Europa unter Druck: Eintreten für die Wahrheit in Zeiten hybrider Kriege

Erklärung der Initiative Christen für Europa

Als christliche Initiative für Europa unterstützen wir europäische Lösungen, wenn europäische Werte auf dem Spiel stehen. Die gemeinsame Suche nach der Wahrheit ist eine Grundlage des Glaubens und auch für die Demokratie unerlässlich. Als Gläubige stehen wir auf, wenn die Wahrheit verschwiegen wird und die Unwahrheit an ihre Stelle tritt. Massive Desinformation ist eine Bedrohung und Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf. Russland führt einen barbarischen, unprovozierten Angriffskrieg, der gegen das Völkerrecht verstößt und darauf abzielt, die Ukraine als Nation zu zerstören. Viele Menschen haben nicht verstanden, dass es Europa im Kontext dieser Aggression mit einem hybriden Krieg zu tun hat. Desinformation zielt darauf ab, die öffentliche Meinung zu verändern und Angst zu schüren. Davon profitieren diejenigen, die die Demokratie abschaffen und unsere Unterstützung für die Ukraine, die demokratische Werte hochhält, schwächen wollen.

Als Raum der Information und des Diskurses sind pluralistische, faktenbasierte und freie Medien in der heutigen Demokratie unverzichtbar. Digitale Medien ermöglichen einen Informationsfluss, in dem  Perspektiven in den Diskurs eingebracht werden können Zugleich sind sie besonders anfällig für Manipulationen: Wahlkampf und politische Prozesse können sabotiert werden. Radikale Kräfte nutzen das Internet, um Propaganda, Fehlinformationen, Deepfakes und gewaltverherrlichende Inhalte zu verbreiten. Wir stellen fest, dass die digitale Öffentlichkeit von wenigen Oligopolisten und Monopolisten kontrolliert wird. Um die Aufmerksamkeit zu maximieren, nutzen sie Algorithmen, die Hassrede oft mit größerer Sichtbarkeit belohnen. Einige nutzen auch ihre eigenen Plattformen, um radikale Kräfte zu fördern und demokratische Parteien zu diffamieren. Diese Fülle an Macht ist eine Bedrohung für unsere Demokratie und beeinträchtigt das Vertrauen in Institutionen, Politiker, politische Parteien und Religionsgemeinschaften.

Wir erklären und fordern:

  1. Europa muss standhaft bleiben und wirksame Maßnahmen gegen Desinformation ergreifen. Wir setzen uns für eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Texte und Bilder ein, wie sie in der EU-Verordnung über künstliche Intelligenz verankert ist. Die Verordnung ist ein wichtiger und beispielloser Rechtsrahmen, der mehr Transparenz und Schutz vor Manipulation verspricht. Der Digital Services Act (Gesetz über digitale Dienste) muss zügig umgesetzt und in allen Mitgliedsstaaten wirksam angewendet werden. 
  2. Es bedarf wirksamer gesetzlicher Regelungen, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie älteren Menschen im Internet durchzusetzen
  3. Mehr denn je müssen Lehrpläne für Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation für alle Lebensabschnitte entwickelt werden, insbesondere für Kinder und Jugendliche in den Mitgliedsstaaten. Wir brauchen umfassende Unterstützung für die formelle und informelle Bildung, z. B. in der Jugendarbeit. Wir müssen in Resilienz investieren, die dazu beiträgt, gegen Desinformation zu „immunisieren“.
  4. Die jüngste Deregulierung und Rücknahme der Faktenüberprüfung in sozialen Medien in den Vereinigten Staaten ist ein besorgniserregender Trend. Die Betreiber von Social-Media-Plattformen müssen Hassrede und Fälschungen wirksam verhindern und gleichzeitig die freie Meinungsäußerung ermöglichen.
  5. Appelle an die Plattformbetreiber werden nicht ausreichen. Es geht darum, Marktanteile zu begrenzen, Monopole und Oligopole abzuschaffen und Wettbewerb zu schaffen.
  6. Die Plattformen sind von der Verbreiterhaftung befreit. Strafrechtlich relevante Inhalte werden dem Betreiber gemeldet, der sie dann prüft und im Falle eines Verstoßes sperrt. Das dauert oft zu lange, sodass ein diskursiver Schaden entsteht, bevor der Inhalt entfernt wird. Diese Lücke wird durch den Digital Services Act nicht geschlossen. Wir sind überzeugt: Wer von einem bestimmten Inhalt wirtschaftlich profitiert, muss die volle Verantwortung übernehmen. Dementsprechend müssen wir Plattformen verbieten, kriminelle, auch gewaltverherrlichende Inhalte zu monetarisieren, ohne dafür die volle Haftung zu übernehmen. Diese Maßnahmen würden die Übernahme von Verantwortung sicherstellen. 
  7. Die Europawahlen sowie die nationalen Wahlen in Serbien, Moldawien, Rumänien, Frankreich und Deutschland sind beunruhigende Beispiele für Desinformationskampagnen, Aktivitäten unter falscher Flagge und weitere Eingriffe in die Meinungsbildung. Die Wahlen in Serbien standen unter Manipulationsverdacht, in Rumänien wurden die Wahlergebnisse aufgrund von Manipulationen von außen annulliert. Auch der Wahlkampf in Deutschland ist massiv von Eingriffen betroffen. Gerade vor Wahlen sind Wachsamkeit, wirksame politische Maßnahmen und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit notwendig, um den demokratischen Wettbewerb nicht zu gefährden. Die EU-Verordnung über die Transparenz politischer Werbung, die 2024 verabschiedet wurde und in Zukunft angewendet werden wird, ist ein wichtiges Instrument, das darauf abzielt, mehr Transparenz zu schaffen, die Online-Werbung zu regulieren und ausländische Einmischung drei Monate vor einer Wahl zu verhindern.

