In gemeinsamer Verantwortung

Birgit Mock, familienpolitische Sprecherin des ZdK, zum nachsynodalen Schreiben von Papst Franziskus "Amoris laetitia" über die Liebe in der Familie - es gilt das gesprochene Wort

Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Amoris Laetitia ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Dokument. Dies ist schon in seiner Entstehungsgeschichte angelegt. Ich bin unserem Papst dankbar dafür.

Mit der Einberufung der Bischofssynode hat Papst Franziskus ein wichtiges Zeichen gesetzt für eine neue Haltung des Zuhörens in der Kirche. Viele Gläubige haben ihre Lebenswirklichkeit eingebracht. Ihre Antworten kamen ungeschminkt und zeugten von Freude und Schmerz, Dankbarkeit und Sorge, von erfüllenden und belastenden Erfahrungen in der Familie. Gemeinsam war ihnen die Sehnsucht danach, dass Beziehungen gelingen und dass sie in Liebe gelingen. Welch ein ermutigendes Ergebnis für die Ehe- und Familienpastoral in unserer Kirche!

Das lenkt den Blick darauf, dass die Verantwortung für das Gelingen von familiären Beziehungen zuerst in den Familien selbst liegt, bei allen beteiligten Familienmitgliedern, Frauen und Männern, Kindern und Eltern. Und so adressiert Papst Franziskus sein nachsynodales Schreiben sicher ganz bewusst an Bischöfe, Priester, Diakone, weitere Personen des geweihten Lebens und gerade auch an die christlichen Eheleute und Laien.

Die Einheit in der Vielheit

Die Entstehung von Amoris Laetitia war eine Erfahrung von Weltkirche. Davon ist das nachsynodale Schreiben geprägt. Es nimmt Bezug auf die Vielfalt der „Geschichten der Liebe und auch der Familienkrisen", mit denen schon die Bibel "bevölkert" ist (AL 8). Diese Zusammenschau tut uns in Deutschland und in Europa gut, sie lässt uns Deutsche aber auch darauf hoffen, dass wir in der Welt mit unserer Situation gesehen werden.

Papst Franziskus findet achtsame Worte für das Umgehen mit dieser Erfahrung: „Außerdem können in jedem Land oder in jeder Region besser inkulturierte Lösungen gesucht werden, welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen“ (AL 3). Er schlägt damit nicht nur eine pragmatische Lösung vor, wie wir mit der Unterschiedlichkeit der Menschen und den Ungleichzeitigkeiten der gewachsenen Kulturen zurechtkommen können. Er nimmt vielmehr eine geistliche Haltung ein, die an Nikolaus von Kues (1401 – 1464) erinnert, den deutschen Theologen, Mathematiker und Philosophen, der in der Vielheit der Welt das Wesen Gottes als Einheit erkannt hat.

Das Volk Gottes unterwegs

Das Schreiben Amoris Laetitia fällt in Deutschland in eine bewegte Zeit voller Auf- und Umbrüche. Als katholische Laien haben wir uns in einer zweijährigen Konsultation mit Familienbeziehungen befasst und 2015 unsere Botschaft zur Familiensynode unter dem programmatischen Titel „Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen – Familie und Kirche in der Welt von heute“ veröffentlicht. In vielen deutschen Bistümern haben Prozesse begonnen, die sich mit dem Zukunftsbild unserer Kirche insgesamt befassen. Deutschlandweit fand der überdiözesane Gesprächsprozess (2011-2015) in Würzburg seinen Höhepunkt in der gemeinsamen Verständigung über Bausteine für eine Reform des kirchlichen Lebens.

Viele Fragen treiben uns um. Einige seien hier genannt: Wie begleiten wir (junge) Paare, die nicht verheiratet sind? Wie begleiten wir Paare in einer homosexuellen Beziehung? Finden wir als Kirche zu Fragen der Sexualmoral (auch jenseits von Empfängnisregelung) in der Gesellschaft überhaupt noch Gehör? Welche Wege echter Teilhabe eröffnen wir Gläubigen, die nach einer Scheidung wieder heiraten und in der Kirche beheimatet sind?

Wir erleben, dass die Kluft zwischen kirchlichen Normen und Lebenswelt der Gläubigen kein Randphänomen ist, sondern die Mitte des Kirchenvolkes betrifft. Das führt bei Katholikinnen und Katholiken zu einer inneren Distanzierung bis hin zur Gleichgültigkeit gegenüber kirchlichen Angeboten.

Kirche als Heimat

Mit dem Stil und den Inhalten seines Schreibens hat Papst Franziskus wichtige Maßstäbe für die Zukunft der Kirche gesetzt. Er wendet sich mit großer Sympathie und Achtung den Menschen und den Familien dieser Zeit zu, so wie sie sind. Er verurteilt nicht, er nimmt Anteil. Papst Franziskus geht einen Weg, um Menschen in der Kirche (wieder) Heimat zu geben. Er begibt sich dabei mitten in das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Orientierung hinein. „Wir sind berufen die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen“ (AL 37).

Amoris Laetitia zeugt von dem großen Vertrauen in die Menschen, gewissenhaft handeln zu können. Das spricht Papst Franziskus Paar- und Familienbeziehungen zu und Seelsorgerinnen und Seelsorgern in ihrer familienpastoralen Arbeit.

In gemeinsamer Verantwortung

Zwischen Orientierung und Freiheit gehen wir den Weg auch in Deutschland weiter. Wir werben für die Ehe als "wohltuendes Versprechen in einer unübersichtlichen Welt“ (Hannah Arendt). Wir machen Mut zur Entscheidung für Kinder. Wir achten Lebensgemeinschaften, in denen wie in einer Ehe Werte wie Treue, Verlässlichkeit und Solidarität verwirklicht werden. Zusammen mit Papst Franziskus bekennen wir uns zur „identischen Würde“ von Frauen und Männern (AL 54).

Von Papst Franziskus fühlen wir uns ermutigt zum Gelingen von Beziehung beizutragen - in gemeinsamer Verantwortung für die Kirche.

 

Birgit Mock familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK)

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