Nach dem Brexit die Würde, die Demokratie und den Dialog bewahren

Gemeinsame Erklärung von SSF, ZdK und ZNAK zum Brexit

Als Christen, die wir in unserem Land engagiert an einer Vertiefung der Union zwischen den europäischen Völkern arbeiten, empfinden wir in diesen Tagen große Trauer angesichts der demokratischen Entscheidung des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen.

Trauer, weil uns die neue Situation nach dem 23. Juni 2016, mit einer Vielzahl von Unsicherheiten und instabilen Umständen konfrontiert, während die Union vor neuen Herausforderungen steht, die eigentlich mehr Einheit erforderlich machen würden. Trauer auch deshalb, weil diese Entscheidung ein enormes Ausmaß von Verständnislosigkeit und Frustration über Europa selbst aufdeckt. Das geht weit über das Vereinigte Königreich hinaus. Unverständnis und Frustration durchziehen auch, wie ein Graben, jedes unserer Länder. Dieser Graben bezeugt ein Versagen, das auch unser Versagen ist: Es ist uns nicht gelungen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von der historischen Kraft des Projektes zu überzeugen, aus der diese Europäische Union geboren wurde.

Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel innerhalb des Europäischen Rates am 28. und 29. Juni konnte diese Unsicherheiten nicht ausräumen. Obgleich sie ihre Sorge über die Einheit der 27 sowie ihre Verbundenheit mit den grundlegenden Errungenschaften Europas bestätigen, bleiben sie mit Blick auf die politischen Lehren, die aus dieser großen Erschütterung zu ziehen sind, sehr vage. Zu unserem großen Bedauern zeigt dies, wie schwierig eine gemeinsame Orientierung und Vision ist.

Und dennoch muss man auf dem Höhepunkt der Krise einen gemeinsamen Ausweg finden. Dies wird umso mehr gelingen, je mehr die europäischen Verantwortlichen, die mit dieser ebenso drängenden wie historischen Mission beauftragt sind, von den Grundsätzen inspiriert sind, die bislang die beste und dauerhafteste europäische Konstruktion sicherstellen konnten. Europa hat nur eine Chance, wenn in den Verhandlungen die Würde, die Treue zur Demokratie, und die Dialogbereitschaft bewahrt bleiben.

Würde schließt Standfestigkeit nicht aus. Sie verhindert, dem Geist der Vergeltung nachzugeben. Sie erkennt an, was man einander schuldet. Auf diese Weise werden die Chancen für einen ehrenvollen und zukunftsträchtigen Vertragsabschluss zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union gewahrt. Der Geist der Demokratie muss dazu führen, dass wir die Entscheidungen der Völker respektieren. Gleichzeitig muss er dazu beitragen, unsere Institutionen und politischen Maßnahmen weiterzuentwickeln, damit sich auch die von den Entscheidungszentren am weitesten entfernten Mitbürgerinnen und -bürger gehört und geschützt fühlen. Die Dialogbereitschaft trägt dazu bei, unermüdlich über die vielfältigen Positionen hinweg ein gemeinsames Wertefundament zu entwickeln, und zwar mit jenen Werten, die die europäische Zivilisation begründen.

Die Brexit-Entscheidung muss für uns als europäische Gesellschaft eine entschiedene Gewissensprüfung nach sich ziehen. Sie gibt uns auch Anlass zum Einfallsreichtum, zur Erneuerung unserer europäischen Visionen und auch zum Überdenken der Erwartungen an die Europäischen Institutionen. Wir müssen   unserer Verantwortung gegenüber der jungen Generation, die offenkundig an der EU festhält und für die Europa "unsere Zukunft" bleibt, in vollem Umfang gerecht werden.

So wichtig die kritische Reflexion ist: Es darf nicht in Vergessenheit geraten, wie notwendig die Union der europäischen Völker ist und wie unverzichtbar solide und zuverlässige Institutionen für sie sind. Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen vor denen die wir mit Blick auf Umweltfragen, Migration, Arbeitslosigkeit und die Entwicklung der Völker aus benachbarten Staaten und aus Afrika stehen, können wir nur unser Vertrauen in den langen und geduldigen Weg ausdrücken, der schon einmal den Konflikten zwischen den Nationen ein Ende bereitet und der zu einem Bündnis der gegenseitigen Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respektes geführt hat.

 

Dominique Quinio, Präsidentin der Semaines Sociales de France/Frankreich (SSF)
Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) 
Henryk Woźniakowski, Präsident der Verlagsgruppe ZNAK/Polen 
 

Sur le site de Semeines Sociales de France 

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