Begrüßung der Jury-Vorsitzenden, Dr. Irme Stetter-Karp und Erzbischof Dr. Stefan Heße
anlässlich der Verleihung des Katholischen Preises gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus am 14. Juni 2023 in Dresden - es gilt das gesprochene Wort
Es gilt das gesprochene Wort!
Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK):
Sehr geehrter Herr Erzbischof Dr. Heße,
sehr geehrter Herr Bischof Timmerevers,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Meier,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Vogel,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
liebe Jurymitglieder, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu dieser Preisverleihung.
Vor zweieinhalb Wochen verbrachte ich das Pfingstfest in Auschwitz. Wir waren dort als ZdKPräsidium gemeinsam mit dem Maximilian-Kolbe-Werk. Es ist ein Ort menschlichen Versagens, ausgehend von Deutschland. Ein Ort organisierter Massenvernichtung. Ein Ort der Unmenschlichkeit, an dem die Spuren des Rassismus in seiner extremsten Form bis heute sichtbar sind. Heute vor 83 Jahren, am 14. Juni 1940, brachten die Nationalsozialisten die ersten 728 Menschen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.
Es gab Rassismus vor der Shoa, dafür stehen die grausamen Verbrechen des Kolonialismus, für die es in Deutschland und auch in der Kirche ein viel zu kleines Bewusstsein gibt. Es gab Rassismus danach. Beispielhaft denke ich dabei an die schrecklichen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda. Am heutigen Nachmittag haben Erzbischof Dr. Heße und ich in Zwickau der Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds gedacht. Dieser Terrorkomplex wuchs in einem Umfeld aus institutioneller Blindheit und mangelnder gesellschaftlicher Wehrhaftigkeit gegen rassistischen Hass heran. Es gibt Rassismus heute. Die Attentate von Halle und Hanau haben uns vor Augen geführt, dass Rassismus weiterhin als Tatmotiv dient und Menschenleben fordert. Bis heute werden Unterkünfte von Geflüchteten angegriffen, erleben Menschen Alltagsrassismus in Gesprächen, bei der Wohnungssuche und auf dem Arbeitsmarkt. Gerade in diesen Wochen merken wir, wie das Asylrecht infrage gestellt wird, wie auch die Rhetorik der AfD immer wieder aufs Neue bei vielen Menschen verfängt, wie wir Wehrhaftigkeit in unserer Demokratie neu lernen und unter Beweis stellen müssen.
Die Menschen und Projekte, die wir heute mit dem Katholischen Preis gegen Rassismus ehren, sind Vorreiter einer Gesellschaft, die sich vom Rassismus befreit. Ich hoffe, dass ihre Vision Wirklichkeit wird. Und ich freue mich, dass Laienkatholizismus und Bischofskonferenz dieses herausragende Engagement gemeinsam würdigen. Lassen wir uns von Ihrem Einsatz inspirieren und tatkräftig an einer Gesellschaft arbeiten, die sich Rassismus entschlossen entgegenstellt und die Würde aller Menschen hochhält.“
Erzbischof Dr. Stefan Heße, Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz:
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Meier,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Vogel,
sehr geehrte Frau Stetter-Karp,
lieber Bischof Heinrich Timmerevers,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
liebe Jurymitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
Vor dreißig Jahren erschütterten uns die Bilder von brennenden Asylbewerber-Unterkünften und anderen fremdenfeindlichen Taten in Solingen, Mölln oder Rostock-Lichtenhagen. Das waren nicht die ersten fremdenfeindlichen Taten nach dem Nationalsozialismus, und es waren nicht die letzten. Denken wir nur an die Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes – NSU – und die Morde von Halle und Hanau in den zurückliegenden Jahren. Jede Tat ist eine zu viel und muss uns Mahnung sein, gegen jede Form des Rassismus aufzustehen!
Die Präsidentin des ZdK, Dr. Irme Stetter-Karp, und ich haben heute in Zwickau – gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des katholischen Peter-Breuer-Gymnasiums – der Opfer der rassistischen Gewalt des NSU gedacht und damit auch an die Anfänge des Katholischen Preises gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus erinnert: Die Morde des NSU gaben vor zehn Jahren einen wichtigen Anstoß, diesen Preis ins Leben zu rufen.
Mit diesem Preis zeichnen wir Menschen aus, die sich aus der mahnenden Erinnerung und christlichem Selbstverständnis heraus den Menschen zuwenden, die von Rassismus und fremdenfeindlicher Ausgrenzung betroffen sind. In vielen der eingereichten Vorschläge geht es nicht nur um das „Dagegen“, sondern es werden viele Projekte empfohlen, die Integration erleichtern und Vorurteile durch Begegnung abbauen.
Rassismus widerspricht dem Geist Jesu, der Botschaft des Evangeliums. Dennoch gibt es auch in unserer Kirche rassistische und fremdenfeindliche Stimmen. Auch denen treten wir mit diesem Preis entgegen. Es ist wichtig, dass wir bei uns, im eigenen Umfeld beginnen, dem Ungeist der Xenophobie zu widersprechen – und nach unseren Möglichkeit dazu beitragen, dass diese Haltung der Humanität Kreise zieht. Dieser Geist bestimmt auch die Preisträgerinnen und Preisträger, die wir heute ehren. Sie zeigen beispielhaft, dass es möglich ist, sich dem Rassismus mit klarer Stimme entgegenzustellen und viele zu begeistern. Sie wenden sich den Menschen zu, bieten Raum für Neues und bauen Brücken.
Die deutschen Bischöfe verleihen den Preis am heutigen Abend erstmals gemeinsam mit dem ZdK. Das macht deutlich: Es ist ein Preis aller katholischen Christen, weil das Engagement gegen Rassismus und Unmenschlichkeit von der ganzen katholischen Kirche getragen wird und getragen werden muss. Wir brauchen breite Bündnisse, innerkirchlich, ökumenisch und in der Breite der gesamten Gesellschaft, um die demokratischen Institutionen zu stärken und gegen Hass und Neid gleiche Rechte aller Menschen, die in Deutschland und Europa leben, einzuklagen.
2021 konnten wir den Preis nur online verleihen. Der erste Preis ging damals an das Friedensfest Ostritz: Dort an der Neiße, im äußersten Osten des Bistums Dresden-Meißen und des Freistaats, hat sich eine solche breite gesellschaftliche Initiative gebildet, um einem rechtsextremen Musikfestival ein friedliches Zeichen gegenüberzustellen. Das ist mit großem Erfolg gelungen. Es wurde deutlich, was auch 2018 bei den Demonstrationen gegen Rechtextremismus in Chemnitz zum Motto wurde: „Wir sind mehr“! Die Bilder aus Ostritz von einem bunten und friedlichen Fest, mit Gebeten und Musik, Lichterketten und Hüpfburgen, gingen durch Deutschland und zeigten, wie bunt und fröhlich es wird, wenn viele Bürgerinnen und Bürger sich für ein offenes Miteinander einsetzen. Diesen Einsatz gegen Rassismus, für ein demokratisches, offenes Deutschland, leben uns alle Preisträger vor, und dafür danke ich Ihnen.