Statement des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
zur Präsentation des Leitwortes für den 101. Deutschen Katholikentag in der Akademie Franz Hitze Haus - es gilt das gesprochene Wort
Suche Frieden lautet das Leitwort für den 101. Deutschen Katholikentag, der vom 9. bis 13. Mai 2018 in Münster stattfinden wird.
Seit ihren frühesten Anfängen – meine Damen und Herren – sind Katholikentage mit dem Anspruch verbunden, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sie zu analysieren und aus der Perspektive des christlichen Evangeliums zu betrachten, nein, nicht nur aus „sicherer Distanz“ zu kommentieren, sondern teilzunehmen und teilzuhaben an der Suche nach Antworten und Lösungen für die damit verbundenen Herausforderungen. Es gehört zu den Essentials unseres Selbstverständnisses als katholische Laien, dass wir nicht abseits stehen, uns nicht abwenden oder wegducken, sondern dass wir mittendrin stehen in unserer Welt. Christen sind keine frömmelnden Sonderlinge – Christen haben und übernehmen Verantwortung – für unsere Kirche und in unserer Gesellschaft! Katholikentage sind Orte, an denen das zum Ausdruck kommt, in aller Öffentlichkeit und unter reger Beteiligung der Öffentlichkeit.
Profil geben
Folgerichtig kennt ein Katholikentag zunächst einmal keine thematische Beschränkung. Alles, was Menschen beschäftigt und umtreibt, was sie besorgt macht und natürlich auch das Schöne in unserer Welt – oder wie es am Anfang der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils heißt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen“ – all das gehört zu einem Katholikentag. Dennoch tun wir gut daran, jedem Katholikentag zusätzlich ein besonderes Profil zu geben. Deshalb steht am Anfang eines Planungsprozesses immer die Suche nach einem solchen Spezifikum, nach diesem Surplus, das dem nächsten Katholikentag einen eigenen Akzent verleiht und ihn unverwechselbar macht, weil es ihn gerade mit dieser thematischen Schwerpunktsetzung von anderen unterscheidet.
Friedensstadt Münster
In der Stadt Münster und im Blick auf das Veranstaltungsjahr des 101. Deutschen Katholikentages 2018 haben wir nicht lange nach einem solchen unverwechselbaren Generalthema suchen müssen. Münster trägt den Beinamen Friedenstadt. Münster wurde – zusammen mit Osnabrück – zur Friedensstadt, nachdem in dem grausamsten Krieg der frühen Neuzeit über drei Jahrzehnten hinweg Millionen Menschen hingeschlachtet und ganze Länder Europas verwüstet worden waren und man 1648 endlich, endlich hier Frieden schließen konnte. Dreißig Jahre zuvor, 1618 - im Katholikentagsjahr dann also vor genau 400 Jahren - wurde dieser von den Menschen damals als wahrer Weltenbrand empfundene Krieg entfacht. Daran werden wir beim Katholikentag 2018 denken.
Und wir werden noch an einen weiteren grausamen Krieg erinnert werden, in dessen Verlauf ebenfalls unvorstellbare Gräuel stattgefunden haben, und der wieder millionenfaches Leid über Europa gebracht hat. 100 Jahre wird es dann her sein, dass der 1. Weltkrieg, als die Völker ausgeblutet und die Überlebenden restlos erschöpft waren, im Herbst 1918 zu Ende ging.
