Gerechte Pflege in einer sorgenden Gesellschaft

Ein Diskussionsimpuls des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Wir leben in einer Gesellschaft, in der autonome Lebensführung, Übernahme von Eigenverantwortung und individuelle Leistungsfähigkeit einen hohen Stellenwert haben. Entsprechend fällt es vielen Menschen schwer, Hilfe anzunehmen, wenn sie hilfebedürftig werden, oder sich vorzustellen, einmal über lange Zeit gebrechlich und pflegebedürftig zu werden. Die Erfahrung, den Alltag nicht mehr alleine bewältigen zu können und bei einfachen körperlichen Aktivitäten auf Hilfe angewiesen zu sein, erfüllt viele mit Scham. Zugleich fällt es nicht leicht einzugestehen, dass man von einer Aufgabe überfordert ist. Das gilt auch für Pflegende, die an der Aufgabe, einen stark hilfebedürftigen Angehörigen dauerhaft zu pflegen, zu zerbrechen drohen.

In der Christlichen Sozialethik werden heute die Möglichkeiten und Chancen der Einzelnen, sich in einem selbstbestimmten Leben persönlich zu entfalten, positiv bewertet und nicht (mehr) klein geredet. Zugleich aber betont die Christliche Sozialethik, dass alle Frauen und Männer – Starke und Schwache, Alte und Junge, neu hinzukommende Migranten und lange hier Lebende – auf wechselseitige Unterstützung und auf ein lebenswertes demokratisches Gemeinwesen mit einer leistungsfähigen Infrastruktur angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund sollen wir uns als Bürgerinnen und Bürger zu solidarischem Handeln entscheiden und wechselseitig füreinander und für das Gemeinwesen Verantwortung übernehmen. Dazu gehört auch die verlässliche, institutionelle und professionelle Unterstützung derjenigen, die Hilfe benötigen. Gleichzeitig entspricht es dem christlichen Menschenbild, die eigene Verletzlichkeit anzuerkennen und benötigte Hilfe auch in Anspruch zu nehmen. Es widerspricht hingegen diesem Menschenbild, wenn Menschen, die Hilfe annehmen, nur als gesellschaftliche Belastung und gesamtwirtschaftlicher Kostenfaktor wahrgenommen werden. Diese sozialethischen Leitlinien hat das ZdK bereits in der Vergangenheit mit Blick auf notwendige Reformen im Pflegebereich in seinen Stellungnahmen formuliert.[1]

Aus dieser christlich-sozialethischen Sicht war die Einführung der Pflegeversicherung vor gut zwanzig Jahren die richtige – auch von katholischen Verbänden vorbereitete – Antwort auf den starken Anstieg von Pflegebedürftigkeit in der Gesellschaft. Zur Begründung hieß es in dem damals verabschiedeten Pflegegesetz: "Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." (heute: SGB XI, § 8.1). Mit dieser Aussage verzichtet der Staat darauf, weiterhin auf die für ihn scheinbar einfache Lösung zu setzen, dass die Aufgabe der Pflege vollständig von den Familien der Pflegebedürftigen – in der Praxis vor allem von ihren Töchtern und Schwiegertöchtern – übernommen wird. Zugleich verpflichtet er die Gesellschaft und sich selbst darauf, gute Alternativen zur familiären Pflege zu entwickeln und pflegende Angehörige vor Armut und Überforderung zu schützen, sie in ihren Aufgaben zu unterstützen und ihnen entlastende Dienstleistungen zugänglich zu machen. Die Pflege ist – vergleichbar mit der Kindererziehung – nicht nur eine Aufgabe der Familie, sondern der Gesellschaft insgesamt!

Die 1995 beschlossenen Grundstrukturen der Pflegeversicherung blieben trotz einiger Reformen in den vergangenen Jahren bis heute weithin intakt. Dies betrifft u.a. den Grundsatz "häusliche vor stationärer Versorgung" sowie die häufig als Teilkasko-Prinzip bezeichnete Begrenzung der Leistungen aus der Pflegeversicherung auf ein Niveau, mit dem nur ein Teil der anfallenden Kosten für einen Pflegebedürftigen gedeckt sind. Angesichts der demografisch bedingten Zunahme der Pflegebedürftigen, der bereits heute offensichtlichen Probleme, dem steigenden Pflegebedarf zu entsprechen und der aktuell schon sehr hohen Belastungen der Pflegenden stellt sich die Frage, ob die Grundstrukturen des deutschen Pflegesystems auch in Zukunft noch tragfähig sein werden, um das Pflegerisiko dauerhaft verlässlich abzusichern und die Lasten generationengerecht zu verteilen. Diese Frage ist eng mit der umfassenderen Frage verbunden, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen und welchen Stellenwert die Sorgearbeit haben soll. So lädt das ZdK Gruppen und Organisationen in der katholischen Kirche und in der Zivilgesellschaft ein, in einen Dialog über die zukunftsfähige Weiterentwicklung der Pflege und über das Ziel einer gesellschaftlichen Sorgekultur einzutreten.

