Erklärung aus Anlass des 60. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge Für ein geschwisterlich verbundenes Europa

Erklärung der Initiative für Christen (IXE)

Paris, 25. März 2017

In mehreren Mitgliedstaaten laufen die Vorbereitungen zu nationalen Wahlen, während am heutigen Samstag der Unterzeichnung der Römischen Verträge (25. März 1957) gedacht wird. Als Initiative Christen für Europa wollen wir an die Errungenschaften erinnern, die diese Verträge für Europa und die Welt bedeuten. Wir erinnern an die große Bedeutung, die christliche Werte zu Versöhnung und Einheit zwischen den Völkern Europas beigetragen haben und die auch die Gründerväter der Römischen Verträge getragen haben.

Wertschätzung für das Erbe der Römischen Verträge

Seit Jahrzehnten dürfen wir Frieden in Europa erleben. Das Fundament dieses Friedens ist eine "gemeinsame EU-Politik", deren Grundstein in den Römischen Verträgen gelegt wurde: Für eine nachhaltige Entwicklung von Landwirtschaft und Umwelt; Freizügigkeit von Dienstleistungen und Arbeitnehmern, die durch Binnenmarkt und dem Schengenraum ermöglicht wurde; die Annahme einer verbindlichen Europäischen Charta der Grundrechte; ein Solidaritätswillen mit den am stärksten benachteiligten Regionen und Ländern, der sich in der europäischen Strukturpolitik wiederspiegelt; eine einheitliche Währung, die darauf abzielt, die Bürgerinnen und Bürger Europas zu schützen und zu vereinen.

Diese Zusammenarbeit wurde schrittweise von sechs Gründungsmitgliedern bis heute 28 Mitgliedsstaaten erweitert. Dies war ein entscheidender Beitrag zum europäischen Frieden und für Stabilität nach dem Kalten Krieg. Dieser positive Einfluss ist nicht auf den europäischen Kontinent beschränkt: Die EU ist der größte Geber in der Entwicklungszusammenarbeit; die EU fördert multilaterale Handelsabkommen, nicht zuletzt mit den am geringsten entwickelten Ländern (LCD); fördert den Zugang zu Märkten und zu grundlegenden Gütern und Gesundheitsdiensten. Durch ihre Kooperationen in Ländern, in denen Krieg herrscht oder die von Naturkatastrophen heimgesucht werden, spielt die EU eine wichtige friedensfördernde Rolle.

Für Verringerung der gegenwärtigen europäischen Ungleichgewichte und Überwindung der politischen Stagnation

Diese Errungenschaften müssen auch in Zukunft weiterhin gelebt werden. Sie zeugen von der Kreativität und dem Mut der vorherigen Generationen. Daher sagen wir, dass die großen Ungleichgewichte zwischen den Nationen auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene nicht akzeptabel sind. Seit der Krise im Jahr 2008 schaffen die EU und ihre Mitgliedstaaten es nicht den zunehmenden Ungleichheiten in den Gesellschaften entgegenzuwirken. Viele Länder leiden unter hoher Jugendarbeitslosigkeit. Die Positionen im Umgang mit der aktuellen Flüchtlingssituation klaffen weit auseinander. In einigen Mitgliedstaaten scheinen die Grundlagen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit unter Druck zu stehen. Auch die EU scheint seit kurzem mit einer neuen distanzierten, gleichgültigen und teilweise gar feindlichen Haltung einiger ihrer großen Partner in der Welt konfrontiert zu sein. Schließlich sind wir von der Tiefe der Missverständnisse und der kritischen Stimmung gegenüber den europäischen Institutionen in unseren Ländern betroffen. Der Aufbau neuen Vertrauens erfordert unser aller Engagement.

 

Die Einheit der Europäer braucht neue Impulse

In einer Zeit, in der in einigen unserer Mitgliedstaaten nationalistische Tendenzen wachsen, fordern wird die führenden Politikerinnen und Politiker auf ihre "bremsende" Haltung aufzugeben. Sie sollten bereits vor den noch in diesem Jahr anstehenden Wahlen Strategien entwickeln, die im Anschluss zu einem neuen Impetus für die Einheit der Völker in Europa führen können – eine der grundlegenden Elemente in den Römischen Verträgen. Hierzu muss ein wirklicher Dialog geführt werden: Nichts ist dem anfänglichen Gründergeist Europas entfernter, als gegenseitige Schuldzuschreibungen. Nichts ist dem Geist der europäischen Verträge fremder, als die Sorgen der Gesellschaft in abhängig des Beitrags ihres Landes für die Einhaltung der gemeinsamen Werte zu sehen. Nichts ist dem Gründungsgeist ferner, als dass die europäischen Institutionen systematisch für alle Probleme und Entscheidungen beschuldigt würden, während die Erfolge den nationalen Regierungen gutgeschrieben werden.

