„Keine Gewalt im Namen Gottes!“ Christen und Muslime als Anwälte für den Frieden
Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick und Hamideh Mohagheghi im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir freuen uns sehr, Ihnen im Rahmen dieser Versammlung unsere Erklärung vorstellen zu dürfen.
- 1. Einführung: Zum Anliegen des Gesprächskreises
Der Gesprächskreis „Christen und Muslime“ beim ZdK nimmt sich seit über zehn Jahren der gesellschaftlich und politisch relevanten Diskurse in Deutschland an. Über die Themen, die in besonderer Form die Menschen bewegen und aktuell kontrovers diskutiert werden, positioniert sich der Gesprächskreis in öffentlichen Erklärungen. Seit einigen Jahren ist das Thema „religiös motivierte Gewalt“ durch die exzessive und menschenverachtende Gewaltanwendung einiger muslimischer extremistischer Gruppierungen das Thema, dass allen Menschen – Muslimen wie Nichtmuslimen – Sorge bereitet.
Die vorhandenen Ängste führen zum Teil zu Pauschalisierungen und der Annahme, dass der Islam an sich eine gewaltfordernde Religion sei und gläubige Muslime zwangsläufig aus ihrem Glauben heraus Gewalt bejahten: ein komplexes Problem, das nicht einfach zu lösen ist.
Wir haben im Gesprächskreis eine gute Basis über die schwierigen Fragen zu diskutieren. Nach langen Jahren intensiver Zusammenarbeit sind Vertrauen und Empathie gewachsen. Und wir haben fachliche Ressourcen, um jenseits vom emotionalen Diskursklima sachlich und fundiert die Dinge anzusprechen und sich darüber Gedanken zu machen. Vor ca. anderthalb Jahren schien uns das Thema „religiös motivierte Gewalt" zentral, vor allem weil uns die Debatten darüber einseitig und zum Teil diffamierend schienen. Uns war wichtig, in einer Erklärung darzulegen, dass keine Religion immun gegen Radikalisierung ist und dass wir eingestehen müssen, dass die Schriften der Religionen aufgrund ihrer Entstehungszeit und ihres Entstehungsprozesses durchaus Aussagen beinhalten, die instrumentalisiert werden können.
Wir möchten deutlich machen: Christen und Muslime können sich aus ihren Quellen und ihrer Geschichte heraus bewusst und überzeugend als Anwälte des Friedens verstehen. Sie können einerseits stolz auf die Initiativen zurückgreifen, die diesen gefördert und gefordert haben. Es ist aber andererseits ein wichtiger Schritt, gegen Überheblichkeit in Demut und wahrhaftig einzugestehen, dass im Namen beider Religionen auch sehr viel Unheil angerichtet wurde.
Beide Aspekte sollten in der gerade erschienen Erklärung dargelegt werden.
Die Erklärung ist wie folgt gegliedert:
Den ersten Teil der Erklärung „Ausgangspunkte“ beginnen wir mit der festen Überzeugung, dass wir Christen und Muslime trotz „gewaltvoller Wirklichkeiten“ an Gottes Gerechtigkeit, Güte und Barmherzigkeit glauben. Wir sind davon überzeugt, dass „Gottes Zusage und Wegleitung“ uns aufruft, jeder Form von Gewalt, Unterdrückung, Unrecht, Not und Angst entgegen zu treten.
Im zweiten Kapitel „Heilige Schriften: Von Irrwegen und Orientierungen“ widmen wir uns unseren Schriften, Bibel und Koran. Während wir unsere erste Aufgabe darin sehen „ die handlungsorientierenden, sinn- und friedensstiftenden Gehalte unserer jeweiligen Heiligen Schriften in unserem Leben sichtbar zu machen und gesellschaftlich positiv zum Tragen zu bringen, wissen wir wohl, dass einige Inhalte dieser Bücher nach bestimmten Lesarten problematisch sind. Exemplarisch nennen wir hierzu einige Beispiele.
Die Ablehnung von „Gewalt im Namen der Religion heute, ist das Thema des 3. Kapitels. Darin stellen wir fest, dass diese Gewalt heute viele Gesichter hat und eine Herausforderung für die Religionsgemeinschaften ist, das vierte Kapitel (Zur Islamdebatte und Islamfeindschaft) schließlich wendet sich der gegenwärtigen Debatte über den Islam und die Muslime in Deutschland zu.