Angehörigenpflege

Mit dem Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege setzt die deutsche Pflegepolitik auf die Pflegefähigkeit und -bereitschaft der Familien, bei der Pflege der Elterngeneration vor allem auf den hohen Einsatz der Töchter und Schwiegertöchter. Tatsächlich wurden fast drei Viertel der 2,9 Mio. Pflegebedürftigen, die Ende 2015 Leistungen der Pflegeversicherung erhielten, zuhause gepflegt. Bei fast der Hälfte aller Leistungsempfänger war überhaupt keine professionelle Pflegekraft, also auch kein ambulanter Pflegedienst involviert.[2]

Die verbreitete Angehörigenpflege ist ein eindrückliches Zeichen dafür, wie lebendig die Sorgebereitschaft und die familiäre Solidarität in unserer Gesellschaft sind. Unzählige Familienmitglieder schränken sich in ihrem Alltag ein und übernehmen Pflegearbeit, um dem Wunsch des nahestehenden Pflegebedürftigen, in seiner vertrauten Umgebung zu verbleiben, entsprechen zu können. Viele Erwachsene wissen sich ihren Eltern sehr verpflichtet. Sie wollen ihren Müttern und Vätern etwas von dem "zurückgeben", was sie in ihrer Kindheit und Jugend an Zuwendung, Unterstützung und liebevoller Begleitung erfahren haben. Pflegearbeit kann, wenn sie von den Pflegebedürftigen und den Pflegenden gewünscht ist und unter guten Rahmenbedingungen stattfindet, als bereichernd sowie als Chance familiärer Vertrautheit und Kommunikation erfahren werden. Aus christlicher Sicht gehört es zu einer lebenswerten Gesellschaft, dass Menschen Pflegeaufgaben für ihnen Nahestehende übernehmen und dass sie darin unterstützt und gefördert werden.

Wenn der Pflege- und Betreuungsbedarf hoch ist, sind mit der Angehörigenpflege allerdings auch erhebliche Belastungen verbunden. Diese steigen zumeist mit der Zeit. Sehr viele pflegende Angehörige klagen darüber, dass die Pflege und der sich verschlechternde Gesundheitszustand des Gepflegten sie bedrückt und überfordert. Nicht wenige leiden an chronischen Krankheiten. Erfordert die Pflege einen Vollzeiteinsatz, geraten viele Angehörige in soziale Isolation und sehen sich jeder Möglichkeit beraubt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Mit der häuslichen Pflege sowie der Reduktion oder Unterbrechung der Erwerbstätigkeit sind für die pflegenden Angehörigen auch zusätzliche Kosten und hohe finanzielle Einbußen verbunden. Das Pflegegeld, das nur als Anerkennung und nicht als Entgelt für die geleistete Pflegearbeit konzipiert ist, reicht bei weitem nicht zur Existenzsicherung. Es gibt pflegende Angehörige, die arm sind, weil sie pflegen. Ohne andere Einkommen sind Angehörige, die im Vollzeiteinsatz familiäre Pflege übernommen haben, auf Sozialleistungen angewiesen. Auch das künftige Alterseinkommen der Pflegenden sinkt. Denn Pflegezeiten werden schlechter angerechnet als Kindererziehungszeiten, nämlich geringer als Erwerbszeiten mit einem Durchschnittsverdienst. Insofern sind die pflegenden Angehörigen nicht nur "der größte Pflegedienst der Nation", sondern auch ein unbezahlter "Pflegedienst", der – weil existierende Unterstützungsangebote (z.B. Tages-, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege, Beratung) vielen pflegenden Angehörigen unbekannt bleiben – weithin sich selbst überlassen bleibt. Das gilt insbesondere für Familien mit geringem Einkommen. Wer weder auf ein verlässliches Netzwerk familiärer und freundschaftlicher Unterstützung zurückgreifen noch entlastende Dienstleistungen erwerben kann, droht völlig überfordert zu werden.

Unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen stößt der Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege immer deutlicher an Grenzen. Daher stellt sich die Frage, wie zukunftsfähig ein so stark auf familiärer Versorgung basierendes Pflegesystem heute noch ist. In der Gesellschaft wächst der Bedarf an Pflegearbeit seit Jahrzehnten – ein Trend, der zumindest in den nächsten 30 Jahren weiter anhalten wird. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt absolut und im Verhältnis zu den Generationen der Erwerbstätigen (Demografie) weiter an. Gleichzeitig sind Familien heute oft weniger als früher in der Lage, die notwendige Pflegearbeit selbst zu leisten. Diese Entwicklung wird sich in Zukunft weiter verstärken: Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte nimmt kontinuierlich zu und die räumliche Distanz zwischen den Eltern und ihren erwachsenen Kindern wird größer. Zugleich nehmen immer mehr Frauen am Erwerbsleben teil, während die Männer nur langsam mehr Sorgearbeit übernehmen. Vollzeitstellen, in denen – so eine verbreitete politische Linie – möglichst viele Frauen und Männer erwerbstätig sein sollen, lassen ohne angemessene Entlastung kaum Zeit für Sorgeaufgaben, geschweige denn für eine zeitintensive (Beteiligung an der) Angehörigenpflege. Dem steigenden Pflegebedarf steht eine sinkende Fähigkeit der Familien gegenüber, die notwendige Pflegearbeit selbst zu leisten. Deshalb produziert ein Pflegesystem, das vorrangig auf häuslicher Pflege basiert, hohe gesellschaftliche Kosten – Kosten, die vor allem von den pflegenden Angehörigen in Form gesundheitlicher Beeinträchtigungen, Einschränkungen sozialer Kontakte und finanzieller Nachteile zu tragen sind.

