Zukunft hat die Welt des Friedens

Erklärung der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

(1)     Einleitung

In der Positionierung „Friedensethik in Kriegszeiten“ hat das ZdK im September 2022 verteidigungspolitische Leitlinien veröffentlicht. Im Februar 2024 legte die DBK ihr aktualisiertes friedensethisches Grundlagenwerk „Friede diesem Haus“ vor. Der vorliegende Text nimmt Impulse des Friedenswortes auf, schreibt die ZdK-Erklärung fort und formuliert im Zuge einer Selbstvergewisserung erneut Standpunkte im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Verteidigung und dem Gebot der Gewaltlosigkeit.

(2)     Selbstverteidigung im völkerrechtlichen Rahmen

Angesichts der aktuellen Krisen stehen wir weiterhin zum Recht auf Selbstverteidigung. Friedensethisch folgen wir der Argumentation, dass Gewaltanwendung gerechtfertigt ist, wenn sie dem Zweck der Selbstverteidigung dient. Zugleich sehen wir es auch als christliche Überzeugung und Pflicht, Unterstützung zu leisten, wenn Menschen Leid erfahren.

Das Recht auf Verteidigung gilt keineswegs uneingeschränkt. Es darf und muss diskutiert werden, wie weit dieses Recht geht und welche Maßnahmen dafür gerechtfertigt sind. Für uns ist es unverzichtbar, dass Gewaltmittel nur legitim sein können, wenn sie durch das Völkerrecht legitimiert sind und sich auf dem Boden internationaler Vereinbarungen bewegen. Das Recht auf Selbstverteidigung rechtfertigt keine Kriegsverbrechen.

(3)     Waffengewalt als ultima ratio

Grundsätzlich ist es legitim, sich auf den Schutz des eigenen Landes und von Verbündeten auch militärisch vorzubereiten. Die militärische Verteidigung muss um resiliente gesellschaftliche Strukturen ergänzt werden, in denen gewaltfreie Verteidigung eingeübt werden kann. Als ZdK wollen wir weiterhin am Gebot der Gewaltlosigkeit und der Gewaltüberwindung festhalten: Krieg ist kein legitimes politisches Instrument. Daher können wir nicht allein und keineswegs dauerhaft auf Waffengewalt setzen. Vielmehr müssen wir auch auf andere Mittel wie die Diplomatie und zivile Konfliktbearbeitung zur Verhinderung, Eindämmung und schnellen Beendigung von kriegerischen Konflikten abzielen. Dies beinhaltet die Pflicht, immer wieder Gewaltanwendungen zu hinterfragen und die Verhältnismäßigkeit von Gewaltmitteln zu prüfen.

(4)     Kein Frieden ohne globale Gerechtigkeit

Ein umfassender Frieden im Sinne eines positiven und gerechten Friedens ist nicht nur militärisch, sondern in erster Linie politisch, sozial und ökologisch. Die Klimakrise ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko; sie bedroht den Fortbestand des Menschen und vielfältiger Tierarten. Folglich gibt es im 21. Jahrhundert ohne Klimagerechtigkeit keinen Frieden. Deshalb ist das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens auch sicherheitspolitisch von sehr hoher Bedeutung und muss weiter konsequent verfolgt werden. Angesichts der rasanten klimatischen Veränderungen müssen wir uns mit dem Überschreiten des 1,5 Grad-Ziels jedoch realistisch auseinandersetzen. Es gilt, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Zielmarke nur so geringfügig und so kurzzeitig wie möglich zu überschreiten. Die christliche Perspektive nimmt jene Regionen und Staaten in den Blick, welche in besonders drastischer Weise die Leidtragenden der infolge der Industrialisierung erzeugten Klimakrise sind. Finanzielle Zuwendungen für Schäden und Verluste sowie für die dringend benötigte Anpassung an die klimatischen Veränderungen ist das Mindeste, was die Vulnerablen verdienen. Die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle hat die Klimakrise verursacht. Als fossile, global ungleich verteilte Rohstoffe verursachen und befördern sie Kriege, in welchen nicht nur unzählige Menschenleben vernichtet, sondern auch massiv Treibhausgase emittiert werden. Eine weitgehend autarke Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen verhindert Konflikte, schützt Menschenleben und befähigt Nationalstaaten, anstelle von Aufrüstung in Klimaschutz und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu investieren. Wir setzen uns darüber hinaus für einen gerechten Ressourcenverbrauch und faire Lieferketten ein, auch und gerade dort, wo Lithium, Cobalt und weitere Schlüsselrohstoffe für die Energiewende abgebaut werden. An diesen Orten entscheidet sich, ob die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation auch notwendend sein wird.