Schließlich im letzten Kapitel (Selbstverständlich friedlich) ist unser zukunftsorientiertes Anliegen dargelegt, indem wir ausdrücklich erwähnen, „dass unser Bekenntnis eben nicht zu Gewalt, Terror und Konflikten führt, sondern zu Versöhnung, Verständigung, Ausgleich und friedlicher Konvivenz.“
Es ist uns – besonders als Muslime – sehr bewusst, dass wir durchaus für eine Tradition stehen, die aktuell in den Schatten der Gewalt gestellt wird. Wir möchten dazu beitragen, „dass unsere Religionen wieder stärker in ihren positiven Potentialen gesellschaftlich sichtbar werden.“ Hierzu nennt die Erklärung abschließend auch einige Initiativen, die bereits für dieses Ziel arbeiten.
2. Keine Gewalt im Namen Gottes - Einige zentrale Aussagen
Wenn Sie die Erklärung aufschlagen, werden Sie sehr schnell herausfinden, worum es uns geht. Ich erlaube mir einige der Eingangssätze zu zitieren:
1. Gott zur Rechtfertigung von Tötungen und Gewalttaten in Anspruch zu nehmen, ist Gotteslästerung. In unseren Reihen muss dies nicht eigens unterstrichen werden, aber es kann nicht oft genug betont werden: Es gibt keine „Gewalt im Namen Gottes“. Niemand, der sich anmaßt im „Namen Gottes“ gegen jemand anderes auch nur drohend die Hand zu erheben, handelt christlich, muslimisch oder jüdisch. Gewalttaten sind vielmehr Ausdruck von Sünde und Unglauben.
2. Heilige Kriege gibt es nicht. Ziel Gottes ist der gerechte Friede. Daran muss sich menschliches Handeln ausrichten. Es ist eine gemeinsame Aufgabe von christlichen und muslimischen Gläubigen, den Frieden zu bewahren, zu befördern und zu erneuern. Sie alle wissen: Im Laufe der Geschichte beider Religionen hat es immer wieder religiös motivierte Gewalt gegeben, auch gegeneinander, - bis heute. Es gab und gibt zweifelsohne Kriege, Kämpfe, Machtstreben, Unterdrückung, Ausgrenzung, Vertreibung, Folter, Verletzungen und Missbrauch von Menschen. Jedoch wissen wir, dass all dies eine Verkehrung des Friedensauftrags ist.
Der nächste Satz lautet:
3. Als Christen und Muslime verurteilen wir jedweden Fundamentalismus, Radikalismus, Fanatismus und Terrorismus.
Gemeint ist an dieser Stelle jede Form von Fundamentalismus, Radikalismus, Fanatismus und Terrorismus, auch solche, die sich nicht explizit in das Kleid der Religionen hüllt.
Auch wenn unsere Verurteilungen nicht immer und überall Gehör finden werden, sie sind doch nötig. Wir alle dürfen nicht müde werden, zu widersprechen und zur Gegenrede anzusetzen. Dies gilt in unserem Land nicht erst dann, wenn rechte Parolen zu radikalen Ausschreitungen gegenüber Minderheiten führen, sondern bereits dann, wenn rechte Parteien das gesellschaftliche Klima vergiften und mit rassistischen und islamfeindlichen Positionen auf Wählerfang gehen. Ich begrüße an dieser Stelle ausdrücklich die Entscheidung des ZdK, die AfD nicht am Katholikentag zu beteiligen.
Auch der nächste Satz scheint uns allzu selbstverständlich:
4. Bibel und Koran wollen die Menschen zu Gerechtigkeit und Frieden führen. Dem Missbrauch der Heiligen Schriften muss immer wieder entgegengetreten werden. Alle Möglichkeiten der Kommunikation und Aufklärung sind zu nutzen. Schule und Studium, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung sowie die neuen sozialen Medien bieten Chancen dazu. Für diese Arbeit müssen wir uns nach Kräften stark machen! Religion braucht religiöse Bildung, Wissen über die Schriften und das Leben aus den Schriften. Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit hat eine derart ausgeformte Haltung zur seiner Voraussetzung.
5. Die Ausbreitung des Glaubens darf niemals mit Zwang und Gewalt geschehen. „Kein Zwang im Glauben“, sagt der Koran. Als Christinnen und Musliminnen sind wir uns einig: Das Geschenk des Glaubens kann nur in Mitmenschlichkeit, Freundschaft, Nähe, friedvollem Umgang und im Einsatz für eine gerechte Gesellschaft bezeugt werden.
