Eltern werden. Kein Kinderspiel. Ethische und rechtliche Herausforderungen bei einer Reform des Abstammungsrechts.
Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eröffnet kirchlichen Dialog über den Reformbedarf im Abstammungsrecht
Begrüßung
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Birgit Mock
familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
Ich heiße Sie im Namen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sehr herzlich willkommen zu unserer Fachtagung!
Eltern werden – das ist kein Kinderspiel. Das wissen alle, die Eltern sind und die dabei sind es zu werden.
Das Verständnis von Elternschaft auf den Prüfstand zu stellen und ggf. zu aktualisieren – das ist auch kein Kinderspiel und kein politischer oder juristischer Spaziergang. Dafür braucht es schon gute Gründe.
Der beste Grund ist, dass ausnahmslos jedes Kind Eltern braucht, die es lieben und beheimaten, die sich kümmern und es schützen, die es erziehen, betreuen und begleiten und ihm einen guten Lebensweg ermöglichen.
Emotionale Bindungen lassen sich staatlich nicht verordnen. Staatliche Reglungen sind aber dann gefragt, wenn es um rechtliche Bezüge, Pflichten, Ansprüche und Schutzkonzepte geht. Viele derzeitige Regelungen des Abstammungsrechts sind dabei an herkömmlichen Familienverhältnissen orientiert. Darunter verstehe ich hier – vielleicht etwas holzschnittartig vereinfacht – die Verhältnisse, wo biologische, rechtliche und soziale Elternschaft deckungsgleich sind, wo also eine Frau und ein Mann, die miteinander verheiratet sind, ein Kind zeugen, seine genetischen, biologischen und rechtlichen Eltern sind und während des Heranwachsens seine sozialen Eltern bleiben.
Zu diesem herkömmlichen Modell gibt es nicht erst heute zahlreiche Varianten, und für einige dieser Varianten liegen bereits klare rechtliche Regelungen vor. Aber nicht für alle - und neuere reproduktionsmedizinische Möglichkeiten und Realitäten erfordern, dass wir die rechtliche Elternschaft auch in diesen Fällen klären.
Die Rechtsgrundlagen sollen hier der Leitlinie der Rechtsklarheit folgen, nicht diskriminieren, das Kindeswohl und sein Recht auf Kenntnis der Abstammung berücksichtigen und neben der genetischen und biologischen Abstammung auch den Willen zur rechtlichen Elternschaft einbeziehen.
Das sind nur einige der Leitlinien, die sich die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzte 11-köpfige Arbeitsgruppe unter Leitung von Frau Dr. Meo-Micaela Hahne als Leitplanken gesetzt hat, als sie in einem zweijährigen Prozess alle Varianten für eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung neu beschrieben und bewertet hat. Entstanden ist ein 134-seitiger Abschlussbericht, der seit Sommer 2017 vorliegt und der eine wichtige Grundlage und Pflichtlektüre für die kommende Bundesregierung sein wird. Aber auch wir als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche sollten uns zumuten, uns dieses komplexe Thema anzueignen, Position zu beziehen und unsere Haltungen und Zielmarken in die politische Entscheidungsfindung einzubringen.
Heute soll Gelegenheit zu so einer Positionsklärung sein und mit einigen kurzen Gedanken und Fragen will ich diese Debatte eröffnen:
- "Mater semper certa est." "Die Mutter ist immer sicher" – das ist eine Gewissheit, auf die das Familienrecht lange bauen konnte. Beim Vater war es schon immer weniger eindeutig. Mit der heterologen Samenspende als zulässiger Methode der Fortpflanzungsmedizin gibt es inzwischen regelmäßig den Fall, dass der biologische Vater nicht der soziale (und erst recht nicht der rechtliche) Vater sein will und – umgekehrt, der intendierte soziale Vater nicht der biologische ist. Was heißt das aus der Sicht des Kindes und angesichts seines umfassenden Anspruchs auf Kenntnis der Abstammung für die rechtliche Vaterschaft? Was bedeutet das für die Information der Kinder, wann und wie sollten sie über ihre Abstammung erfahren? Und welche Frage stellt sich mit einer zunehmenden Zahlen von möglichen, unbekannten Halbgeschwistern?