Hinzu kommt, dass die Rede von einem Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege suggeriert, es gebe nur diese beiden Pflegeformen. Durch die Verbreitung der Tagespflege sowie neuer Wohnformen mit verschiedenen Graden der Unterstützung und der Pflegedienstleistung (u.a. Mehrgenerationenhäuser, ambulant betreute Wohn-Pflege-Gemeinschaften, stationäre Wohngruppen) gibt es in einigen Regionen ein zunehmendes Ineinandergreifen von Hilfen, so dass die vermeintliche Dualität zwischen häuslicher und stationärer Pflege bereits heute aufgebrochen ist. In den neuen Wohnformen, die wohnortnah ambulante und stationäre Pflege kombinieren, werden Pflegebedürftige gemeinsam von professionellen Pflegekräften betreut und bleiben zugleich sozial in vertraute familiäre und nachbarschaftliche Zusammenhänge eingebunden.

Dass die häusliche Pflege trotz der damit verbundenen hohen Belastungen so weit verbreitet und ihr Anteil an allen Pflegeformen in den letzten zehn Jahren wieder gestiegen ist[3], liegt nicht nur an einer lebendigen familiären Solidarität, sondern auch an einigen anderen, weniger positiven Faktoren. Aufgrund von unzureichender Personalausstattung, aber auch von Qualitätsmängeln in einzelnen Einrichtungen und ihrer sachlich unbegründeten Verallgemeinerung in der öffentlichen Darstellung haben Pflegeheime heute ein Imageproblem. Zu diesem negativen Bild gehören auch die hohen Zuzahlungen der Pflegebedürftigen bzw. der Angehörigen[4]. Oft ist damit die Sorge verbunden, Sozialhilfe beantragen oder das Eigenheim aus finanziellen Gründen aufgeben zu müssen. Das eigene Haus hat bei der Generation derer, die heute aus Altersgründen pflegebedürftig werden, einen sehr hohen symbolischen Wert. Es ist nicht nur Inbegriff eines Lebens in Selbständigkeit, sondern steht auch für die eigene Lebensleistung. Hinzu kommen der soziale Druck und die Furcht der Angehörigen, als Personen zu gelten, die ihre eigene Mutter oder den eigenen Vater herzlos ins Heim "abschieben". Viele Pflegebedürftige befürchten, dass es ihnen in einem Heim oder in einer Wohngruppe viel schlechter gehen wird und wehren sich gegen einen Umzug. Dabei wäre manche pflegebedürftige Person, die ambulant gepflegt wird, in einer stationären Einrichtung oder in einer der neuen Wohnformen besser aufgehoben. Manches Mal erfolgt auch der Wechsel aus der eigenen Wohnung in ein Heim oder in eine Wohngruppe zu spät. Von der Pflege völlig überforderte Angehörige sind eine häufige Folge, Pflegefehler eine andere. Solche Fehler kommen erfahrungsgemäß in der häuslichen Pflege häufiger vor als in stationären Einrichtungen.

Gerade in kirchlichen Kontexten sind bei Entscheidungen über die Form der Pflege häufig starke, sachlich nicht angemessene Werturteile mit im Spiel: Angehörigenpflege wird oft als die beste Form bewertet, sich um die eigenen Eltern zu "kümmern". Pflegeformen, die stark auf die professionelle Versorgung in einem Heim oder in einer Wohngruppe setzen, werden nicht selten als Ausdruck von Hartherzigkeit oder zumindest als Notlösung dargestellt. Dem vierten Gebot, Vater und Mutter zu ehren, kann aber auch gerecht werden, wer sich in einer oft schwierigen Abstimmung mit dem zu Pflegenden gegen eine familiäre Pflege zuhause und für eine Pflege in einem guten Pflegeheim oder in einer Wohngruppe entscheidet. Durch häufige Besuche kann ein enger Kontakt gehalten und die Qualität der Pflege beobachtet werden. Oft nehmen beide Seiten regelmäßige Besuche der Angehörigen, bei denen Zeit für Spiel und Austausch ist, als besonders bereichernd wahr.