Der nächste Punkt ist mir besonders wichtig, daher möchte ich ihn als Zitat aus der Erklärung vorlesen:
6. „Wir sprechen uns gemeinsam für die Achtung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit aus. Wir sehen uns verpflichtet, nicht nur die je eigene Religionsfreiheit und die je eigenen Rechte auf freie Ausübung der Religion einzufordern, wo Christen oder Muslime in der Minderheit sind, sondern die Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften zu achten und innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft füreinander Partei zu ergreifen. Dies schließt ein, gegen die Verfolgung und Benachteiligung von Christen, die derzeit vor allem in zahlreichen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern geschieht, genauso wie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Muslimen in Europa zu protestieren. Für die Religionsfreiheit einzutreten bedeutet, dass jeder seinen Glauben offen leben kann und schließt das Recht ein, die Religion zu wechseln oder keiner Religion anzugehören.“[Zitatende]
In diesem Sinn ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für uns unhintergehbar.
7. Feindbilder sind zu erkennen und zu überwinden. Der wachsenden Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa muss durch Aufklärung und Begegnung entgegengewirkt werden. Gläubige sollten sich um interreligiöse wie interkulturelle Kompetenz bemühen. Christinnen und Christen brauchen Basiswissen über den Islam, Musliminnen und Muslime brauchen Basiswissen über das Christentum. Notwendig sind jedoch vor allem Begegnung, Kennenlernen und Freundschaften. Das alles klingt in Ihren Ohren vielleicht auch selbstverständlich, vielleicht sogar ein wenig banal. Aber nichts ist derzeit wichtiger als Begegnung, Kennenlernen und Freundschaften. Wer keine muslimischen oder christlichen Freundinnen und Freunde hat, muss zwangsläufig Bilder von den anderen Gläubigen konstruieren. Begegnung verändert Fantasiegebilde von „dem“ Islam oder „den“ Protestanten oder „den“ Katholikinnen.
Der nächste Punkt zeigt auf, dass friedliches Handeln erlernt werden muss und Beispiele braucht, Er lautet:
8. „Gewaltprävention ist eine Aufgabe für alle religiösen Menschen und deswegen auch eine interreligiöse Aufgabe: Überwindung von Gewalt, Verzicht auf Gegengewalt kann und muss erlernt und eingeübt werden. Im Vertrauen auf Gott sich selbst zurückzunehmen, ist ein Schritt, um eine friedliebende Haltung und menschenfreundliche Verhaltensweise zu finden. Das gilt für den Lebensalltag wie für internationale Zusammenhänge.“
3. Bibel und Koran - gedeutet von Menschen
Im zweiten Kapitel der Erklärung widmen wir uns der Bibel und dem Koran. Wir stellen fest, dass die Schriften durch Menschen zum Sprechen gebracht werden. Diese Weisheit wird uns durch eine Überlieferung von Imam Ali aus der islamischen Tradition mitgeteilt. Es sind Menschen, die die Schrift deuten, auslegen und das eigene Handeln damit begründen. Weil die Menschen dies gewöhnlich aus ihren Kenntnissen heraus und bezogen auf ihre Lebensrealität tun, liegen Chance und Gefahr beieinander. Die Chance liegt darin, dass durch die Interpretation die Schrift lebendig bleibt und immer aktuell den Menschen etwas mitteilen kann. Die Gefahr liegt darin, dass die Menschen aus Eigeninteresse und Selektive ihre eigene Interpretation als Legitimation für ihrer (Un)taten verwenden.
Wir stellen fest, dass es zwischen Bibel und Koran bezogen auf ihren Redaktionsprozess und ihre Wirkungsgeschichte durchaus Unterschiede gibt, und dennoch stellen wir fest, dass die beiden Schriften vielfach zu Gerechtigkeit und Frieden aufrufen.
Die biblischen Schriften bezeugen einen Gott, der rettend in die Geschichte des Volkes Israel eingreift. Gott wird in den Erzählungen und Gebeten der Bibel sehr häufig um ein Ende der Gewalt angerufen. Die Menschen vertrauen seiner Verheißung und der Vision eines Lebens in Frieden und Gerechtigkeit. Gott will das Leben der Menschen und nicht ihre Vernichtung, wie es bei Matthäus heißt.
Zu den Geboten Gottes im Koran gehört der Einsatz für Gerechtigkeit und für das Gute und das Unterlassen von verwerflichen Handlungen und Gewalt - und dass die persönlichen Affinitäten nicht dazu verleiten sollen, ungerecht zu handeln und dadurch Feindschaft und Unfrieden zu erzeugen. Der barmherzige Schöpfer teilt seine Botschaft Kraft des Wortes und durch Erzählungen mit, dadurch werden die Prinzipien des Glaubens über Generationen weiter tradiert, und damit bleibt das Wort Gottes lebendig in der Erinnerung der Menschen.
