Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute

Stellungnahme des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) zu den Lineamenta zur Vorbereitung der XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode im Vatikan 2015 zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“

Vorbemerkung

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist dankbar für den erneuten Aufruf von Papst Franziskus an alle Gläubigen, sich an der Vorbereitung der XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ zu beteiligen. Die erneute Befragung im Vorfeld der Synode nimmt im Sinne des 2. Vatikanischen Konzils den „sensus fidelium“ (Glaubenssinn der Gläubigen[1]) bei den bevorstehenden Weichenstellungen für die ganze Kirche ernst. Wir freuen uns, dass sich abermals viele Laien in den Räten und Verbänden beteiligen und dass die deutschen Bischöfe das ZdK ausdrücklich um eine Stellungnahme gebeten haben.

Über viele Jahrzehnte haben wir gerade die gesellschaftliche Situation von Ehe und Familie, die Familienpolitik in Deutschland und die pastoralen Herausforderungen für die Kirche intensiv begleitet. Auf der Grundlage der dabei gewachsenen Überzeugungen nehmen wir zu den im Fragenkatalog der Lineamenta aufgerufenen Themen Stellung.

 

Die vier zentralen Botschaften des ZdK zur Familiensynode:

  1. 1. Das Ja zur lebenslangen Bindung und die Verheißung gelingenden Lebens mit Gottes Hilfe zeichnen Ehe und Familie in christlicher Sicht aus. Wir bekennen uns zu diesem Lebensmodell und ermutigen Paare zum Eheversprechen und zur Gründung einer Familie.

Die Sehnsucht nach Nähe, Geborgenheit, Verlässlichkeit und Angenommensein gehören zum Menschsein. Ehe und Familie sind der Raum, in dem die Menschen mit ihrer Sehnsucht Beheimatung finden und ihr individuelle Gestalt geben können.

Der sakramentale Ehebund bildet den unauflöslichen Bund Gottes mit seinem Volk und die Liebe Christi zu den Menschen ab. Das kirchliche Eheideal besitzt orientierende Kraft und ist eine unmissverständliche Richtungsanzeige. Dieses Ideal darf nicht absolut gesetzt werden in dem Sinne, dass alles, was dahinter zurückbleibt, nichts wert wäre oder als Scheitern betrachtet wird. Es kann Paare überfordern und entmutigen, wenn seitens der Kirche zuerst auf das gesehen wird, was in der Beziehung des Paares zum - nach menschlichem Ermessen - unerreichbaren Ideal der göttlichen Liebe fehlt. Vielmehr gilt es, wohlwollend auf das zu schauen, was ein Paar einbringen kann.

Im besten Fall ist der Maßstab der göttlichen Liebe den Ehepartnern eine Hilfe, ihre irdische Liebesbeziehung und Partnerschaft nicht absolut zu setzen und keine uneinlösbaren Erwartungen an sie und den Partner zu richten.

  1. 2. Als Kirche in der Welt setzt das ZdK sich in besonderer Weise für die Stärkung und Förderung von Ehe und Familie in Gesellschaft und Staat ein.  Nichtehelichen Formen verbindlich gelebter Partnerschaft und Generationenverantwortung, die ebenfalls einen großen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten, begegnen wir mit Wertschätzung und treten für eine gerechte Behandlung ein.

In Ehe und Familie verwirklichen Männer und Frauen, Eltern und Kinder in guten wie in schlechten Tagen eine Solidargemeinschaft der Geschlechter und der Generationen, die nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Gesellschaft gut ist. Durch eine für die Bedürfnisse von Familien sensible Politik und spezifische familienpolitische Maßnahmen müssen sie nach Kräften unterstützt werden, damit das so vielen Einflüssen ausgesetzte, verletzliche Ehe- und Familienleben gelingen kann. Als gesellschaftlich engagierte Katholikinnen und Katholiken machen für uns in der Politik für Ehe und Familie stark. Wir klagen strukturelle Rücksichtslosigkeiten gegenüber den Familien, zum Beispiel in der Arbeitswelt oder in der sozialen Absicherung, an und engagieren uns für förderliche gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen, damit junge Frauen und Männer sich das unbedingte Ja zueinander und zu gemeinsamen Kindern zutrauen. Das ist ein konkreter Beitrag zur Offenheit für das Leben, die für die Kirche mindestens so sehr eine sozialethische wie eine moraltheologische Herausforderung sein sollte.