Wir müssen für die Wahrheit und einen respektvollen Dialog eintreten. Der Missbrauch digitaler Medien und die Verbreitung von Desinformationen zielen darauf ab, die Polarisierung unserer Demokratien zu verschärfen. Dabei besteht sogar das Risiko, uns Christinnen und Christen zu spalten. Als Gläubige sollten wir einander stets respektieren, tolerant sein und nach der Wahrheit suchen.

Matteo Bracciali, ITALY, Associazioni Cristiane Lavoratori Italiani (ACLI)
Josian Caproens, BELGIUM, Interdiocesan Pastoral Council (IPB) / European Forum of National Laity Committees (ELF)
Raphael de Araújo Bittner, GERMANY, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Isabelle de Gaulmyn, FRANCE, Semaines Sociales de France 
Stefan Eschbach, GERMANY, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Fr Roman Fihas, UKRAINE, Institute of Ecumenical Studies, Lviv
Janko Korošec, SLOVENIA, Socialna akademija
Norbert Kreuzkamp, GERMANY, Acli Deutschland
Mary McHugh, UNITED KINGDOM, National Board of Catholic Women of England and Wales
Petr Mucha, CZECH REPUBLIC, Czech Christian Academy 
Adela Muchova, CZECH REPUBLIC, Czech Christian Academy 
Luís Miguel Roquete, PORTUGAL, Conferência Nacional de Associações de Apostolado dos Leigos 
Sabine Slawik, GERMANY, ANDANTE. European Alliance of Catholic Women Associations
Marie-Louise van Wijk-van de Ven, NETHERLANDS, Network of Catholic Women in the Netherlands
Benoit Willemaers, BELGIUM, Jesuit European Social Centre (JESC)
Henryk Woźniakowski, POLAND, Znak Christian Culture Foundation

 

Die Initiative Christen für Europa (IXE) ist ein Zusammenschluss von Laienorganisationen und engagierten Christen aus verschiedenen europäischen Ländern. Allgemeines Anliegen von IXE ist es, ein lebendigeres Bewusstsein für ein vereintes Europa in die nationalen Debatten einzubringen. Ziel der Initiative ist es, die Begegnung von Christen in Europa zu fördern und die Soziallehre der Kirche voranzubringen, um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und Verständnis der historischen und kulturellen Unterschiede zu erreichen. Mehr Informationen finden Sie unter https://christiansforeurope.com/.

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