„Prägnant und uneitel, beharrlich und ungeduldig“
Laudatio von Pater Dr. Hans Langendörfer SJ, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
anlässlich der Verleihung des Gregoriusordens an Staatsminister a.D. Prof. Dr. Hans Joachim Meyer - es gilt das gesprochene Wort
Ist es der mit AI oder der mit EY? Also: Maier oder Meyer? Die Frage stellt sich in Kirchenkreisen bis heute, wenn der Name fällt. Aber, sie klingt spätestens seit 1997 sehr viel anders. Damals wurde Hans Joachim Meyer (also der mit ey) zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt. Hatte man zunächst noch sofort an Professor Maier aus München gedacht, so gewann rasch jener Berliner Professor Meyer an Bekanntheit, der in bewegten Zeiten den deutschen Laienkatholizismus mitgeprägt hat. Verehrte Anwesende, lieber Herr Professor Meyer, es ist mir eine Ehre, heute Abend sprechen zu dürfen, nach vielen Jahren der Bekanntschaft. Kennengelernt hatten wir beide uns ja schon während der Wende, als Sie im Foyer der Jesuiten als Gesprächspartner zur Verfügung standen.
I. Bekanntermaßen ziehen sich Gegensätze an. Damit meine ich jetzt nicht uns beide, sondern zwei Wesenseigenschaften Ihrer Person, die ich nennen möchte: Prägnant und uneitel. Prägnant in Sprache und Ausdruck haben Sie Debatten in Kirche und Gesellschaft mitgeprägt. Ihr Beitrag war stets deutlich vernehmbar – schnörkellos und unmissverständlich – bisweilen ungeduldig und dann bisweilen auch eine Herausforderung für die Geduld der Adressaten. Sie reden so, dass es nicht Polemik wird, sondern eine Suche nach Lösungen bleibt. Uneitel haben Sie sich auf den großen Bühnen der Kirche und des öffentlichen Lebens bewegt. Ohne große Gesten, mit nüchterner Rhetorik machten Sie nie Aufhebens um Ihre Person. Uneitel gingen Sie durch die Besuchermassen von Katholikentagen als deren Präsident. Und noch zwei Eigenschaften, die sich ergänzen, mache ich an Ihnen aus: Bedächtig, leicht nach vorne gebeugt, gehen Sie zu Rednerpulten und treten Sie vor Mikrophone. Nicht ängstlich, sondern nachdenklich und ernst. Und auf der anderen Seite ist Ihnen ein feiner, hintersinniger Humor geschenkt, der Vieles löst und erleichtert. Wenn man Bilder von Ihnen anschaut, so sieht man nicht nur den nachdenklich-bedächtigen, vielleicht auch strengen, sondern ganz deutlich auch den fröhlichen und heiteren Menschen. Und ich erinnere mich gut, dass wir in den vielen Sitzungen der Gemeinsamen Konferenz von ZdK und Bischofskonferenz oft wegen Ihres geistvollen Humors herzlich geschmunzelt oder gelacht haben.
Wer Sie – ob im politischen, gesellschaftlichen oder kirchlichen Kontext – erlebt, kennt Ihre analytische Kraft und visionäre Fähigkeit. In ungezählten Reden und gerade in Ihrer kirchlichen Arbeit haben Sie dabei stets mit klarer Zielrichtung den Menschen in den Mittelpunkt gestellt.
Ihr Amt des ZdK-Präsidenten haben Sie unmittelbar vor dem Jahr übernommen, als die Deutsche Bischofskonferenz ihre Konsequenzen aus den römischen Entscheidungen zur Schwangerenkonfliktberatung zog. Sie haben damals versucht, konstruktiv zu handeln, nie oberflächlich polemisiert. Die Wege, die Sie gingen, mögen für Streit gesorgt haben. Aber: der Sorge um den Menschen und um die Kirche sind Sie bis heute treu geblieben. Dafür danken wir Ihnen. Auch an diesem Abend.
II. Dieses Ziel, die Sorge um den Menschen, haben Sie auch in Ihrem politischen Arbeiten verfolgt. Dessen Stationen in Berlin und Dresden sind ja uns allen gut bekannt. Die Zeit als Wissenschaftsminister in Sachsen rufe ich als Beispiel in Erinnerung. Dass Ihnen vom Machtapparat eines zynischen DDR-Systems Vieles verwehrt wurde und dass daraus manche Entbehrung erwuchs, hat Sie nicht gebrochen; im Gegenteil: Je mehr Sie empörende Erfahrungen der Ungerechtigkeit machten, desto klarer haben Sie sich, glaube ich, für die Förderung des Menschlichen entschieden, in der beruflichen Arbeit und dann sehr deutlich zum Ende der DDR und in der Wendezeit sowie in der jungen zusammenwachsenden Bundesrepublik Deutschland im politischen Bereich. Es ging und geht Ihnen um eine freiheitliche, demokratische Politik, die der Würde von Menschen Rechnung trägt und sie ernst nimmt. Dafür haben Sie gestritten und darum haben Sie gerungen.
Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang auch an Ihr Engagement erstens in der Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke der katholischen Kirche in der DDR (1973-1975) und zweitens als Vorsitzender des Gemeinsamen Aktionsausschusses katholischer Christen (ab 1990). Auch hier ging es Ihnen um ein klares Ziel: Kirche, Glauben und menschliche Entfaltung, in der DDR bzw. deren Nachgeschichte leichter lebbar zu machen. Wie wir heute wissen, ist Ihnen dazu ein guter Beitrag gelungen.
Und es ist Ihnen gelungen, den deutschen Laienkatholizismus durch nicht nur einfache Zeiten zu führen. Gewiss gab es da Höhen und Tiefen. Das ZdK und die Bischofskonferenz haben sich auch manches Mal aneinander gerieben. Aber immer stellten Sie die Sache in den Mittelpunkt, nicht das persönliche Einzelinteresse. Das verlangt Demut. Und es verlangt Ausdauer und Beharrlichkeit, die Ihnen, lieber Herr Meyer gegeben sind – letztere, möchte ich sagen, in besonders reichem Maß.
Mit dieser Beharrlichkeit, einer manchmal auch brennenden Ungeduld haben Sie sich, lieber Professor Meyer, für die Realisierung des ersten Ökumenischen Kirchentags hier in Berlin eingesetzt. Als dieser 2003 stattfand, waren Sie es, der mit Kardinal Karl Lehmann für eine Ökumene wechselseitigen Respekts und Entgegenkommens warb. Sie setzten nicht vorschnell Ziele, die nicht zu realisieren waren. Sie fragten nach den realistischen Chancen und Möglichkeiten, aber auch den Grenzen ökumenischer Bemühungen. So war es nur allzu verständlich, dass Sie sich für einen zweiten Ökumenischen Kirchentag einsetzten, der 2010 in München stattfand. Da waren Sie zwar nicht mehr Präsident des ZdK, aber Sie konnten die Früchte Ihres unermüdlichen Werbens ernten.
III. Lieber Herr Professor Meyer, wir danken Ihnen heute Abend für Ihr Lebenswerk – als Politiker, als engagierter Katholik, als Mensch. Wir danken Ihnen für Ihre fruchtbare, im besten Sinn des Wortes engagierte und kritische Wegbegleitung der Deutschen Bischofskonferenz. Ich sage dies auch namens unseres Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx. Wir danken Ihnen für jene Einfühlsamkeit, mit der Sie beispielsweise – und auch dieses Beispiel möchte ich nennen – das öffentliche Sterben Papst Johannes Paul II. begleitet haben. Ihre Präsenz damals 2005 in den Medien war bemerkenswert. Ihre „romanità“, also jene spürbare Nähe zum Römischen, die manche nicht erwartet hätten, hat viele beeindruckt. Auch im folgenden Pontifikat haben Sie immer den Kontakt mit Rom gesucht. Sie sind mehrfach nach Rom gereist, um Papst und Kurie zu verstehen. Man kann heute, glaube ich, sagen, dass Sie auch durch Ihr Wirken in und Richtung Rom viel Gutes getan und erreicht haben. Sie haben in Rom für eine Kirche geworben, die das Konzil nicht vergisst, Sie haben vor allem das in Rom mit Argusaugen und bisweilen überbordender Skepsis beobachtete ZdK so vertreten, dass Dikasterien und Kuriale vielleicht nicht Freundschaften entwickelt, aber doch Vertrauen in Sie, Ihre Mitstreiter und das an Ihrer Seite stets hochmotivierte Generalsekretariat gefasst haben.
Einen letzten Aspekt möchte ich aus Ihrer bewegten und bewegenden Biographie nennen: Sie, lieber Herr Professor Meyer, sind zugleich ein überzeugter Europäer. Zahlreiche Ihrer Reden sind vom europäischen Gedanken und dem europäischen Einigungswerk geprägt. Mit den „Semaines Sociales“ in Frankreich hatten Sie engste Verbündete, um den europäischen Gedanken auch im Laienkatholizismus zu forcieren. Die Kirche ehrt heute Abend auch einen Europäer mit Weitblick, der durch die Teilung Deutschlands und des Kontinents selbst leidvoll erfahren hat, was Mauern an den Grenzen und Mauern in den Köpfen der Menschen bedeuten. Danke, lieber Herr Professor Meyer, dass Sie dazu beigetragen haben, solche Mauern einzureißen.
Meine Damen und Herren: vor uns steht der Meyer mit EY. Wir sagen Ihnen danke und freuen uns mit Ihnen, dass der Heilige Vater Sie mit dem Gregoriusorden ehrt. Diese Ehre würdigt Ihr Lebenswerk. Aber sie zeichnet auch Ihre Familie aus, besonders Ihre geschätzte und verehrte Ehefrau. Denn Sie sind nicht alleine und es bedarf derer, die einen stützen und manches Mal auch schützen. Deshalb gilt mein letztes Wort Ihnen, sehr geehrte Frau Meyer: Danke, dass Sie – mit den Kindern – am Leben und Wirken Ihres Ehemannes entschieden und oft unter persönlichen Opfern mitgebaut und mitgewirkt haben. Und wie wir alle Papst Franziskus kennen: Er blinzelt auch Ihnen zu und sagt: Der Orden gilt auch Ihnen. Herzlichen Dank.
Stefan Förner
Pressesprecher