichen Möglichkeiten, die es nach dem Reskript, das auch eine Gewährung von Rechten umfasst, und dessen Erhalt gibt, sind wie folgt: eine Tätigkeit im pastoralen Dienst sowie eine Tätigkeit in Schulen, beispielsweise als Religionslehrer an kirchlichen wie nichtkirchlichen Schulen oder eine Tätigkeit als Schulleiter an kirchlichen Schulen, ist möglich. Ebenso ist eine Tätigkeit in der Verwaltung und Gerichtsbarkeit weiterhin möglich. Dabei ist zu beachten, dass Aufgaben, die Priestern vorbehalten sind, nicht übertragen werden können. Derzeitige Folgen der Entscheidung, die im jeweiligen Reskript benannt werden, sind:
• keine Ausübung des „ministerium sacrum“, also insbesondere Halten der Homilie,
• keine Übernahme eines leitenden Amts im pastoralen Bereich,
• kein Dienst in Priesterseminaren und vergleichbaren Einrichtungen,
• keine leitende oder Lehr-Tätigkeit an kirchlichen Hochschulen,
• keine Lehrtätigkeit als Theologie-Professor an nichtkirchlichen Hochschulen.
Dies bedeutet, dass eine Anstellung des Betreffenden im pastoralen Dienst durchaus möglich ist.
Zusammen mit der Laisierung kann der betreffende Priester auch eine Dispens von der Zölibatsverpflichtung erhalten. Diese wird gesondert beantragt und erteilt. Sie hat zur Konsequenz, dass dem betreffenden Priester eine kirchliche Eheschließung (unter Beachtung der kanonischen Eheschließungsform) möglich ist.
Zu beachten ist auch, dass die im November 2022 beschlossene Grundordnung des kirchlichen Dienstes keine Restriktionen mehr bzgl. der Lebensgestaltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt. Dies bedeutet, dass laisierte Priester, auch wenn sie nicht kirchlich gültig verheiratet sind, und unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung im kirchlichen Dienst eingestellt werden können.
2.2. Haltungen
Der vorherige Abschnitt macht deutlich, dass der Umgang mit laisierten Priestern in weiten Teilen kirchenrechtlich geregelt ist. Der Bezug auf das Kirchenrecht und die Weiterentwicklung des Kirchenrechtes sollte in allen Diözesen daher handlungsleitend sein.
Es wird jedoch deutlich, dass das Kirchenrecht nur den rechtlichen Rahmen ausfüllen kann, nicht jedoch die „Gefühlslage“ der betroffenen Beteiligten. Hier entsteht eine Psychodynamik, welche man mit dem Kirchenrecht weder regeln noch einfangen kann, die aber oftmals nicht bewusst eine größere Wirkkraft hat und entfaltet. Der Umgang auf dem Weg zu einem Laisierungsverfahren eines Priesters erfordert im gesamten Prozess Professionalität mit der Kenntnis, solche existentiellen Lebenssituationen konstruktiv zu gestalten und zu begleiten.
Daher braucht es in erster Hinsicht eine Kompetenz der Selbstreflexion und eine Empathie der Beteiligten. Kleriker und Mitarbeitende der bischöflichen Verwaltungen müssen sich die Frage stellen, was ein Dispensierungsverfahren und der Umgang mit der betroffenen Person bei ihnen selbst auslöst. Die Dynamik, die in der Konfrontation mit solchen Lebenssituationen und -entscheidungen steckt, berührt nicht nur Kleriker, sondern alle Beteiligten (im System).
Aber auch der Kleriker im Dispensierungsverfahren ist gefordert, diesen Prozess selbstreflexiv und angemessen zu gehen und zu gestalten.
Eine mögliche Differenz der gegenseitigen Erwartungshaltungen kann in diesem Prozess aufkommen und ist von den Beteiligten reflektiert aufzugreifen.
Gleichzeitig ist dies ein Prozess, der nicht ausschließlich zwei Parteien – die Ebene der bischöflichen Verwaltung und den Kleriker im Dispensierungsverfahren – betrifft. So kann in manchen Fällen beispielsweise auch die Gemeinde eine beteiligte Partei bzw. Ebene sein. Damit ist es wichtig zu bedenken, dass auch Gemeinden in diesem Prozess unter Umständen eine Begleitung benötigen.