Pflege durch sog. Live-In-Pflegekräfte

Heute greifen viele Familienmitglieder, die von den Lasten häuslicher Pflege beinahe zermürbt sind, oder die sich kaum in der Pflege ihrer (Schwieger-)Eltern engagieren können bzw. wollen, auf eine Möglichkeit zurück, die es vor 30 Jahren noch nicht gab: den Einsatz von Haushaltshilfen bzw. Pflegekräften aus Mittel- und Osteuropa, die Pflegebedürftige in deren Privathaushalt nicht nur pflegen, versorgen und betreuen, sondern auch bei ihnen wohnen ("live in"). Die weite Verbreitung dieser sog. 24-Stunden-Pflege – Schätzungen schwanken zwischen 100.000 und 300.000 Pflegehaushalten in Deutschland – verdeutlicht, dass das primär auf häuslicher Pflege basierende Pflegesystem an seine Grenzen stößt.

Ein großer Teil der zumeist weiblichen Pflegekräfte wird über Netzwerke persönlicher Kontakte aus Polen oder auch aus anderen mittel- und osteuropäischen Staaten angeworben; zumeist arbeiten diese dann schwarz. Viele Live-in-Pflegekräfte in deutschen Privathaushalten werden aber auch von Agenturen in Deutschland und deren Partnerunternehmen in Mittel- und Osteuropa vermittelt. Dabei werden die meisten Vermittlungsagenturen dem eigenen, öffentlich erhobenen Anspruch auf ein legales Arbeits- oder Auftragsverhältnis ihrer Pflegekräfte nicht gerecht.[5] Mit Verlässlichkeit kommt ein legales Beschäftigungsverhältnis nur zustande, wenn die/der Pflegebedürftige oder ein/e Angehörige/r die Live-In-Pflegekraft selbst einstellt und das Beschäftigungsverhältnis offiziell anmeldet. In beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände sind Modellprojekte der Vermittlung mittel- und osteuropäischer ArbeitnehmerInnen entstanden, bei denen die Angehörigen mit Pflegeverantwortung auch darin unterstützt werden, die in diesem Fall entstehenden Arbeitgeberpflichten (u.a. Anmeldung bei der Sozialversicherung, Lohnabrechnung) zu erfüllen.[6]

Das zentrale ethische Problem der sog. 24-Stunden-Pflege ist der zeitliche Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses. Als ArbeitnehmerIn verpflichtet man sich, den Weisungen eines Arbeitgebers zu folgen. Ethisch vertretbar ist dies nur, weil dieses Weisungsrecht auf die Arbeitszeit beschränkt ist. In der Freizeit ist die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer frei, zu tun und zu lassen, was sie/er will. Wann aber hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in der sog. 24-Stunden-Pflege Freizeit? Die ständige häusliche Präsenz der Live-In-Pflegekräfte wird häufig so ausgenutzt, dass sie gar keine oder nur sehr wenig Zeit haben, in der sie weder pflegerische oder hauswirtschaftliche Aufgaben erledigen, noch Bereitschaftsdienst haben. Zu einer enormen Belastung wird dieser Dauereinsatz, wenn die pflegebedürftige Person eine bereits fortgeschrittene Demenz hat, sehr viele Hilfestellungen benötigt oder häufig zu einem nächtlichen Einsatz ruft. Zugleich bedeutet die Tätigkeit als Live-In-Pflegekraft für viele ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland, dass sie oft schmerzlich mehrere Wochen oder sogar Monate von der eigenen Familie getrennt sind und dass die dort anfallenden Betreuungs-, Pflege- und Haushaltsaufgaben von anderen – zumeist weiblichen –  Familienangehörigen übernommen werden müssen.

Häufig ist der Wechsel in ein Heim oder in eine Wohngruppe die Alternative zur Pflege durch eine Live-In-Pflegekraft. Das Angebot der sog. 24-Stunden-Pflege stellt die Angehörigen insofern vor die Frage, auf welche Formen der Beschäftigung sie sich als Arbeitgeber einlassen wollen, um dem Wunsch des pflegebedürftigen Familienmitglieds nach häuslicher Pflege noch entsprechen zu können. Gehören dazu auch Schwarzarbeit und andere Formen unerlaubter Beschäftigung? Will man ein/e ArbeitnehmerIn beschäftigen, die (beinahe) rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche im Einsatz ist? Aus ethischer Sicht sollten die Angehörigen die sog. 24-Stunden-Pflege nur dann erwägen, wenn einige Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. Zum Beispiel sollte die/der ArbeitnehmerIn von der Familie selbst beschäftigt und offiziell angemeldet werden. Zugleich müssen sich die Angehörigen so stark an der Pflege beteiligen können, dass sie dem Beschäftigten ausreichend freie Zeit (ohne Tätigkeiten und ohne Bereitschaft) garantieren können.

Die beiden bereits erwähnten Modellprojekte der kirchlichen Wohlfahrtsverbände haben den Vorteil, dass sie den ArbeitnehmerInnen bessere Arbeitsbedingungen bieten als die meisten Agenturen. Gerade mit Blick auf das zentrale Problem der Arbeitszeit sind diese Initiativen aber auch in den Wohlfahrtsverbänden umstritten. Hier gibt es noch viel Diskussionsbedarf.