- "Die Mutter ist immer sicher" – Was heißt das, wenn es zwei Mütter gibt, wenn ein Kind in eine Partnerschaft oder neuerdings auch Ehe von zwei Frauen geboren wird? Kann es rechtlich eine zweite Mutter geben? Und was bedeutet das für den biologischen Vater, der vielleicht mehr als das sein will?
- "Die Mutter ist immer sicher" – medizinisch gilt das nicht mehr durchgehend. So gibt es die nicht nur theoretische Möglichkeit der Embryoadoption, die in Deutschland nicht verboten, aber auch nicht hinreichend geregelt ist. Was muss gegeben sein, damit ein Paar mit Kinderwunsch einen so genannten überzähligen Embryo, der der genetischen Mutter nicht implantiert wurde, adoptieren und mit ihm schwanger werden kann? Und wollen wir das überhaupt? Wo sollte hier die gesellschaftspolitische Debatte ansetzen und welche Rollen können die Kirchen spielen?
- In Deutschland nicht zulässig, aber in vielen Ländern in der europäischen Nachbarschaft praktiziert wird die Eizellspende, bei der die biologische Mutter, die das Kind austrägt und zur Welt bringt, nicht die genetische Mutter ist. Und bei der in Deutschland ebenfalls verbotenen Leihmutterschaft entfällt diese leibliche Verbindung der Schwangerschaft und des Gebärens zwischen der Wunschmutter und dem Kind ganz. Bei unserer Tagung geht es nicht um die Frage der Legalisierung solcher Praktiken in Deutschland, sondern um die Kinder, die auf diese Weise im Ausland, im Einklang mit den dortigen Gesetzen, auf die Welt gekommen sind und jetzt in Deutschland leben. Wer sind die rechtlichen Eltern eines in der Ukraine, in Indien oder in Kalifornien im Auftrag eines deutschen Paares durch eine Leihmutter geborenen Kindes?
All dies sind erstmal nur Beschreibungen und keine Bewertungen. Zu den Bewertungen will ich im Verlauf unserer Tagung einladen. Auch wenn der Begriff gerade nicht die beste Presse hat: Wir wollen heute sondieren, was sich gesellschaftlich tut, inwiefern rechtliche Anpassungen erforderlich sind und zu welcher Bewertung wir als kirchliche Akteure, in katholischen Verbänden und Organisationen, in den Diözesen und im ZdK, ausgehend vom christlichen Menschenbild und als Anwälte der Menschenwürde, kommen.
In dem Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD, dessen Schicksal noch ungewiss ist, fällt der Begriff Abstammungsrecht bereits und Reformbedarf wurde angemeldet. (In den Jamaika-Papieren gab es hierzu bereits konkretere Ideen in eckigen Klammern.) Wir können mutmaßlich davon ausgehen, dass das heutige Thema also eine wichtige politische Frage der nächsten Wahlperiode wird, auf die wir uns sondierend vorbereiten wollen.
Dabei helfen uns heute Anja Timmermann als Familienrechtlerin und Andreas Lob-Hüdepohl als theologischer Ethiker. Ganz herzlichen Dank, dass Sie uns gleich in das komplexe Thema mitnehmen und bis heute Abend als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Und mein Dank gilt auch schon jetzt dem KSI (Herrn Professor Bergold und Herrn Schröder), mit dem wir in einem Joint Venture, in diesem neuen Format, sehr gerne bei dieser Fachtagung kooperieren.
Ich freue mich ganz außerordentlich, dass unsere Einladung auf so gute Resonanz gestoßen ist und dass Sie alle mit Ihrer Expertise das Thema heute mit uns gemeinsam vertiefen. Ein herzliches Willkommen also und uns allen zielführende Beratungen!
Birgit Mock | Familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken