Die Zukunft weltweit nachhaltig gestalten – Hunger und Armut beenden.

Impulspapier zur Rolle Deutschlands bei der Umsetzung der globalen Agenda 2030

Hunger und Armut weltweit zu beenden und allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, ist das Ziel der im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung". Die globale Agenda 2030 gilt als neues Leitbild globaler Entwicklung und umfasst im Kern 17 nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) mit 169 Unterzielen. Die Agenda 2030 folgt auf die im Jahr 2001 vereinbarten Millenniumsentwicklungsziele, ist jedoch von einer neuen Qualität: Das neue Zielsystem gilt für Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer gleichermaßen und umfasst alle Aspekte nachhaltiger Entwicklung – also ihre ökologische, ökonomische und soziale Dimension. Diese beiden qualitativ neuen Aspekte geben der globalen Agenda 2030 zusammen mit der menschenrechtlichen Fundierung eine herausragende Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten und der Menschheit. Angesichts von 60 Millionen Menschen weltweit, die auf der Flucht sind, leistet die Umsetzung der Agenda 2030 auch einen wichtigen Beitrag zur Verringerung von Fluchtursachen.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) begrüßt die Verabschiedung der globalen Agenda 2030 im letzten Jahr ausdrücklich und sieht darin genauso wie Papst Franziskus ein "wichtiges Zeichen der Hoffnung"[1] und eine neue Basis für die Zukunft internationaler Zusammenarbeit mit dem Ziel, eine ganzheitliche und gemeinwohlorientierte Entwicklung zu verwirklichen. Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika "Laudato Si´" deutlich gemacht, dass Entwicklungs- und Umweltgerechtigkeit untrennbar miteinander verbunden sind und die "Sorge für das gemeinsame Haus", d.h. unseren Planeten Erde, Kernbestandteil einer integralen Entwicklung des Menschen und globaler Solidarität ist. Mit der Verankerung der Menschenrechte in der Agenda 2030 ist aus Sicht des ZdK eine zentrale Bedingung erfüllt, um die weltweite Akzeptanz und Umsetzung der Agenda 2030 zu gewährleisten.

Handlungsebenen für die Umsetzung der globalen Agenda 2030

Die Agenda 2030 wird jedoch nur praktische Wirkung entfalten, wenn alle Staaten der Welt für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele gemeinsam Verantwortung übernehmen. Die Umsetzung muss international, national und lokal erfolgen und stellt alle Akteure vor große Herausforderungen. Der Charakter der SDGs erfordert den unbedingten politischen Willen und das Engagement eines jeden einzelnen Staates, um konkrete Schritte und Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele zu verwirklichen. Deutschland sollte seiner internationalen Verantwortung gemäß eine Vorreiterrolle bei der konsequenten und umfassenden Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele übernehmen und sein nationales und internationales Handeln kohärent daran ausrichten.

Daher ist es aus Sicht des ZdK unbedingt notwendig, dass die Bundesregierung die globalen Nachhaltigkeitsziele zügig und umfassend auf nationaler Ebene festschreibt und dabei auf drei Ziel- und Handlungsebenen tätig wird:

  1. Es müssen nationale Ziele vereinbart und umgesetzt werden, die auf eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung innerhalb Deutschlands abzielen und die mit nationalen Maßnahmen zu erreichen sind. Zu diesen Zielen gehören beispielsweise die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit, die Reduzierung von Armut, sozialer Ungleichheit und prekären Arbeitsverhältnissen innerhalb Deutschlands sowie das Engagement für Geschlechtergerechtigkeit.
  2. Es gilt, Ziele für einen nationalen Wandel zu vereinbaren, die zugleich Auswirkungen auf Menschen in anderen Ländern haben. Dazu zählen die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die Verringerung des Ressourcenverbrauches und die faire Gestaltung von globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten deutscher Unternehmen.
  3. Es müssen Ziele und Maßnahmen umgesetzt werden, die sich auf die globale Partnerschaft und Kooperation beziehen und die der internationalen Verantwortung Deutschlands und der Europäischen Union gerecht werden. Dies umfasst zum einen die Bereitstellung von zugesagten Finanzmitteln sowohl für die klassische Entwicklungszusammenarbeit (0,7 % des Bruttonationaleinkommens) als auch für die Klimafinanzierung, um die ärmeren Länder bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Zum anderen geht es um die Veränderung internationaler Strukturen hin zu mehr Nachhaltigkeit. Dazu gehören eine gerechtere Handelspolitik, eine faire Gestaltung der internationalen Finanzsysteme und die Vermeidung von Steuerflucht sowie eine friedensorientierte Außen- und Sicherheitspolitik.

Diese drei Handlungsebenen machen deutlich, dass die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele eine Querschnittsaufgabe ist, für die alle Ressorts der Bundesregierung gleichermaßen und gemeinsam verantwortlich sind und die zugleich eine enge politische Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen erfordert. Die Umsetzung der globalen Agenda macht somit eine enge ressortübergreifende und vernetzte Zusammenarbeit sowie eine strukturierte Kooperation aller Ebenen staatlichen und kommunalen Handelns notwendig.

Veränderungen in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Das ZdK begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, für die Umsetzung der globalen Agenda 2030 die anstehende Weiterentwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2016 zu nutzen. Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die 2002 erstmals formuliert und seitdem regelmäßig überprüft und fortgeschrieben wurde, existiert bereits ein geeigneter und funktionierender institutioneller Rahmen, der den neuen Anforderungen nun angepasst werden muss.

Aus Sicht des ZdK gibt es insbesondere in folgenden Punkten Weiterentwicklungsbedarf für die nationale Nachhaltigkeitspolitik und ihre Managementstrukturen:

- Um alle 17 Nachhaltigkeitsziele in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gleichermaßen festzuschreiben, ist eine Überarbeitung, inhaltliche Erweiterung und institutionelle Stärkung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie notwendig. Insbesondere die internationale Dimension und die gerechtere Gestaltung globaler Strukturen muss zukünftig in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie stärker verankert werden, wie z.B. die Reduzierung des Ökologischen Fußabdrucks, die Erhöhung des Anteils fair gehandelter Produkte oder die Reduzierung des Flächenrucksacks in der Landwirtschaft.

- Als Teil der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sollte ein nationaler SDG-Umsetzungsplan verabschiedet werden, der festlegt und öffentlich macht, in welchem Ministerium und in welchem Zeitraum Maßnahmen zur Umsetzung der SDGs vorgenommen werden. Dabei müssen auch Zielkonflikte und Inkohärenzen zwischen verschiedenen Politikfeldern und Interessen angesprochen, transparent gemacht und aufgelöst werden, zum Beispiel im Bereich der Energieversorgung.

- Um die politischen und gesellschaftlichen Fortschritte bei der Umsetzung der globalen Agenda 2030 überprüfen zu können, ist die Erarbeitung eines verbindlichen Systems von Unterzielen und messbaren Indikatoren unbedingt notwendig. Dazu sollten die derzeitigen Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie erweitert und angepasst werden sowie eine regelmäßige, öffentliche Berichterstattung und Überprüfung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie stattfinden. Insbesondere muss die Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen überprüft werden.

- Nur wenn die heutige Politik grundsätzlich nachhaltig gestaltet wird, werden auch nachfolgende Generationen selbstbestimmt leben können. Grundlage für ein verantwortungsvolles politisches Handeln ist eine nachhaltige Haushaltspolitik, die sich nicht allein auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bezieht. Eine nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet, dass sämtliche Haushalte auf allen Ebenen hinsichtlich ihres Beitrags zur Nachhaltigkeit überprüft werden. Dies betrifft insbesondere die Ausgestaltung bestimmter Subventionen, zum Beispiel zur Förderung bestimmter Verkehrsmittel.

- Für eine konsequente Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Stärkung der institutionellen Nachhaltigkeitsstrukturen, insbesondere des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung und des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung als Struktur des gesellschaftlichen Dialogs, erforderlich. Außerdem ist zu prüfen, wie Bund, Länder und Kommunen ihre Nachhaltigkeitsstrategien besser koordinieren und ihr Handeln für eine nachhaltige Entwicklung kohärenter und sichtbarer gestalten können.

Gesamtgesellschaftliches und kirchliches Engagement

Die globale Agenda 2030 wurde im Rahmen eines umfassend angelegten Konsultationsprozesses auf nationaler und internationaler Ebene erarbeitet, an der nicht nur die Politik, sondern auch die Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft beteiligt waren. Dies spiegelt sich auch inhaltlich in den weitreichenden Zielen wider und in der Empfehlung der globalen Agenda 2030, eine breite Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure bei der Umsetzung und Überprüfung der Nachhaltigkeitsziele zu gewährleisten. Die Umsetzung der SDGs ist somit eine gesamtgesellschaftliche und gemeinschaftliche Aufgabe und kann nur durch die Mitarbeit aller relevanten Akteure und gesellschaftlichen Gruppen gelingen. Dazu ist eine breite, substantielle und transparente Beteiligung der Gesamtgesellschaft bei der politischen Umsetzung der globalen Agenda 2030 notwendig. Alle wichtigen gesellschaftlichen Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind aufgefordert, sich an der Umsetzung der SDGs im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Aktionsräume intensiv zu beteiligen.

Als Christinnen und Christen sehen wir uns in besonderer Verantwortung für die Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft in all ihren Dimensionen, sowohl bei uns in Deutschland und Europa als auch weltweit. Durch unseren Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, für globale Gerechtigkeit und für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen engagieren wir uns bereits für eine zukunftsfähige und nachhaltige Lebensweise. Dieses Engagement wollen wir zukünftig mit der Umsetzung der globalen Agenda 2030 und der Nachhaltigkeitsziele eng verknüpfen und verstärken. Dazu müssen wir als katholische Kirche in Deutschland unsere nationalen und internationalen Perspektiven und Akteure besser zusammenführen und vernetzen. Die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele ist nicht nur eine Aufgabe und Herausforderung für entwicklungspolitische und weltkirchliche Organisationen und Verbände. Auch alle Akteure und Verantwortlichen aus den Bereichen Soziales, Umwelt, Wirtschaft und Arbeitsleben sind bei der Umsetzung der Agenda 2030 in Deutschland gefordert.

Als katholische Kirche in Deutschland wollen wir als glaubwürdiger Anwalt und Akteur für eine nachhaltige Entwicklung vorbildlich vorangehen. Die Glaubwürdigkeit dieses Einsatzes für nachhaltiges Wirtschaften und Leben hängt dabei entscheidend von der Umsetzung in unseren kirchlichen Institutionen und Einrichtungen ab. Deshalb muss eine verlässliche Grundfinanzierung aus Kirchensteuermitteln für weltkirchliche Aufgaben und zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung dauerhaft sichergestellt werden.

Wichtige Elemente für eine nachhaltige Entwicklung kirchlicher Institutionen bilden die Einrichtung von Umweltmanagementsystemen und nachhaltigen Beschaffungssystemen in kirchlichen Einrichtungen[2], die Gewährleistung von gerechten und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sowie die Anlage kirchlicher Gelder nach ethisch-nachhaltigen Kriterien am Kapitalmarkt. Diese Elemente müssen in allen Diözesen eingeführt werden.

Zudem sind wir gefordert, durch Aktionen, Kampagnen und Projekte die globale Agenda 2030 aufzugreifen und weiterhin die Bewusstseinsbildung für nachhaltige Entwicklung in unseren Verbänden, Organisationen und Gemeinden voranzubringen. Die Ausrichtung des eigenen individuellen Lebensstiles am Leitbild eines "Gut leben statt viel haben" verlangt ein Umdenken im eigenen Konsum- und Mobilitätsverhalten und leistet einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltigere Lebensweise.

Auf politischer Ebene müssen wir uns als katholische Kirche für die Veränderung struktureller Rahmenbedingungen im Sinne der globalen Agenda 2030 einsetzen, damit Nachhaltigkeit im politischen Alltag zum Maßstab des Handelns wird. Auch politisch beginnt nachhaltiges Handeln in der kleinsten Einheit. So tragen bereits Nachhaltigkeitsstrategien auf kommunaler Ebene zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele bei. So wollen wir uns als Christinnen und Christen mit unseren Kirchengemeinden und kirchlichen Gruppen vor Ort aktiv in die Nachhaltigkeitsarbeit unserer Kommunen einbringen und die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie auf kommunaler Ebene konstruktiv begleiten.

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Impulspapier des ZdK-Sachbereichs 6 "Nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung" zur Vorlage bei der ZdK-Vollversammlung am 25. Mai 2016.

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[1] Zitat aus der Rede von Papst Franziskus vor der UN-Vollversammlung am 25. September 2015.
[2] Das ZdK-Generalsekretariat hat im Jahr 2012 ein Umweltmanagementsystem eingerichtet. Nähere Informationen dazu finden Sie auf unserer Homepage unter www.zdk.de/organisation/generalsekretariat/.

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