Professionelle Pflege

Bei ambulanten Pflegediensten, in Heimen und teilstationären Einrichtungen sowie in Wohngruppen und bei anderen neuen Mischformen zwischen ambulanter und stationärer Pflege waren Ende 2015 über 1 Mio. Personen beschäftigt, knapp 13 % von ihnen in Minijobs und 57 % auf sozialversicherungspflichtigen Teilzeitstellen.[7] In den letzten 12 Jahren ist die Beschäftigung im Pflegesektor um 45 % gestiegen.[8] Bereits heute wird allenthalben über einen akuten Personal-, vor allem einen Fachkräftemangel geklagt. Aufgrund des demographischen Wandels dürfte sich dieser selbst bei intensiven Rekrutierungs- und Ausbildungsanstrengungen erheblich verschärfen.

Für AltenpflegerInnen ist kennzeichnend, dass sie hoch motiviert sind und es ihnen vor allem anderen um das Wohl der zu pflegenden Personen geht. Die meisten von ihnen geben an, dass sie von den menschlichen Erfahrungen, die sie in der pflegerischen Interaktion mit den Pflegebedürftigen machen, begeistert sind.[9] Trotzdem sind die Bedingungen, unter denen Altenpflege geleistet wird, wenig attraktiv. Das liegt nicht nur an der häufig schlechten Bezahlung und ungünstigen Arbeitszeiten (wie z.B. geteilten Diensten). Das größte Problem ist vielmehr die zu knappe Personalbemessung, die gemeinsam mit übermäßigen Dokumentationsanforderungen zu einer enormen Arbeitsverdichtung führt. Diese bedingt, dass die Pflegekräfte gelegentlich kleinere Abstriche an der Qualität der einzelnen Hilfestellungen und Behandlungsschritte machen, zwingt sie aber vor allem dazu, den Kommunikationsaspekt der Pflege auf ein Minimum zu reduzieren; dabei ist Pflege grundlegend ein Kommunikationsgeschehen, in das die einzelnen "Verrichtungen" eingebunden sind. Das Schlagwort "Minutenpflege" steht – wenn es nicht auf die zuletzt geänderte Berechnung des Pflegebedarfs bezogen wird – für dieses Problem der Arbeitsverdichtung. Die zu knappe Personalausstattung schadet zum einen vielen Pflegebedürftigen, die eine schlechtere Pflege erhalten, als es angemessen wäre, und zum anderen den Pflegekräften, die dazu gezwungen werden, anders zu arbeiten als es ihren professionellen Vorstellungen von guter Pflege entspricht.

Ursächlich für die zu geringe Personalbemessung ist der hohe Druck, Kosten zu sparen, der im deutschen Pflegesystem auf allen Pflegedienstleistern lastet. Dieser geht unter den gegebenen Bedingungen auch darauf zurück, dass die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen einen erheblichen Teil der Kosten selbst übernehmen müssen. Insbesondere die Pflegeheime stehen in einem Wettbewerb, in dem sie u.a. über die Höhe privater Zuzahlungen für Unterbringung, Verpflegung und Investitionen konkurrieren. Erfreulicherweise verfolgt der Gesetzgeber mit den neuen Pflegestärkungsgesetzen auch das Ziel, Wettbewerbsstrategien zu unterbinden, die geringere Zuzahlungen dadurch erreichen wollen, dass sie den Pflegekräften niedrigere Gehälter zahlen. Bestehen bleibt aber noch das Risiko, dass Träger versuchen, durch eine zu geringe Personalausstattung Kostenvorteile zu erzielen.

Reformen auf dem Weg zu einer sorgenden Gesellschaft

Als Christinnen und Christen setzen wir uns für eine sorgende Gesellschaft ein, in der es für Männer und Frauen zum Leben dazu gehört, Pflegearbeit zu übernehmen. Diese (und andere) Sorgearbeit muss mit Erwerbsarbeit gut vereinbar und sozial abgesichert sein sowie durch öffentlich (ko-)finanzierte professionelle Dienstleistungen unterstützt werden. Qualitativ hochwertige Pflegeheime und Pflege-Wohn-Gemeinschaften müssen flächendeckend eine gute wohnortnahe Versorgung garantieren. Die Wertschätzung von Sorgearbeit muss in guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen für AltenpflegerInnen und für die MitarbeiterInnen haushaltsbezogener Dienstleistungen zum Ausdruck kommen. In einer solchen Gesellschaft wären für alle eine gute professionelle Pflege, eine staatlich abgesicherte Angehörigenpflege, die in lokale und soziale Netzwerke eingebunden ist, sowie Mischformen zwischen beiden zugänglich. Ein Ineinandergreifen verschiedener Hilfen wäre Normalität. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollten sich für die Form der Pflege entscheiden können, die ihnen selbst, ihren Beziehungen zueinander und ihren Möglichkeiten am besten entspricht. Wir wünschen uns eine Pflegepolitik, die weitsichtig und mit langem Atem dieses Ziel einer sorgenden Gesellschaft verfolgt und sich ihm in mutigen Reformschritten nähert.