Die oberen Ausführungen machen deutlich, wie wichtig es ist, dass alle handelnden Personen gereift, angemessen und professionell – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme externer Begleitung/Beratungssysteme - mit der Situation umgehen. Da Dispensierungsverfahren nicht zum Alltagsgeschäft von Bischöfen und Personalverantwortlichen gehören und die Situation bei dem betreffenden, zur Laisierung anstehenden Priester nur einmalig ansteht, sollte man vielleicht schon proaktiv auf entsprechende Beratungsstellen zugehen.
2.3. Perspektiven aufzeigen
Wenn es den Beteiligten gelingt, die eigenen Dynamiken und Anteile zu sehen und einzuschätzen und dadurch Übertragungen zu vermeiden, kann der Prozess kirchenrechtlich, fachlich und menschlich konstruktiv aufgesetzt werden.
Dieser Prozess beinhaltet auch die Klärung finanzieller und rententechnischer Aspekte sowie insbesondere die Klärung, inwiefern die Kompetenzen und Gaben des laisierten Klerikers auch zukünftig in den Bezügen der verfassten Kirche und der verbandlichen Caritas zielführend und lebensbejahend genutzt und eingesetzt werden können.
Wenn die Laisierung von den Beteiligten nicht als Angriff auf die Institution Kirche bewertet wird und der laisierte Priester die Kirche in dem Prozess nicht als verletzend erlebt hat, haben alle Beteiligten die Chance, daraus gemeinsam etwas konstruktiv Neues zu schaffen, wovon alle profitieren und was den Menschen und der Kirche gerecht wird. Daher braucht man laisierte Priester auch nicht institutionell zu verstecken, sondern kann und sollte offen mit ihnen und ihren Lebensentscheidungen umgehen. Hier wäre beispielsweise durch die Diözesen zu prüfen, ob die früher vorgenommene Streichung aus der Übersicht der Weihejahrgänge nicht rückgängig gemacht werden kann.
Die Laisierung eines Priesters kann und darf auch mit Enttäuschungen einhergehen. Daran zeigt sich ja gerade, dass alle Beteiligten wechselseitig hohe Erwartungen aneinander hatten. Enttäuschung bedeutet aber auch, dass eine neue Perspektive Einzug genommen hat, auch wenn sie und dieser Prozess schmerzlich sind.
Der Bischof trägt die Verantwortung, einen angstfreien Raum für den konstruktiven Umgang mit der Laisierung in der bischöflichen Verwaltung zu garantieren und in den gemeindlichen Kontexten zu ermöglichen. Er ist gerufen, die oben beschriebenen Kompetenzen der Selbstreflexion und des angemessenen Handelns als Leiter des Bistums kongruent vorzuleben.
2.4. Chancen
Eine Möglichkeit, aus dem Dienst ausgeschiedene Priester im kirchlichen Bereich weiter zu beschäftigen, bietet zahlreiche Chancen und enthält Potenziale, die für die Seelsorge oder kirchliche Aktivitäten genutzt werden sollten. Dies ist gerade angesichts der veränderten Wirklichkeit und zunehmenden Personalnot anzustreben.
Bestehende Ängste können dadurch überwunden werden, dass der Einsatz laisierter Priester in einem deutlich abgesprochenen Bereich stattfindet und transparent dargestellt wird. In Absprache mit den Betroffenen und eventuellen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist es hilfreich, diesen Prozess zumindest anfänglich zu begleiten.
Ein solcher Umgang mit den Betroffenen hätte auch eine nicht zu unterschätzende Außenwirkung für den kirchlichen Arbeitgeber. Denn er zeigt modellhaft, dass Mitarbeiter, die sich aus persönlichen Gründen umorientieren, in Absprache mit den Vorgesetzten und auf eigenen Wunsch eine neue Möglichkeit für ihren Dienst angeboten bekommen und nicht einfach entlassen werden. Eventuelle emotionale Probleme sollten beachtet und bei einer Begleitung in der Phase der Neuorientierung bearbeitet werden. Damit wird ein menschlicher Umgang mit dem Scheitern einer Person und mit Konflikten gepflegt, was zudem für einen kirchlichen Arbeitgeber eine Selbstverständlichkeit sein soll.