Die ehebasierte Familie bildet einen besonders stabilen Rahmen für das Aufwachsen von Kindern. Sie ist nach wie vor das mehrheitliche Lebensmodell in unserem Land und neben ihrer quantitativen auch in ihrer qualitativen Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Fortbestand kaum zu überschätzen. Zugleich stellen wir in unserer Gesellschaft eine Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Familien- und Lebensformen fest. Sie steht keineswegs im Widerstreit zu dem in vielen Untersuchungen belegten Wunsch der meisten jungen Frauen und Männer nach Kindern und ihrer Orientierung an einem Leitbild verbindlichen Lebens, sondern bestätigt diese. Auch nichteheliche Formen verbindlich gelebter Partnerschaft und Generationenverantwortung sind in ihrem Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu würdigen und verdienen unseren Respekt.

 

  1. 3. Es müssen Brücken zwischen der Lehre der Kirche zu Ehe und Familie und der heutigen Lebenswelt der Gläubigen gebaut werden. Wir begrüßen und bekräftigen, wenn die Bischöfe sich bei der Bewertung unterschiedlicher Lebensformen auf eine Sichtweise einlassen, die auch in nichtsakramentalen Familienformen Elemente der Wahrheit wie Treue, Verlässlichkeit, Fruchtbarkeit und Lebensfreude erkennt.

Wir stellen eine Spannung und vielfach eine große Kluft zwischen der Lehre der Kirche zu Ehe und Familie und der von pluralen Familienformen geprägten heutigen Lebenswelt der Gläubigen fest. Es geht uns darum, statt eines defizitorientierten einen ressourcenorientierten Zugang zu dieser gesellschaftlichen und pastoralen Wirklichkeit zu finden – einen Zugang, der den Paaren und Familien ein Wachstum und eine Reifung ihrer Beziehung zutraut. Wir sind überzeugt, dass das Modell der ehebasierten Familie ein großes Überzeugungspotential besitzt und insbesondere durch das Lebenszeugnis der Ehepaare und Familien selbst Attraktivität ausstrahlt. Andere Lebens- und Familienformen wie nicht- und voreheliche Partnerschaften, zivile Zweitehen nach einer Scheidung, Ein-Eltern-Familien und  gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind erkennbar an diesem Modell orientiert. Wir wünschen uns, dass sie darin anerkannt und in der Seelsorge der Kirche begleitet werden.

  1. 4. In unserer Kirche unterstützen wir eine hohe pastorale Aufmerksamkeit für Ehe und Familie, die auch in veränderten Seelsorgestrukturen ein qualifiziertes personales Angebot vor Ort erfordert. Die Kirche muss in diesen existentiellen Fragen mit einer Grundhaltung des Zuhörens statt des Belehrens nah an den Menschen sein.

Die effektivste, häufig ganz unspezifische Unterstützung in der Form geteilten Lebens und wechselseitiger Anteilnahme erfahren Ehepaare und Familien im sozialen Nahraum, zu dem auch die Kirchengemeinde vor Ort zählt. Die Seelsorge muss die Familien nicht nur zu gezielten Anlässen (zum Beispiel mit Angeboten der Familienbildung und in der Sakramentenkatechese) erreichen, sondern den Menschen in ihrem Alltag vor Ort nah sein – in den Familien ansprechenden und einladenden Sonntagsgottesdiensten, in den katholischen Kindertagesstätten, mit vertrauenswürdigen Ansprechpartnern in Krisensituationen der Partnerschaft und der Erziehung. Dieser Dienst erfordert in den gegenwärtig veränderten Seelsorgestrukturen ein qualifiziertes personales Angebot vor Ort – Seelsorgerinnen, Seelsorger und weitere glaubwürdige und lebenserfahrene Ansprechpersonen, die den suchenden Menschen das Evangelium von der Familie unaufdringlich vermitteln. Vordringlich erscheint uns eine pastorale Haltung des Zuhörens statt des Belehrens, eine Haltung, die die Spannung zwischen katholischer Lehre und Lebenswelt der Katholiken nicht nur aushält, sondern konstruktiv aus ihr schöpfen kann.

 

Zu den einzelnen Abschnitten der Lineamenta

 

Einleitende Frage bezüglich aller Teile der Relatio Synodi und der darin fehlenden Aspekte

Die Befragung, die der außerordentlichen Bischofssynode 2014 vorausging und an der sich in den deutschen Diözesen viele Gläubige beteiligt haben, erbrachte als Ergebnis eine ungebrochen hohe Wertschätzung und Bedeutung von Ehe und Familie und von verlässlichen, auf Liebe und Verbundenheit gründenden Paar- und Generationenbeziehungen. Für fast alle Menschen in Deutschland gehört die Geborgenheit in der Familie zum persönlichen Lebensglück.

Zugleich trat eine große Kluft zwischen der Lebenswelt der meisten Katholikinnen und Katholiken und der Lehre der Kirche zutage. In ihrer Antwort auf den ersten Fragenkatalog hat die Deutsche Bischofskonferenz im Januar 2014 diese Differenz „vor allem hinsichtlich des vorehelichen Zusammenlebens, der wiederverheiratet Geschiedenen, der Empfängnisregelung und der Homosexualität“[2] explizit betont. Für die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland wird daher von besonderer Bedeutung sein, ob die Ordentliche Bischofssynode 2015 in angemessener Weise auf diese „Zeichen der Zeit“ achtet.

In den Lineamenta für die Ordentliche Bischofssynode finden sich durchaus Anknüpfungspunkte, wie in den Problemfeldern des vorehelichen Zusammenlebens und der wiederverheiratet Geschiedenen eine bessere Verständigung erzielt werden könnte. Wir vermissen indes in der Frage der Familienplanung  (insbesondere  im Blick auf eine Neubewertung der künstlichen Empfängnisregelung) sowie in der Bewertung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften differenzierte Argumentationen, die der gesellschaftlichen und auch rechtlichen Wirklichkeit in unserem Land gerecht werden.

 

Fragen 1-4 zum Abschnitt “Der soziokulturelle Kontext“ in der Relatio Synodi

Es ist sicherlich ein Merkmal der Kirche in Deutschland, dass es besonders viele, auch mit  professionellen Kräften ausgestattete kirchliche Initiativen zur Förderung und Unterstützung von Ehe und Familie angesichts der zahlreichen, teils förderlichen, teils hinderlichen gesellschaftlichen Einflüsse gibt. Zu nennen sind neben vielen anderen:

- Angebote der Begleitung und Beratung von Paaren auf dem Weg zur Ehe, anlässlich der Eheschließung und im Verlauf der Ehe, auch in schwierigen Phasen und bei einer Trennung der Partner;

- ein nahezu flächendeckendes Angebot der dem Lebensschutz verpflichteten Schwangerschaftsberatung und die Vermittlung von frühen Hilfen insbesondere durch die Einrichtungen der verbandlichen Caritas (vgl. dazu auch die Antwort auf Frage 44);

- ein nahezu flächendeckendes, differenziertes Angebot der Kindertagesbetreuung in katholischer Trägerschaft, das in den letzten Jahren verstärkt auf Angebote für unter dreijährige Kinder ausgeweitet wurde, um die für viele Familien aus unterschiedlichen Gründen notwendige Vereinbarkeit der Kindererziehung mit der Berufstätigkeit beider Elternteile zu unterstützen;

- Beratung und Kurse für Eltern zur Unterstützung bei der Kindererziehung;

- der familien- und allgemein gesellschaftspolitische Einsatz insbesondere von vielen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken verbundenen katholischen Verbänden: Stellvertretend für viele sind hier als Dach- und Fachverbände der Familienbund der Katholiken und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zu nennen. Der Familienbund setzt sich mit hoher Expertise zu Gunsten besserer gesellschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen für Ehe, Familie und Generationenverantwortung ein, u.a. für ein Steuer- und Sozialversicherungssystem, das den Leistungen der Familien für die Gesellschaft gerecht wird und sie entlastet, statt sie zu benachteiligen. Die katholischen Jugendverbände im BDKJ unterstützen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Entwicklung einer eigenen Identität und ihrer Beziehungsfähigkeit und setzen sich, auch in Kooperation mit Trägern der Jugendsozialarbeit, besonders für die soziale Teilhabe und die Zukunftschancen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein. So tragen sie auch zu einer guten Grundlage für eine spätere Familiengründung bei.

Es greift unseres Ermessens zu kurz, wenn die Gegenwartsgesellschaft primär als von kulturellem Relativismus geprägte Gesellschaft beschrieben wird. Für ein dem Menschen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit zugewandtes Engagement, wie es die dargelegten Initiativen verkörpern, ist es wichtig, dass die Kirche ihren Standpunkt nicht gegenüber, sondern mitten in der im ständigen Wandel begriffenen Gesellschaft markiert. Die vorgefundene Pluralisierung von Wertvorstellungen, religiösen und weltanschaulichen Orientierungen wirft gewiss aus der Sicht der Kirche und des christlichen Glaubens auch Probleme auf. Doch die Pluralität sollte nicht primär über ihre Widersprüchlichkeit definiert werden, sondern als die gesellschaftliche Wirklichkeit, in die der christliche Glaube sich immer aufs Neue inkulturieren muss. Er muss sich in die Gegenwartskultur einschreiben, so wie Jesus Christus selbst sich auf diese Welt und ihre Geschichte eingelassen hat.