Für geschwisterliche Solidarität unter den Völkern Europas

Während das kürzlich veröffentlichte Weißbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft Europas verschiedene Zukunftsszenarien für die EU aufzeigt, fordern wir unsere Regierungen auf, sich für ein Szenario der geschwisterlichen Solidarität unter den Völkern Europas zu entscheiden, unabhängig von institutionellen Veränderungen. Europa ist dieser Geist der Solidarität abhandengekommen, der seinerzeit das Herzstück einer "vertieften Gemeinschaft" als Ziel der Römischen Verträge war und auch in der Forderung Roman Schumans für eine "praktische Solidarität", die zu gegenseitigem Vertrauen führen würde.

Grundsätzlich sind Reformen notwendig und Entscheidungen sind zu treffen, die die EU aus dem aktuellen Stillstand befreien. Die Rückkehr zum Geist der Solidarität, des gegenseitigen Respekts und zu dem Bewusstsein um die Lasten und Leiden der Anderen ist die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit eines solchen gemeinsamen Projektes.

Die Verbindung der Völker Europas gilt nicht nur dem Kampf gemeinsamer Bedrohungen. Es geht auch darum, einander Respekt zu zollen, wenn man bedenkt, was wir uns gegenseitig schulden. Was auch immer die Pläne für die politische und wirtschaftliche Wiederbelebung Europas sind, sie müssen an den größten sozialen Herausforderungen ansetzen, die besonders einige von uns belasten. Was auch immer für gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie der EU entwickelt wird, sie müssen die verschiedenen historischen Bezüge und individuellen Bedrohungen wahrnehmen. Als Europäer sind wir stolz auf unser soziales Gesellschaftsmodell, das auf der Menschenwürde jedes Einzelnen beruht. Doch muss dies übersetzt werden unter der Wahrung unserer kulturellen Vielfalt und in gemeinsamen Anstrengungen münden, Menschen Schutz zu bieten, die vor bewaffneten Konflikten und Verfolgung fliehen.

Wir müssen Fürsprecher für die Mission Europa sein, wie Papst Franziskus uns erinnerte: "Europa hat ein ideelles und geistiges Erbe, das einzigartig ist auf der Welt. Dieses ist es wert, mit Leidenschaft und neuer Frische wieder aufgegriffen zu werden. Es stellt das beste Heilmittel gegen das Vakuum an Werten unserer Zeit dar, jenen fruchtbaren Boden für Extremismen aller Art."

Aus diesem Grund wollen wir als Mitglieder von nationalen und internationalen christlicher Laienorganisationen Europas dazu beitragen, den Geist der geschwisterlichen Solidarität zu beleben und gleichzeitig transnationale Anerkennung und gegenseitige Unterstützung bieten. Wir sehen mit Freude die ermutigenden Zeichen der Bürgerinnen und Bürger, die in vielen Städten für Europa aufstehen und das Wort ergreifen.

Wir werden in unseren je eigenen gesellschaftlichen Kontexten unseren Beitrag leisten, um ein neues Identitätsbewusstsein für diese so wichtige europäische Integration zu fördern und Europa in diesem Sinne zukunftsfähig zu machen. Dies haben wir von den Gründungsvätern Europas geerbt und wollen es den kommenden Generationen weitergeben.

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Initiative of Christians for Europe (IXE)

www.initiative-ixe.eu; contact(at)initiative-ixe.eu

 

Contact:

  • Central Comitee of German Catholics(ZdK)
    Generalsecretary
    Postfach 24 01 41
    53154 Bonn /Germany
    Martina Köß, +49 228 38 297 34
     
  • Semaines Sociales de France
    18 rue Barbès
    92128 Montrouge Cedex / France
    Jérôme Vignon, +33 631 66 55 63
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