Verfassungsauftrag erfüllen: Subsidiär Schutzberechtigte gleichstellen, Geschwisternachzug ermöglichen
Beschluss des Hauptausschusses des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken betrachtet mit Sorge die Hemmnisse, welche in Deutschland bei der Herstellung der familiären Einheit von Geflüchteten bestehen:
- Aufgrund des Familiennachzugsneuregelungsgesetzes von 2018 dürfen monatlich nicht mehr als 1.000 Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten ein Visum erhalten. Dies sorgt nach der Antragstellung oftmals für sehr lange Wartezeiten.
- Die Definition der Kernfamilie ist zu enggefasst und zwingt betroffene Familien in vielen Fällen zu inakzeptablen Aufspaltungen zwischen den Geschwisterkindern. Verfahren auf berechtigten Familiennachzug dauern in der Regel mehrere Jahre. Wenn aber nur die Eltern und nicht die minderjährigen Geschwister von minderjährigen Schutzberechtigten nach Deutschland nachziehen dürfen, führt dies in vielen Fällen zu jahrelangen Trennungen und unermesslichem Leid. Außerdem hemmt dies über Jahre massiv die Integration der in Deutschland lebenden minderjährigen Kinder bzw. Elternteile sowie der im Ausland wartenden Angehörigen.
- Bei der Beantragung der Familienzusammenführung zu Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus gelten das Wohnraumerfordernis und die Lebensunterhaltssicherung als Voraussetzungen. Insbesondere minderjährigen Schutzberechtigten ist es in der Regel nicht möglich, diese Erfordernisse zu erfüllen.
- Bislang ist der Anspruch auf Familienzusammenführung bei subsidiär Schutzberechtigten an die Verfahrensdauer gekoppelt, da er beim Erreichen der Volljährigkeit erlischt. Dies sorgt für Ungleichbehandlungen und Rechtsunsicherheit.
Die dauerhafte familiäre Trennung von Ehepaaren, Eltern und Kindern sowie von minderjährigen Geschwistern ist menschenrechtswidrig und verletzt den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie. Deshalb fordern wir:
- die beliebige Obergrenze für den Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten abzuschaffen. Auch Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus soll eine Familienzusammenführung ohne numerische Deckelung gewährt werden.
- nicht nur minderjährigen Kindern, sondern auch deren Geschwistern einen Nachzug zu ermöglichen. Wir setzen uns dafür ein, im Aufenthaltsgesetz einen Rechtsanspruch auf Geschwisternachzug zu verankern.
- die minderjährigen Geschwister der als Flüchtling anerkannten minderjährigen Person oder subsidiär Schutzberechtigten als privilegiert nachzugsberechtigte Personen einzustufen, um die Hürden für den Geschwisternachzug und somit die gemeinsame legale Einreise von Eltern und Geschwistern zu senken. Die verfassungsgemäß zu schützende Einheit der Familie ist stärker zu gewichten als das Wohnraumerfordernis und die Lebensunterhaltssicherung.
- eine einheitliche Regelung zur Bestimmung der Minderjährigkeit festzusetzen. Wir schlagen vor, die Feststellung des Alters grundsätzlich an den Zeitpunkt der Antragstellung zu knüpfen. Damit werden subsidiär Schutzberechtigte hinsichtlich der familiären Einheit mit jenen Geflüchteten gleichstellt, die als Flüchtlinge anerkannt sind. Die Feststellung der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung entspricht der Richtlinie 2003/86/EG, FamZ-RL1, der EU-Grundrechtecharta sowie dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 01.08.20222.
Es gilt, die seit 2016 (Geschwisternachzug) respektive 2018 (Kontingentregelung für Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten) geltenden restriktiven Rechtslagen im Sinne der Betroffenen und ihrer gesellschaftlichen Teilhabe zu verbessern und die Bundesländer angesichts der Wohnungskrise massiv bei der Schaffung von Unterkünften zu unterstützen, um eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten zu können.
2 Vgl. PRESSEMITTEILUNG Nr. 136/22 „Familienzusammenführung: Die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings verstößt gegen das Unionsrecht“