Insbesondere ist ein Wandel im Umgang mit laisierten Priestern auch im Rahmen des Synodalen Weges notwendig, der sich deutlich für einen synodalen Stil auf allen Ebenen ausgesprochen und ein Zeichen gegen Machtmissbrauch und Willkür gesetzt hat. Diese Neuausrichtung der Kirche wird dadurch auch im Umgang mit Priestern, die einen neuen Weg einschlagen wollen, sichtbar und umgesetzt.
3. Best-Practice-Beispiele: von guten Beispielen lernen, miteinander auf dem Weg zu sein
Zur Vorbereitung dieser Handreichung erfolgte eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen in den 27 deutschen Diözesen. In den Rückmeldungen wurde ersichtlich, dass für eine gute Form der Kontaktpflege das Interesse von beiden Seiten relevant ist.
Eine, wenn nicht die wichtige Grundlage ist dabei vonseiten der Diözese die Haltung, als Seelsorgende miteinander im Gespräch bleiben zu wollen.
3.1. Einzelkontakte, sofern gewünscht
Aus den Diözesen, die planmäßig mit Priestern, die aufgrund einer Partnerschaft aus dem Amt geschieden sind, Kontakt halten, wurden mehrere Beispiele für eine gute Form der Kontaktpflege benannt. Darunter fielen regelmäßige Treffen sowie auch ein jährliches Treffen auf Einladung. Die Kontaktpflege durch das Team der Priesterseelsorge wurde ebenso genannt wie ein Treffen auf Einladung des Ortsbischofs.
In einigen Diözesen sind diese Formen der Kontaktpflege bereits länger etabliert, weitere Diözesen haben – ausgelöst durch den Synodalen Weg und damit verbundene Gespräche – damit begonnen, Formen der Kontaktpflege zu etablieren.
Daneben gibt es Diözesen, die den Kontakt zu Priestern, die aufgrund einer Partnerschaft aus dem Amt geschieden sind, in Einzelfällen pflegen. Diese benennen dabei als Möglichkeiten, mit denen sie bisher gute Erfahrungen gemacht haben, die persönlichen Gespräche und Begegnungen, die sich vor Ort ergeben – beispielsweise bei Visitationen – sowie einen einmaligen Brief des Bischofs an alle ausgeschiedenen Priester des Bistums.
3.2. Ansatz der Initiative „Priester im Dialog“
Als ein gelungenes Beispiel sei hier die 2007 entstandene Initiative „Priester im Dialog“ benannt. In den Gesprächen zwischen Vertretern der Diözesanleitung und Priestern, die aufgrund einer Partnerschaft aus dem Amt geschieden sind, ging und geht es den Organisatoren darum, einen Prozess der Wiederannäherung in Gang zu setzen und gemeinsam die oft mit der Situation verbundene Sprachlosigkeit zu überwinden. Ebenso soll durch die jährlich zweimal stattfindenden Begegnungen Entfremdung verhindert und eine mögliche Integration in die Pastoral angestrebt werden.
In der Erzdiözese München und Freising hat sich die Initiative mittlerweile etabliert.
4. Ausblick
Das Anliegen dieser Handreichung ist es, die Thematik und notwendige Abläufe der Begleitung von Priestern, die aus dem Amt geschieden sind, von möglicherweise damit verbundenen Befürchtungen zu lösen. Dabei will die Handreichung ein gemeinsames Bewusstsein dafür schaffen, dass es weiterhin möglich sein sollte – sofern dies von allen Beteiligten gewünscht und mitgetragen wird – gemeinsam als Akteure in und für diese, unsere Kirche tätig und gemeinsam auf dem Weg zu sein.
1 Handlungstext Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung: Der Synodale Weg, 11, hg. vom Sekretariat des Synodalen Weges (Bonn 2023).
2 Präambeltext Hören, lernen, neue Wege gehen. Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland: Der Synodale Weg, 1, hg. vom Sekretariat des Synodalen Weges (Bonn 2023), S. 3.
3 Unter einem Dispensreskript versteht man den in schriftlicher Form erlassenen Verwaltungsakt, der die erbetene Dispens gewährt. Dabei werden in diesem auch die gewährten Rechte formuliert.
4 Handlungstext Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung, S. 15 f.
5 Handlungstext Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung, S. 16.
6 Ebd.