Rede zur Begründung des Antrags „Europa wählen. Demokratie stärken.“
von Dr. Karlies Abmeier im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort
Politiker stilisieren gern jede bevorstehende Wahl als eine Schicksalswahl und verweisen darauf, dass ausgerechnet die nächste Wahl eine ganz besondere sei. Durch den häufigen Gebrauch nutzt sich diese Charakterisierung allerdings ab. Dennoch: In der gegenwärtigen Situation ist es von hoher Bedeutung, das künftige europäische Parlament mit einem starken und breiten Votum zu stärken.
Verglichen mit früheren Jahrzehnten ist Europa –auf den ersten Blick – in einer guten Verfassung: es gibt keine Kriege mehr in dem Europa, das wir gemeinsam aufgebaut haben. Die friedensstiftende Kraft der Europäischen Union wirkt und sie ist attraktiv für weitere Anwärter. Die Demokratie hat sich in Europa bewährt. Überall bestehen Regierungen, die aus demokratischen freien Wahlen hervorgegangen sind.
Aber das ist – auf den zweiten Blick – gegenwärtig in einzelnen Ländern nicht mehr so selbstverständlich. Rechtstaatlichkeit und Medienfreiheit erscheinen gefährdet. Das Aufkommen populistischer Kräfte, die nur die Interessen des eigenen Landes in den Mittelpunkt stellen, beunruhigt. Da heißt es nur noch: „My country - ‘first‘“. Das Gemeinsame, das alle Europäer Verbindende, wird von diesen Kräften nicht mehr gesehen.
Auf diese Entwicklungen angesprochen hat Bundespräsident Steinmeier kürzlich in einem Interview für eine hohe Wahlbeteiligung geworben. Er sprach von einer „Mobilisierung der Freunde Europas“.
Diesen Ansporn wollen wir mit unserem Aufruf, der Ihnen zur Beratung vorliegt, beherzigen.
Die Bedingungen für eine solche Mobilisierung haben sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Ein Beispiel sind Demonstrationen des Pulse of Europe, wo sich Menschen zusammenschließen und für die Errungenschaften Europa demonstrieren.
Ein weiteres Beispiel war die lebendige europapolitische Debatte, die die beiden Spitzenkandidaten Frans Timmermans und Manfred Weber mit europäischen Themen im deutschen Fernsehen ausgetragen haben.
Ein starkes Zeichen ist der gemeinsame Wahlaufruf aller gewählten Staatsoberhäupter in der Europäischen Union. Dieses Dokument, das gestern in verschiedenen europäischen Tageszeitungen veröffentlicht wurde, ist erstmalig und betont „Europa ist die glücklichste Idee, die wir je hatten“.
Fortschritte zu einem europäischen Bewustsein zeigen sich auch in den Wahlaufrufen, die katholische Verbände und Diözesanräte erstellt und verbreitet haben. Sie können sie unter dem Label „Europa stimmt“ auf der gleichnamigen Seite des ZdK nachlesen. Hier zeigt sich eine breite Argumentation für Europa. Die Statements beleuchten aus verschiedenen Perspektiven die Vorzüge Europas und seine Werte. Sie nennen Gründe, warum es wichtig ist, für eine gemeinsames demokratisches Europa zum Wohlergehen aller zu streiten.
Im Sinne einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit möchte ich besonders den Wahlaufruf von IXE hervorheben, der Initiative von Christen für Europa. IXE wird auch vom ZdK mitgetragen und umfasst nationale katholische Laienorganisationen und europäische katholische Verbände. Zwar hat es schon bei früheren Europawahlen einen solchen Aufruf gegeben, aber in diesem Jahr hat er viel mehr Menschen in allen Mitgliedsstaaten erreicht. Der Kreis derer, die unterschrieben haben, reicht von Polen bis Frankreich, von Lettland bis Spanien. Der Aufruf zeigt, dass es zu unserm christlichen Selbstverständnis gehört, uns für Europa einzusetzen. Er zeigt, Christen ziehen an einem Strang. Und sie tun das auch in Ländern und Debatten, in denen die gemeinsame europäische Identität in Frage gestellt oder instrumentalisiert wird.
Nur gemeinsam werden wir Europäer die großen Themen in Zeiten der Globalisierung lösen können, Bewahrung der Schöpfung, Digitalisierung, Friedenssicherung weltweit und Migration. Selbst Deutschland oder Frankreich allein ist zu klein. Wir sind auf einem gemeinsamen Weg. Ihn gilt es mit einem starken Votum zu stützen.
Deswegen bitte ich Sie dem Aufruf zuzustimmen und später zu verbreiten, damit unser christliches Engagement für Europa in der Gesellschaft deutlich wird.
Dr. Karlies Abmeier, Diözesanrat Berlin