Vertreibung stoppen – Menschliches Elend lindern – Kulturelles Erbe bewahren! Katholiken rufen zur Unterstützung der Bergkarabach-Armenier auf
Gemeinsame Erklärung von Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Solidaritätsaktion Renovabis
Mit großer Sorge sehen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die Solidaritätsaktion Renovabis die bedrohte Lage der Menschen in der umkämpften Region Bergkarabach.
Die dort nachweislich seit Jahrhunderten lebenden christlichen Armenierinnen und Armenier sind existentiell bedroht. Heute beziffert sich ihre Zahl auf 150.000. Unsere Geschwister im Glauben fürchten um ihr Leben.
In Folge des jüngsten Krieges zwischen Aserbaidschan und Armenien hat sich ihre unsichere Situation weiter verschärft. Der Konflikt hat bereits Tausende Menschenleben gekostet. Das reiche armenische Kulturgut sowie Kirchen und Klöster wurden gezielt zerstört und sind weiterhin bedroht.
Durch Vermittlung von Russland ist nunmehr ein Waffenstillstand ausgehandelt worden, der für viele Armenier den Verlust ihrer Heimat bedeutet. Aus den Gebieten, die an Aserbaidschan übergeben werden sollen, fliehen die Menschen zu Zehntausenden in die Republik Armenien.
Die Auseinandersetzungen um Bergkarabach gehen auch auf weit über hundert Jahre währende ethnische und religiöse Spannungen zurück. Viele der heutigen Bewohner sind Nachkommen von Überlebenden des Völkermords an den Armeniern des Osmanischen Reichs 1915/16. Auf dem Hintergrund ihrer traumatischen kollektiven Erinnerung, angesichts der massiven Beteiligung der Türkei am Konflikt und aserbaidschanischer Kriegspropaganda löste der Angriff auf ihre Region bei den Armeniern tiefe Existenzangst aus. Auch die aktive Teilnahme der vom Nachbarland Türkei in die Region geschleusten islamistischen Söldner an den Kriegshandlungen verursachte Entsetzen und Panik und vertiefte den Eindruck eines auch religiös motivierten Krieges.
Das armenische Volk und seine Kultur in der Kaukasusregion sind massiv gefährdet. Darauf weist auch der Ökumenische Rat der Kirchen in seiner Verlautbarung von Mitte November hin.
Angesichts dieser Situation und der existentiellen Bedrohung unserer christlichen Geschwister rufen wir die Kirchen, die Bundesregierung und die Europäische Union auf:
- Wir fordern eine breite humanitäre Unterstützung der nach Armenien geflüchteten Menschen, die jetzt zu Winterbeginn im Kaukasus ihre Häuser und Wohnungen verloren haben.
- Bergkarabach (ohne die bis zum jetzigen Waffenstillstand von Armenien besetzten Regionen) mit seiner armenischen Bevölkerung muss unter den Schutz eines UN-Mandats gestellt werden. Nur so können neue Kriegshandlungen in der Region auf Dauer verhindert und ein künftiges friedliches Miteinander gestärkt werden.
- Wir fordern die Bundesregierung auf, Waffenlieferungen an potentielle Akteure weiterer Auseinandersetzungen in Bergkarabach zu verbieten und als Mittel politischer Einflussnahme auch Wirtschaftssanktionen (gegen Aggressoren) nicht auszuschließen.
- Wir erwarten von der Bundesregierung, die in den kriegerischen Auseinandersetzungen um Bergkarabach begangenen Verbrechen explizit zu verurteilen. Der Beschuss von Kirchen und der Einsatz von Streubomben sind eine Verletzung des Völkerrechts und Kriegsverbrechen, die eindeutig benannt und geahndet werden müssen.
- Wir widersprechen der Instrumentalisierung von Religion für politische und kriegerische Zwecke, wie sie auch in diesem Konflikt deutlich wird. Wenn Religion politisch missbraucht wird, widerspricht das zutiefst ihrem Wesen.
- Wir erwarten den Einsatz der Bundesregierung sowie aller gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere der Kirchen, zum Schutz der religiösen Minderheit der Armenier und ihres Kulturguts in den von Aserbaidschan eroberten Gebieten. Die Vertreibung der armenischen Bevölkerung und die Zerstörung von armenischem Kulturgut in der aserbaidschanischen Autonomen Republik Nachitschewan dürfen sich in Bergkarabach nicht wiederholen. Die Auslöschung des armenischen kulturellen Erbes in der Region ist mit allen Mitteln zu verhindern!
- Wir rufen Christinnen und Christen aller Konfessionen auf, Kontakte mit muttersprachlichen armenischen Gemeinden in Deutschland zu suchen und den Glaubensgeschwistern in ihrer Furcht und Bedrängnis solidarisch zur Seite zu stehen.