Nicht nur der steigende Pflegebedarf, sondern auch die hier skizzierte Weiterentwicklung des Pflegesektors kostet viel Geld, das aus Sozialversicherungsbeiträgen, Steuergeldern und Mitteln privater Vorsorge aufgebracht werden muss. Gegenwärtig liegt der Anteil der öffentlichen Ausgaben für die Pflege am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland (und Österreich) mit 1,4 % noch deutlich unter dem Durchschnitt der westeuropäischen Staaten nördlich der Alpen.[10] Will man vermeiden, dass pflegepolitische Reformen zu höheren Lohnzusatzkosten führen, bedarf es zusätzlicher Steuermittel für die Pflege. In jedem Fall wird nicht alles, was pflegepolitisch sinnvoll ist, bezahlbar sein. Zur Begrenzung der gesamtgesellschaftlichen Kosten für die Pflege bedarf es sicher auch in Zukunft auf allen Ebenen des Pflegesystems eines sorgsamen Umgangs mit den vorhandenen Ressourcen. Dennoch steht die deutsche Gesellschaft zur Überwindung der gegenwärtigen Probleme in der Pflege vor der Frage, was ihr die Pflege wert ist und für welche Verbesserungen sie zusätzliche finanzielle Mittel aufwenden will. Zugleich muss sich aber auch jede und jeder Einzelne fragen, was ihr und ihm die Versorgung und Betreuung naher Angehöriger wert ist. Wieviel Zeit und wieviel Geld ist sie bzw. er bereit dafür einzusetzen? Insofern ist es grundsätzlich nicht als ungerecht anzusehen, dass die Angehörigen mittlerer und vor allem oberer Einkommensschichten damit rechnen müssen, einen erheblichen Teil des Vermögens, das ihre Eltern gebildet haben, im Falle einer längeren Pflegebedürftigkeit für deren Versorgung und Betreuung aufzuwenden.

Vor dem Hintergrund der Frage nach dem Stellenwert der Pflege werden im Folgenden einige Reformschritte auf dem Weg zu einer sorgenden Gesellschaft skizziert:

