Einführung in den Antragstext "Farbe bekennen für die Demokratie!"

von Dagmar Mensink im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort

Berliner Aufruf des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zum Wahljahr 2017

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen der ZdK-Vollversammlung,

wir müssen was tun! Das war die einhellige Einschätzung vor über einem Jahr, als unser Ständiger Arbeitskreis "Politische und ethische Grundfragen" – viele seiner Mitglieder sind ja hier in der Vollversammlung dabei – begonnen hat, im Blick auf 2017 intensiv über die politische Situation in Deutschland und die Gefährdungen unserer demokratischen Ordnung zu beraten.

Und wir waren uns im Gespräch auch schnell einig: Wir müssen mehr tun als vor den vergangenen Bundestagswahlen. Es wird nicht mehr reichen, dass das ZdK einen wohl überlegten Text verabschiedet, der zur Beteiligung an der Wahl aufruft. Denn unsere politische Kultur und die demokratischen Verfahren sind spürbar unter Druck geraten – äußerlich durch Protestbewegungen wie Pegida und die AfD sowie durch rechtspopulistische Bewegungen und Parteien in unseren Nachbarländern wie Österreich, Frankreich, die Niederlande, Polen und Ungarn – vor allem aber dadurch, dass sich Menschen in unserem Lande (und damit viele Christen) ernsthaft fragen, ob die bewährten Strukturen zur Bewältigung der Herausforderungen wirklich ausreichen.

Die Debatten der letzten Monate über den Zustand unserer Demokratie haben in unseren Augen das Bewusstsein dafür geschärft, dass die demokratische Ordnung und eine offene Gesellschaft nicht selbstverständlich sind. Und dass eine echte Gefahr besteht, wenn Bürger und Bürgerinnen sich innerlich vom politischen Geschehen abwenden. Noch dazu, wenn sie sich dabei in hermetisch gegeneinander abgeschlossenen Blasen in ihrer jeweiligen Meinung nur noch bestärken und keine Argumente mehr hören wollen.

Als ZdK insgesamt, als Diözesanräte, Verbände, Vereinigungen und als Einzelpersonen ist es uns nicht gleichgültig, wie die Chancen in unserem Land, in Europa und weltweit verteilt sind. Wir wissen, dass echte Freiheit nicht ohne das solidarische Bemühen um mehr Gerechtigkeit zu haben ist. Und wir haben aus der Geschichte, nicht zuletzt aus der Erfahrung konfessioneller Verfeindung, auch die Mühen der Demokratie schätzen gelernt.

Um diese Haltung deutlich zu machen und um unsere freiheitliche Demokratie zu stärken, hat das ZdK im letzten Herbst eine Demokratie-Initiative zum Wahljahr 2017 entwickelt: Die Plattform "Wahl 2017" bündelt katholische Initiativen und zeigt so, dass das Engagement für und in unserer Demokratie viele von uns bewegt. Wir machen uns für unsere freiheitliche Demokratie stark – zu sehen und zu hören in der frisch eröffneten Aktion "Demokratie stimmt!" Und wir wollen ganz viele andere, ob Christen oder Nichtchristen, ebenfalls dafür gewinnen, im demokratischen Wettbewerb die besten Lösungen für die gegenwärtigen Probleme zu suchen. Mit einem Aufruf aus dieser ZdK-Vollversammlung wollen wir dafür ausdrücklich werben.

Ich darf Ihnen nun dieses dritte Element der Demokratie-Initiative des ZdK kurz vorstellen, den aus dem Ständigen Arbeitskreis "Politische und ethische Grundfragen" hervorgegangenen Entwurf des Berliner Aufrufs "Farbe bekennen für die Demokratie!". Wir wünschen uns, dass von diesem Aufruf in Verbindung mit den katholischen Initiativen und der Aktion "Demokatie stimmt!" hier und jetzt, von uns allen getragen, ein kraftvolles Signal für unsere demokratische Kultur ausgeht!

Der Text entstand nach zwei Diskussionen im Arbeitskreis mit Impulsen von Dr. Andreas Püttmann und unserem Mitglied Prof. Dr. Klaus Stüwe. Allen, die sich an den Diskussionen beteiligt haben, insbesondere denen, die sich wieder und wieder mit neuen Textfassungen beschäftigt und um Formulierungen gerungen haben, sage ich dafür sehr herzlich Danke. Klaus Stüwe gilt – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben – ein ganz besonderer Dank, weil er die Herkules-Aufgabe übernommen hat, aus den komplexen Diskussionen einen ersten kurzen Text zu entwickeln. Ein großer Dank geht auch an Dr. Hubert Wissing, er hat die verschiedenen Fäden immer wieder zu einem Text gewebt.

Der Ihnen vorliegende Entwurf folgt dem Dreischritt "Sehen – Urteilen – Handeln".