Uns ist aber auch bewusst, dass es in der Bibel und im Koran Aussagen gibt, die wörtlich bzw. ohne ihren weiteren Zusammenhang gelesen, ein enormes Gewaltpotenzial beinhalten.
Die einzelnen Aussagen kontextlos zu betrachten und als Leitsatz für die Rechtfertigung der Handlungsweise zu propagieren, ist gefährlich und mit dem Selbstverständnis des Koran nicht zu vereinbaren. Die Befehlsform kann als unmittelbares Gebot Gottes missverstanden werden, wenn die Aussage allein betrachtet wird.
Kritiker und Gegner der Religionen nehmen diese Aussagen als Beleg dafür, dass die Religionen per se Gewalt verherrlichen und zur Gewalt aufrufen. Die Gefahren des Missbrauchs der Heiligen Schriften führen derzeit zudem terroristische und extremistische Gruppierungen allzu deutlich vor Augen.
Wir sind davon überzeugt, dass wir Christen und Muslime aufgefordert sind, gemeinsam dem Friedenpotenzial der Schriften mehr Ausdruck zu verleihen, und uns auch ihr Gewaltpotenzial zu stellen. Durch Verortung in der Historie können wir Bibel und Koran besser verstehen und ihre überzeitlichen Mitteilungen erschließen.
4. Keine Islamfeindschaft, sondern Freundschaft unter den Gläubigen
Die Intentionen des dritten Kapitels unserer Erklärung, das sich der gegenwärtigen Situation zuwendet, sind mit den Eingangsthesen bereits recht deutlich geworden. Ich möchte an dieser Stelle daher nur noch zum vierten Abschnitt ein paar Anmerkungen machen.
Der Abschnitt widmet sich der Islamdebatte und der Zunahme der Islamfeindschaft in Deutschland. Schon in den 1980er Jahren hat sich in Bezug auf die Muslime in Deutschland der Ausdruck von der „friedliebenden Mehrheit“ etabliert. Von einer solchen „friedliebenden Mehrheit“ der in den Zeiten von „Multi-Kulti“ auch weitgehend unhinterfragt ausgegangen wurde. Dieser Rede von der „friedliebenden Mehrheit der Muslime“ wird gegenwärtig zunehmend misstraut und es wird unterstellt, Gewalt sei dem Islam geradezu „wesensimmanent“.
Dem widersprechen wir entschieden und halten daran fest:
Die Mehrheit der Muslime ist friedliebend. Das ist ein klar belegbares Faktum. Von den schätzungsweise fünf Millionen Muslimen in Deutschland gelten laut Verfassungsschutzbehörden weniger als ein Prozent als radikal, von denen wiederum ein sehr kleiner Prozentsatz gewaltbereit ist.
Die friedliebende Mehrheit weiß um ihr beschädigtes Ansehen und stellt sich kritischen Anfragen. Denn sie erfährt tagtäglich die breite Hinnahme ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung und die Akzeptanz der Vorverurteilung in allen Milieus und Schichten.
Die friedliebende Mehrheit distanziert sich von Gewalt. Die muslimischen Verbände und Moscheegemeinden müssen dabei von Christinnen und Christen tatkräftig unterstützt werden.
Das möchten wir auch mit Hilfe der Erklärung, aber zum Beispiel auch, in dem wir uns lokal entsprechend engagieren.
Es ist brandgefährlich, wenn Islamfeindlichkeit alltäglich wird. Islamfeindschaft ist ebenso unchristlich wie Judenfeindlichkeit. Beides ist menschenverachtend und zerstört die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben.
Als Katholikinnen und Katholiken sollten wir uns an dieser Stelle auf das Zweite Vatikanische Konzil besinnen, dass uns dazu verpflichtet, unseren muslimischen Glaubensgeschwistern mit Hochachtung und Wertschätzung zu begegnen.
Ich zitiere nur den ersten Satz von Nostra Aetate 3:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.“
In Bezug auf die aktuell zu uns flüchtenden Menschen, gestatten Sie mir noch eine Anmerkung, da sich an der Flüchtlingsdebatte neuerdings so vieles für das christlich-muslimische Gespräch entzündet. Viele der Flüchtlinge sind muslimisch geprägt, andere sind christlichen Glaubens und wieder andere sind gar nicht religiös. An ihnen allen aber können wir uns als Mitmenschen erweisen, indem wir unsere Türen und Herzen weit öffnen und durch integrierendes Handeln friedenstiftend wirken. Interreligiöse Projekte sind daher auch in der Flüchtlingsarbeit von überaus großer Bedeutung, weshalb es mich sehr freut, dass die Deutsche Bischofskonferenz diese Arbeit nun verstärkt fördern wird. Schließen möchte ich meinen Teil mit einem Satz aus dem Buch Levitikus, der einen hohen Anspruch an uns Gläubige richtet:
[…]
Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande,
den sollt ihr nicht bedrücken.
Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch,
und du sollst ihn lieben wie dich selbst;
denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.
Ich bin der HERR, euer Gott.
Levitikus 19, 33-34
5. Gewalt überwinden - Anwältinnen für den Frieden sein!
„Die Bibel appelliert an die Verantwortung der Menschen, für einander und damit für den Frieden. Die Bibel weiß um den Hang der Menschen zu Gewalt und Zwietracht und ruft daher zur Gewaltfreiheit auf. Der Friede ist nicht primär menschliche Leistung, sondern Gottes Gabe. Der Friede, den Jesus Christus wirkt, überbietet die menschliche Dimension. Sie kennen den Satz aus dem Johannesevangelium:
„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Joh 14,27)
Auch der Koran kennt die menschliche Schwäche und Unzulänglichkeit und setzt den Verzicht auf Rache und Gewalt mit der Stärke des Glaubens in Beziehung. An den Stellen in denen er die Gewohnheiten der Offenbarungszeit aufnimmt, fordert er die Menschen ausdrücklich, auf den Weg des Ausgleichs und der Versöhnung zu wählen: „Die Vergeltung für einen Schaden ist ein Schaden im gleichen Maße. Wer aber vergibt und Besserung bewirkt, dessen Lohn obliegt Gott. Gott liebt die Ungerechten nicht. Diejenigen, die sich wehren, wenn ihnen ein Unrecht zugefügt wird, trifft kein Vorwurf.“ (Q 42:40-41) Es gilt als ein Gebot, in Begegnung mit dem Feind das Schlechte mit etwas Gutem zu beantworten, und zugleich wird darauf hingewiesen, dass diese Haltung denjenigen gelingt, die Kraft ihres Glaubens geduldig sind, und sie werden selig sein:
„Die gute und schlechte Tat sind nicht einander gleichzusetzen. Entgegne dem Bösen mit etwas, was besser ist! Und wenn zwischen dir und ihm eine Feindschaft besteht, wird er dann wie ein enger Freund werden. Dies werden nur diejenigen vollbringen, die geduldig sind, und nur die, die selig sind.“(Q 41:34-35)
Wir leben in einer bewegten Zeit, in der wir alle Kräfte benötigen, um uns gemeinsam um die Menschen zu kümmern, die unter unwürdigen Zuständen leben. In einer Zeit, in der Profit und Gewinn die Maßstäbe vorgeben. In einer Zeit, in der zahlreiche Menschen in Angst und Sorge um ihre Existenz leben und keine Perspektive für die Zukunft sehen. In einer Zeit, in der die religiösen und nationalistischen extremen Ideologien Zuspruch finden. Die latente und offene Ablehnung, Erniedrigung und der Hass gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden schlagen in exzessive Gewalt um. Es ist eine große Verantwortung und Herausforderung, sich mit vereinigten Kräften dagegen zu stellen.
Lassen Sie uns aus Liebe zum Glauben in Demut und wahrhaftig aus dem tiefen Glauben heraus Versöhnungs- und Friedenspozential unserer Religionen stärken. Lassen Sie uns gemeinsam für den Frieden beten und Gott darum bitten, uns Kraft zu schenken und über unsere Differenzen hinaus uns gemeinsam der Verantwortung stellen, für die Gott uns erschaffen hat.
Gebet um Frieden
Barmherziger Gott,
unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.
An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen,
dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,
nicht von Hunger und Furcht gequält,
nicht zerrissen in sinnlose Trennung
nach Volk, Hautfarbe oder Religion.
Du hast uns erschaffen,
damit wir miteinander in Frieden leben,
als Schwestern und Brüder.
Gib uns Mut, Ideen und Kraft,
miteinander für mehr Gerechtigkeit und Frieden
auf dieser Erde zu arbeiten.
Lass uns heute damit beginnen.
Wir vertrauen auf Deine Hilfe.
Sei gelobt und gepriesen.
Amen.
(nach dem Gebet der Vereinten Nationen)
Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick & Hamideh Mohagheghi