  1. Die Angehörigenpflege sollte ähnlich und in vergleichbarem Umfang wie die Versorgung und Erziehung kleiner Kinder gefördert werden. Vor allem für Letzteres werden aktuell neue Konzepte diskutiert und eingeführt, die es Frauen und Männern erleichtern sollen, Erwerbs- und Sorgearbeit zu kombinieren (z.B. Elterngeld Plus oder eine Familienarbeitszeit im Sinne einer reduzierten Vollzeiterwerbstätigkeit beider Partner, die vom Staat gefördert wird). Solcher Formen einer umfassenden, geschlechtergerechten Förderung bedarf es auch für pflegende Erwerbstätige. Zu verhindern ist, dass Angehörige, die ihre Erwerbsarbeit aufgeben, um rund um die Uhr ein Mitglied ihrer Familie zu pflegen, in Armut abrutschen und Sozialhilfe oder Grundsicherung beantragen müssen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wurde mit der Schaffung einer Pflegezeit und einer Familienpflegezeit bereits verbessert. Besondere Bedeutung kommt den Möglichkeiten der Angehörigen zu, nach der Pflegephase von einer Teilzeit- in eine Vollzeiterwerbstätigkeit zurückzukehren. Hier kommt auch den Tarifparteien eine wichtige Verantwortung zu. Die Arbeitnehmer können selbst einen Beitrag dazu leisten, indem sie rechtzeitig mit ihren Arbeitgebern individuelle Absprachen treffen und somit den Betrieben die Planbarkeit erleichtern. Ein Ausbau der finanziellen Leistungen und der rechtlich abgesicherten Optionen für pflegende Angehörige sollte unter Beachtung des erforderlichen betrieblichen Interessenausgleichs weiterverfolgt werden. Dabei sind die Grenzen der Belastbarkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen unbedingt zu beachten. Zugleich wird künftig die Attraktivität von Arbeitgebern auch davon abhängen, dass sie im Sinne einer lebenslauforientierten Personalpolitik den Beschäftigten Übergänge von einer Lebensphase in eine andere erleichtern.[11] Zudem müssen Phasen, in denen Angehörige viel Zeit mit Pflege verbringen, bei der Rentenberechnung in der gleichen Weise wie Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden. Auch familiäre Pflegeleistungen, die parallel zum Rentenbezug erbracht werden, müssen zu einer Steigerung der Rentenhöhe der Pflegenden führen.[12]
  2. Besonders wichtig ist es, die Angehörigen in ihrem Pflegealltag zu stärken und zu entlasten. Bestehende Möglichkeiten (Tagespflege, Kurzzeitpflege, Beratung, Kuraufenthalte etc.) müssen besser bekannt gemacht werden. Damit häuslich Pflegende in Zukunft nicht mehr auf sich allein gestellt sind, müssen für sie lokale Netzwerke der professionellen und ehrenamtlichen Unterstützung geknüpft werden. Vielversprechende Konzepte gibt es dazu beispielsweise in den Niederlanden (vgl. den Pflegedienst buurtzorg). Auch mit Blick auf die Qualitätssicherung familiärer Pflege sollten u.a. Angebote einer regelmäßigen Beratung und Begleitung durch ambulante Pflegedienste ermöglicht werden, deren Inanspruchnahme nicht zu einer Reduktion des Pflegegelds führt.
  3. Einen Reformstau gibt es bei den haushaltsbezogenen Dienstleistungen, die in Deutschland bisher überwiegend in Schwarzarbeit erbracht werden. Gerade Haushalte, in denen jemand gepflegt wird, bedürfen häufig einer professionellen hauswirtschaftlichen Entlastung. Hier sollten spezifische Angebote verbunden mit einer staatlichen Förderung entwickelt werden, damit im Bereich der haushaltsbezogenen Dienstleistungen qualifizierte und fair bezahlte Arbeitsplätze entstehen und es keine Anreize gibt, diese in Schwarzarbeit zu erbringen oder nachzufragen.
  4. Die in den letzten Jahren vermehrt entwickelten und umgesetzten Formen einer innovativen Kombination von häuslicher und stationärer Pflege bzw. der Pflege in vertrauter Umgebung und Nachbarschaft, sollten konsequent gefördert werden. Im Sinne einer – auch im siebten Altenbericht der Bundesregierung geforderten – modernen Subsidiarität braucht es eine weitere Stärkung des sozialen Nahraumes und eine größere Mitverantwortung der Kommunen, um lokale Strukturen der gegenseitigen Sorge und Unterstützung zu entwickeln, zu fördern und zu gestalten. Entsprechende Stadtteilkonzepte sollten flächendeckend umgesetzt werden. Auch die Kirchengemeinden müssen sich als Teil dieser Netzwerke und als "sorgende Gemeinden" verstehen, die sich an der Gestaltung und Unterstützung eines sorgenden Gemeinwesens vor Ort beteiligen. Für die Pastoral im Kontext der Altenhilfe bedarf es dringend neuer, kreativer Ansätze, die den heutigen bzw. sich aktuell abzeichnenden Bedingungen und Möglichkeiten des sich schnell verändernden Pflegesystems Rechnung tragen. Die existenzielle Dimension von Pflegebedürftigkeit und Pflegearbeit nicht auszublenden, sondern aufzugreifen – darin liegt auch eine besondere Chance für karitative Einrichtungen und Dienste.
  5. Bessere Angebote der Unterstützung pflegender Angehöriger und der Ausbau neuer Wohn- und Pflegegemeinschaften wären auch ein wichtiger Beitrag dazu, die sog. 24-Stunden-Pflege zurückzudrängen. Vor allem die problematischen Arbeitszeiten der Live-In-Pflegekräfte verdeutlichen die Dringlichkeit pflegepolitischer Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung dieser besonderen Form häuslicher Pflege und einer gesetzlichen Regulierung, die zu besseren Arbeitsbedingungen der Live-In-Pflegekräfte führt. Zum Beispiel könnte der Gesetzgeber nur zertifizierte Vermittlungsagenturen zulassen oder – wie in Österreich – an Pflegehaushalte mit einer Live-In-Pflegekraft ein höheres Pflegegeld auszahlen und die Zertifizierung der Agentur oder – stärker als in Österreich – die Auszahlung des höheren Pflegegeldes an Bedingungen knüpfen: Die Pflegekraft müsste von dem Pflegebedürftigen oder einem Angehörigen regulär als ArbeitnehmerIn eingestellt werden; zudem wäre ein noch festzulegendes Minimum freier Zeit (z.B. einmal pro Woche ein voller freier Tag) einzuhalten, in der die Beschäftigte dann auch wirklich von allen Verpflichtungen befreit ist.
  6. Die Attraktivität und Wertschätzung der Pflegeberufe zu erhöhen, stellt die einzige erfolgversprechende Strategie gegen den sich verschärfenden Mangel an Pflege(fach)kräften dar. Der Beruf der Altenpflegerin oder des Altenpflegers muss nicht nur durch ansprechende Perspektiven beruflicher Weiterentwicklung aufgewertet werden, sondern auch durch faire Entgelt- und Dienstzeitenregelungen sowie durch eine erheblich großzügigere Personalbemessung, die den Zeitdruck der Pflegekräfte reduziert. Dieser nämlich macht es ihnen heute schwer, wenn nicht unmöglich, gemäß jenen Standards guter Pflege zu arbeiten, die Kern ihres beruflichen Selbstverständnisses sind. Wichtige Schritte, um Pflegeberufe attraktiver zu machen, wären die Erhöhung der Tarifbindung von Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten sowie das Aushandeln einheitlicher Tarifvertragsbedingungen.
  7. Auch wenn der Pflegesektor immer unter Kostendruck stehen wird, sodass mit Ressourcen verantwortlich umgegangen werden muss, sind dringend Schritte zur Überwindung der sog. Minutenpflege einzuleiten. Dazu müssen die Dokumentationspflichten reduziert und die Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen und -dienste durch höhere, bundeseinheitlich verbindliche Mindeststandards verbessert werden. Dies wäre auch ein wichtiger Beitrag zur Überwindung des schlechten Images von Pflegeheimen.
  8. Ehrenamtliches Engagement ist – egal ob in häuslicher Umgebung, bei neuen Wohnformen oder im stationären Umfeld – Teil gelungener Pflegearrangements, darf aber nicht zum Lückenbüßer für fehlende Arbeitsstellen in der Pflege werden. Auf keinen Fall darf hier ein mithilfe von Aufwandsentschädigungen getarnter Niedriglohnsektor entstehen. Anerkennung finden die Engagierten vor allem in einer guten Begleitung und Qualifizierung sowie durch eine problemlose Erstattung ihrer Auslagen. Ehrenamtliche können einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung sorgender Gemeinschaften leisten – auch indem sie sich politisch für die Belange Pflegebedürftiger einsetzen.