(5)     Kein Frieden ohne Freiheit

Menschen brauchen mehr denn je einen Lebensraum, den sie in Frieden und Freiheit gestalten können. Entwicklungspolitische Programme können für vulnerable Gruppen Unterstützung bieten. Sind ein Leben in Frieden und Freiheit durch Kriege, Vertreibung und terroristische Übergriffe nicht mehr im angestammten Land möglich, haben diese Menschen das Recht, zu fliehen und in geregelten Verfahren ihren Anspruch auf Asyl geltend zu machen. Dieses Recht ist ein Menschenrecht und darf nicht durch Aufnahmekontingente oder Abschottungspolitik eingeschränkt werden. Immer mehr Menschen verlieren klimakrisenbedingt ihren Lebensraum - sei es durch extreme Dürre, die Ausbreitung von Wüsten, Fluten oder das Versalzen von Böden durch den steigenden Meeresspiegel. Besonders betroffen sind Frauen und Kinder. Es gilt, diesen drohenden massiven Heimatverlust durch eine entschlossene Bekämpfung der Klimakrise und eine wirksam finanzierte Anpassung zu verhindern bzw. einzudämmen. Für jene Menschen, die im Kontext von Naturkatastrophen und Klimawandel vertrieben werden, braucht es rechtssichere Schutz- und Aufnahmemechanismen.

(6)     Multilaterale Friedensordnung

Die veränderte, multipolare Welt braucht einen neuen Multilateralismus. Nur ein reformiertes Institutionengefüge kann Schieflagen wirksam bearbeiten. Wir begrüßen die fortgesetzten Bemühungen der G4 (Japan, Indien, Brasilien, Deutschland), der Afrikanischen Gruppe so-wie der L.69-Gruppe für eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrates und sehen damit verbunden die Chance, den Autoritätsverlust der Vereinten Nationen aufzuhalten und zukunftsfähige, global gerechte Strukturen aufzubauen. Es gilt immer wieder auszuloten, wie eine verlässliche Verteidigungsfähigkeit im transatlantischen Bündnis sicher-gestellt werden kann. Die Europäische Union muss in dieser fluiden Welt künftig mehr denn je Friedensstifterin sein und ist deshalb gefordert, geschlossen einen Reformprozess zu durchlaufen, welcher in der Außen- und Sicherheitspolitik Handlungsfähigkeit durch mehr qualifizierte Mehrheitsentscheidungen ermöglicht. Langfristig braucht es eine neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur, in welcher Abschreckung, Rüstungskontrolle, Koexistenz und Kooperation neu austariert werden.

(7)     Interreligiöser Dialog als Hebel

Nicht nur supranationale und staatliche Akteure, sondern auch Religionsgemeinschaften stehen in der Verantwortung, Frieden zu stiften. Religionen dürfen nicht als Legitimation für Gewalt missbraucht werden, sondern müssen sich als Brücken in eine Welt mit immer weniger Gewalt bewähren. Interreligiöser Dialog und Versöhnungsarbeit unterstützen Prozesse, in denen Narben heilen können, welche durch aktuelle Konflikte und Kriege verursacht werden und über das eigentliche Kriegsgeschehen hinaus spürbar bleiben. Dafür ist eine Dialogbereitschaft notwendig, die von Respekt, Vertrauen und Toleranz geprägt ist. Als Teil der Katholischen Kirche verpflichten wir uns selbst und appellieren an alle Religionsgemeinschaften, an ziviler Konfliktprävention mitzuwirken und die Pflicht zur Friedensarbeit und Versöhnung ernst- und wahrzunehmen.

(8)     Fazit

Eine Welt des Friedens beginnt beim Individuum, beim Menschen des Friedens. Als Gläubige bringen wir uns alltäglich, gesellschaftlich und politisch ein, begegnen der Fragilität dieser Welt mit unserer Hoffnung und mit konkreten friedenspolitischen Positionen. Wir werben dafür, zur Achtung der Menschenwürde für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzustehen und jegliche Form der Gewalt zu überwinden.

 

Erklärung “Zukunft hat die Welt des Friedens” als Pdf

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