Es ist zu überprüfen, ob es wirklich zutrifft, dass die Gegenwartsgesellschaft eine Tendenz zur „Zurückweisung des Familienmodells, der durch das Eheband verbundenen Familie aus Mann und Frau, die für die Zeugung offen ist“ (Frage 4) aufweist. Umfragen in Deutschland belegen eine anhaltend hohe Wertschätzung der Familie, die als wichtige Voraussetzung für das Lebensglück eingeschätzt wird. Nach wie vor sind bei der großen Mehrheit der Familien mit Kindern die Eltern miteinander verheiratet, auch wenn ihr Anteil an allen Familien mit Kindern leicht sinkt. Aber daraus schon auf eine Zurückweisung des auf der Ehe basierenden Familienmodells zu schließen, erscheint uns nicht angemessen.

Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass für die jungen Menschen und Paare heute in der Regel optional auch andere gesellschaftlich anerkannte Lebens- und Familienformen in Frage kommen und dennoch das Modell der lebenslangen Partnerschaft und der Elternschaft weiterhin starke orientierende Ausstrahlung besitzt.

Als eine der größten Herausforderungen für die Bischofssynode dieses Jahres sehen wir es, eine Balance zu finden zwischen dem Maßstab und Modell der unauflöslichen, für Kinder offenen Ehe und der pluralen Familienwirklichkeit. Letztere ist in vielen Fällen nicht mit dem Ehemodell identisch, folgt aber dennoch unbestritten ihrem Leitbild und hätte ohne dieses Leitbild gar keine vergleichbare Orientierung.

In der Ehe- und Familienpastoral in Deutschland sehen wir, wie oben wenigstens ansatzweise dargelegt, gute Ansätze und eine gleichermaßen bewährte wie auch für neue Herausforderungen offene Praxis. So kann es der Kirche gelingen, die auch bei den katholischen Christen anzutreffende Vielfalt gelebter Partnerschaft und Familienverantwortung wertschätzend und Orientierung vermittelnd zu begleiten und ihr mithin wohlwollend statt maßregelnd entgegen zu kommen. Das geschieht zum Beispiel durch Angebote für „verliebte Paare“ (z.B. Segensgottesdienst zum Valentinstag) oder durch konkrete Unterstützung und Anwaltschaft für alleinerziehende Eltern, um nur zwei ganz unterschiedlich gelagerte Handlungsfelder zu nennen. Vordringlich erscheint uns eine pastorale Haltung, die Spannung zwischen katholischer Lehre und Lebenswelt der Katholiken nicht nur auszuhalten, sondern konstruktiv aus ihr zu schöpfen.

 

Frage 5 zum Abschnitt „Die Bedeutung des Gefühlslebens“ in der Relatio Synodi

Die deutschen Bischöfe haben in ihrer Antwort auf den Fragenkatalog 2014 zu Recht betont: „Insbesondere im Bereich der Sexual-, Ehe- und Familienethik gilt es [...], einen Duktus zu finden, der sich vom Vorurteil der Leibfeindlichkeit und lebensfeindlichen Gesetzesethik zu befreien vermag.“[3] In Fragen der menschlichen Sexualität bedarf es stets einer besonderen Behutsamkeit. In diesem Bereich ist jeder einzelne Mensch besonders verletzlich. Dies bezeugen die schmerzhaften Lernerfahrungen, die unsere Kirche in den vergangenen Jahren bei der Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt gemacht hat. Es ist daher zu unterstreichen, dass es in Fragen der Sexualität aus Sicht der Kirche keine vermeintlich liberale Entgrenzung und Tabulosigkeit geben darf, in der die Würde einzelner verletzt wird oder Machthierarchien missbraucht werden, da dies nach christlichen Wertmaßstäben einem gelingenden Leben zuwiderläuft. Zugleich haben uns aber auch diese Lernerfahrungen sehr deutlich vor Augen geführt, dass eine achtsame Sexualethik eine positive Sicht auf die menschliche Sexualität vermitteln muss. Diese Auseinandersetzung muss stattfinden. Sie darf nicht tabuisiert werden. Dazu gehört auch, dass sich in Deutschland (und weltweit) die Sexualethik als Teil der universitären Moraltheologie in einem von Offenheit geprägten Diskursklima weiterentwickeln kann.