 

Die hier genannten pflegepolitischen Herausforderungen und Reformschritte hin zu einer sorgenden Gesellschaft haben eine Tiefenschicht, die Gegenstand intensiver gesellschaftlicher Debatten werden muss. Sie verlangt die Entwicklung einer gesellschaftlichen Sorgekultur, die den zu starken Fokus der Arbeitsgesellschaft auf die Erwerbsarbeit und die berufliche Karriere überwindet. Die Notwendigkeit, die Beschwerlichkeit und die erfüllenden Erfahrungen von Sorgearbeit führen derzeit ein Schattendasein – auch bei gesellschaftlichen und politischen Debatten über die Gesellschaft, in der wir in Zukunft leben wollen. Aber verlässliche soziale Beziehungen sowie psychische und physische Gesundheit sind eine unerlässliche Grundlage unseres Lebens und Arbeitens. Damit wir diese Voraussetzungen dauerhaft erfüllen können, braucht es Zeit und Muße – und braucht es Sorgearbeit. Lebt die auf Erwerbsarbeit und beruflichen Erfolg fixierte Arbeitsgesellschaft von ihrer Substanz?  

Verabschiedet vom Hauptausschuss des ZdK am 23.06.2017


[1] Siehe hierzu: ZdK (2003): Vertrauen stärken – Verantwortung tragen – Solidarität erhalten. Zur Bedeutung der Pflege in einem leistungsfähigen Gesundheitswesen; ZdK (2004): Zeit für Pflege und Fürsorge – familienunterstützende Strukturen aufbauen.
[2] Statistisches Bundesamt: Pflegestatistik 2015, Wiesbaden 2017, S. 7.
[3] Quelle: Statistisches Bundesamtes: "Pflegestatistik – Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse.", Pflegestatistiken von 1999 bis 2015 (erscheinen zweijährig). Im Jahr 1999 betrug der Anteil der häuslichen Pflege 72 %. Es kam zu einem leichten Absinken bis 2003 und 2005 auf 68 %; dann stieg der Anteil wieder leicht an auf zuletzt 73 % im Jahr 2015.
[4] Ab 2017 gilt in jeder vollstationären Pflegeeinrichtung ein einheitlicher pflegebedingter Eigenanteil für die Pflegegrade 2 bis 5. Der pflegebedingte Eigenanteil steigt künftig nicht mehr mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Auch wenn somit der Eigenanteil über alle Pflegegrade hinweg gleich bleibt (für 2017 ca. 580 Euro), so bleiben weitere Zuzahlungen für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen bestehen, die jedes Pflegeheim individuell festlegt.
[5] Die von vielen Agenturen vermittelten Live-In-Pflegekräfte arbeiten nur als Scheinselbständige oder in einer fehlerhaften Entsendung und sind damit illegal beschäftigt. Statt der versprochenen legalen Lösung bieten diese Agenturen den Familien mit Pflegeverantwortung allenfalls Straffreiheit (durch eine gültige A1-Bescheinigung).
[6] CariFair u.a. des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn und vij FairCare im Verbund der Diakonie Baden-Württemberg.
[7] Datengrundlage: Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2015, S. 14, 23 (ohne Auszubildende, Praktikanten etc.).
[8] Datengrundlage: Ebd., S. 16, 26; Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2003. Deutschlandergebnisse, S. 15, 23 (jeweils Vollzeitäquivalente).
[9] Vgl. u.a. ver.di, Arbeitsethos hoch, Arbeitshetze massiv, Bezahlung völlig unangemessen. Beschäftigte in Pflegeberufen. Ergebnisse einer Sonderauswertung der bundesweiten Repräsentativumfrage zum DGB-Index Gute Arbeit 2012 (Arbeitsberichterstattung aus der Sicht der Beschäftigten 7), Berlin 2013, S. 2.
[10] European Commission: The 2015 Ageing Report, Brüssel 2015, S. 190.
[11] Zur Bedeutung der Aufgabe, Übergänge und Neuanfänge im Lebenslauf abzusichern, vgl.: ZdK (2013): Soziale Lebenslaufpolitik: Zukunft wagen in einer Gesellschaft des langen Lebens.
[12] Siehe hierzu: ZdK (2016): Generationengerechtigkeit, Solidarität und Eigenvorsorge – Sozialethische Anforderungen an eine Alterssicherung in der Lebens- und Arbeitswelt von morgen.

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