Der erste Abschnitt "Was wir wollen" ist gleichsam die Ouvertüre. Sie macht uns als katholische Christen und Christinnen erkennbar und liefert die Kurzzusammenfassung der Botschaft auf einen Blick: Wir wollen die Demokratie verteidigen, stabilisieren und stärken.

Der Abschnitt "Worauf wir Antworten finden müssen" widmet sich der Bestandsaufnahme, dem "Sehen". Dem Textcharakter entsprechend wird schlaglichtartig ein Überblick über wichtige politische und gesellschaftliche Entwicklungen gegeben. Wir unterstreichen damit: Es hat Gründe, dass Menschen sich fragen, ob wir unsere Demokratie weiterentwickeln müssen und warum populistische Kräfte in der Politik so viel Zuspruch finden. Ich nenne hier nur wenige Stichworte: gesellschaftliche und kulturelle Pluralisierung, Flucht und Zuwanderung, Globalisierung, Krise der EU, internationale Kriege und Konflikte, islamistischen Terror, islamfeindliche und fremdenfeindliche Positionen. All das weckt die Sehnsucht nach einfachen Antworten, die den Problemen mit einem Schlag ein Ende bereiten. Und diese Sehnsucht macht empfänglich für Kräfte, die solch einfache Antworten propagieren. Wichtig war uns, im Text deutlich zu benennen, dass diese Kräfte auch in kirchlichen Kreisen einen Widerhall finden.

Wir sagen auch deutlich, dass bei einem Teil der Menschen in Deutschland Befürchtungen gewachsen sind und eine politische Entfremdung stattgefunden hat. Oder, wie es Wolfgang Thierse noch treffender ausdrückt: Die Menschen, die bei Pegida mitlaufen, die sich der AfD zuwenden, haben eine "Entheimatung" erfahren. Wir beschreiben das und sind der Auffassung, dass wir diese Erfahrung sehr ernst nehmen müssen. Zugleich machen wir uns diese Sicht selbst nicht zu Eigen.

Mit dem folgenden Abschnitt "Haltung zeigen für eine starke Demokratie" folgt der nächste Schritt, ein "Urteilen" im Sinne von Standpunkt-Beziehen. Wir gehen den Konflikten in unserer Gesellschaft nicht aus dem Weg und benennen ohne ideologische Scheuklappen, wogegen und wofür wir als gesellschaftlich und politisch engagierte Katholikinnen und Katholiken stehen. Es geht hier nicht darum, von einem Standpunkt moralischer Überlegenheit einer Empörung Ausdruck zu verleihen. Wir wollen vielmehr, wie Peter Frey es in unserem Arbeitskreis genannt hat, klare Kante zeigen, ohne auszugrenzen. Und eine solche Ansage geht, wie im Alltag, am besten mit einem klaren "Ja" oder "Nein".

Im Schlussabschnitt "Worauf es jetzt ankommt" wird aus dem Text dann ein Aufruf zum Engagement und zu den bevorstehenden Wahlen, unsere Perspektive des "Handelns". Der Aufruf wirbt entschieden für unsere parlamentarische Demokratie. Lange haben wir deshalb in der Vorbereitung des Textes darüber diskutiert, wie die AfD darin benannt werden sollte. Wir haben uns für den Weg entschieden, eine klare Haltung gegen bestimmte Positionen zu beziehen, die denen widerstreiten, wofür wir stehen. Daraus ziehen wir den Schluss, dass Parteien (im Plural!), die Ausgrenzung, Hass und Hetze propagieren, für uns nicht wählbar sind.

Ich wünsche mir und kann das hoffentlich für den gesamten politischen Arbeitskreis des ZdK sagen, dass wir mit diesem Berliner Aufruf und den weiteren Elementen der Demokratie-Initiative einen guten Beitrag zum Wahljahr 2017 leisten. Schon jetzt danke ich allen, die sich gleich an der Diskussion beteiligen werden, vor allem denjenigen, die durch genaueste Lektüre des Entwurfs und durch Änderungsanträge schon im Vorfeld dazu beigetragen haben, dass wir einen guten Text gewinnen.

Heute können wir diesen Aufruf beraten und beschließen – dafür werbe ich ausdrücklich. Dann kann er zusammen mit den ersten Statements von "Demokratie stimmt!" veröffentlicht werden und als starkes Signal für die Demokratie von Berlin ausgehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit ist damit nicht zu Ende. Denn in den nächsten Wochen und Monaten kommt es auf unser aller Stimmen an, um den Aufruf und die exemplarischen Stimmen für die Demokratie in unseren Familien, Gemeinden, Verbänden, an unseren Arbeitsplätzen, kurz: wo immer möglich zu verstärken.

Lassen Sie uns gemeinsam Farbe bekennen für die Demokratie!

 

Dagmar Mensink Sprecherin des Sachbereichs "Politische und ethische Grundfragen"

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