Mehr als Abwesenheit von Krieg
1618 und 1918: Beide Jahreszahlen und die damit verbundenen Ereignisse werden beim kommenden Katholikentag also eine Rolle spielen. Aber ein Katholikentag ist kein Historikerkongress. Pax optima rerum – Der Friede ist das höchste aller Güter – dies war nicht nur eine Erkenntnis am Endes des Dreißigjährigen Krieges. Diese Erkenntnis gilt für immer. Jeder Mensch sehnt sich nach Frieden. Gewiss: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts! Frieden ist weit mehr als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Und unsere tiefe Sehnsucht nach Frieden ist deshalb mehr als der Wunsch, von Krieg verschont zu bleiben. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, dass seit Jahrtausenden und in vielen Kulturen die denkbar kürzeste Formel für einen Willkommensgruß der Friedensgruß ist: Pax – Schalom – Salam. Nehmen Sie einmal die Bibel zur Hand und Sie werden feststellen: Es wird Ihnen keine Formulierung so oft begegnen wie „Der Friede sei mit dir!“ oder „Der Friede sei mit euch!“. Es ist der Wunsch nach einem allumfassenden Frieden, nach äußerem und nach innerem Frieden! Nach einem Versöhnt-sein mit sich und der Welt, mit sich und Gott. Denn in einem solchen Friedensgruß
schwingt auch diese Dimension mit: Frieden ist ein Geschenk. Wer im Frieden leben kann, ist mit Kostbarem beschenkt, vielleicht mit dem Kostbarsten, das ein Menschenleben zu bieten hat.
Ein Gestaltungsauftrag
Aber irdischer Friede ist nicht nur Gnade und Gottesgeschenk! Wir müssen uns dafür schon auch einsetzen, daran arbeiten, und immer wieder neu nach Wegen zum Frieden suchen. Schauen wir noch einmal in die Bibel, in das sog. Alte oder Erste Testament. Dort heißt es im 34. Psalm: „Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach!“ (Ps 34,15). Klare Ansagen! Man muss weder Jude noch Christ sein, um sagen zu können: Habe verstanden! Wir sollen nach Frieden suchen, im sogar nachjagen, sprich: Nicht nur nach ihm „suchen“, sondern uns auch ehrlich bemühen, ihn zu finden. Wir sollen an seinem Zustandekommen mitwirken, wann und wo immer es uns möglich ist. Also: Suche Frieden!
Suche Frieden? Ist es Ihnen aufgefallen? Es ist ein sprachliches Vexierbild. Denn stellen Sie sich vor, Sie gehen in irgendeinem Institut der Universität Münster an einem Schwarzen Brett vorbei und ihnen springt ein angepinnter Zettel ins Auge, auf dem steht „Suche Frieden“ – neben anderen Zetteln mit „Suche WG“ oder „Suche Job während der Semesterferien“.
Aufschlussreich mehrdeutig
Suche Frieden – das kann also auch bedeuten: Ich suche Frieden. Ich habe keinen Frieden. Wie kann ich meinen Frieden wieder finden? Wer könnte diesen Zettel „Suche Frieden“ geschrieben haben? Ein Student, der nach 14 Semestern auch die letzte Chance für einen Studienabschluss vertan hat und deshalb verzweifelt auf verlorene Jahre seines Lebens zurückschaut? Eine aus Syrien geflüchtete Frau, die im Bürgerkrieg nicht nur ihren Ehemann und alles Hab und Gut, sondern auch jede Hoffnung auf eine Zukunft für sich und ihre Kinder verloren hat? Oder eine Frau aus meiner Nachbarschaft, die nicht die Kraft findet, aus einer zerrütteten Ehe auszubrechen? Ein aus dem Kongo stammender junger Mann, der die Traumata seiner Erlebnisse als Kindersoldat nicht überwinden kann? Vielleicht eine alte Frau, die seit Jahren im Streit mit ihren Kindern lebt? Oder jemand, der jeden Glauben an das Gute in dieser Welt verloren hat?
Suche Frieden. So lautet das Leitwort des 101. Deutschen Katholikentags. So hat es der Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in seiner Sitzung am 9. September einstimmig beschlossen. Er ist damit einem Vorschlag gefolgt, für den sich die Leitung des Katholikentags am vergangenen Mittwoch nach eingehender und sehr konstruktiver Beratung ebenfalls einstimmig ausgesprochen hatte. In beiden Gremien hat gerade das Doppeldeutige dieser kurzen Formulierung überzeugt, weil es eine thematische Fokussierung ermöglicht und dennoch die für einen Katholikentag notwendigen verschiedenen Blickrichtungen eröffnet. Wir werden in den kommenden Monaten daran arbeiten, dem 101. Deutschen Katholikentag ein solches Profil zu geben.