Die gesellschaftlichen Individualisierungsschübe der letzten 50 Jahre haben das Leben in Partnerschaft, Ehe und Familie grundlegend verändert. Den kommenden Priesteramtskandidaten wie auch den Bewerbern und Bewerberinnen für Seelsorgeberufe sind diese Entwicklungen nicht fremd, denn sie alle sind Kinder dieser Zeit. Zugleich erscheint uns aber auch geboten, dass sie sich während ihres Studiums intensiv mit ihrer eigenen familiären Herkunft und Prägung auseinandersetzen. Vor allem für Priesteramtskandidaten ist darauf zu achten, dass sie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen familiärer Existenz miterleben. Dazu gilt es auch über Ergänzungen oder Alternativen zu der Wohnform der bisherigen Priesterseminare nachzudenken, etwa über entsprechend begleitete Wohngemeinschaften während der Ausbildung oder über das zeitweise Mitleben in Familien mit Kindern. Die gemeinsame Ausbildung von Priesteramtskandidaten mit angehenden Theologinnen sollte selbstverständlich sein; auch so kann ein alltägliches, partnerschaftliches Miteinander der Geschlechter auf Augenhöhe gefördert werden.

 

Frage 6 zum Abschnitt „Die Herausforderung für die Seelsorge“ in der Relatio Synodi

Um die so genannten „Fernstehenden“ zu erreichen, braucht es eine pastorale Haltung, die von Neugier auf sie und Interesse an ihnen gekennzeichnet ist.  Das christliche Familienmodell wird für sie dann  strahlkräftig und attraktiv sein können, wenn sie sich selbst in ihrer Differenz zu diesem Modell ernst genommen fühlen und wenn die Menschen, die ihnen authentisch von dem christlichen Modell erzählen und es vorleben, ihnen glaubwürdig und einladend begegnen.

 

Fragen 7-11 zum Abschnitt „Der Blick auf Jesus und die göttliche Pädagogik in der Heilsgeschichte“ in der Relatio Synodi

Wie die Zivilehe ist auch die sakramentale Ehe eine zutiefst persönliche Bindung an einen anderen Menschen und zugleich ein  öffentliches Bekenntnis zu den Idealen von Gegenseitigkeit, Gemeinschaft, Vertrautheit und Treue. Dieses Bekenntnis wird bei der Zivilehe vor der staatlichen Autorität abgelegt, bei der kirchlichen Eheschließung wird der Bund bewusst vor Gottes Angesicht geschlossen. Für die Paare, die sich öffentlich zueinander bekennen, die verbindliche Entscheidung füreinander beurkunden und sich die Treue in guten und in schlechten Tagen versprechen, ist dieser Schritt meist das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem die Partner einander vertraut geworden sind. Ihre Beziehung ist gereift und hat auch schon erste Prüfungen bestanden.

Die Menschen erhoffen und erwarten von der Ehe, dass sie ihnen Schutz in der Verletzlichkeit des Lebens bietet und zugleich einen Freiheitsraum zur Vertiefung des je eigenen Lebens und der gemeinsamen Geschichte als Paar eröffnet. Die Eheschließung ist auf diesem gemeinsamen Weg eine einschneidende Station, aber sie ist nicht der Anfang und nicht das Ende der persönlichen Weiterentwicklung.

Die Ehepastoral muss sich daher als Wegbegleiterin verstehen – dies erscheint uns als wichtigste Maßgabe für eine „humane Pädagogik […] im Hinblick auf das Wachstum im Leben der Paare“ (Frage 9). Sie kann als Beziehungspastoral bereits weit vor einer Eheschließung ansetzen, um die Reifung zu begleiten, und auch zur Klärung beitragen, ob aus einer Freundschaft und Partnerschaft eine Ehe werden kann. Auch auf ihrem Eheweg muss die Kirche für die Eheleute mit einem personalen seelsorglichen Angebot in Reichweite sein.

Zur humanen Pädagogik gehört unbedingt das gemeinsame Aushalten mit den Eheleuten, wenn ihr Lebensplan trotz redlichen Bemühens nicht aufgeht. Niemand kann angesichts der je individuellen Unzulänglichkeiten, aber auch angesichts struktureller gesellschaftlicher Belastungen, denen verbindliche Paarbeziehungen ausgesetzt sind, wissen, ob es ihm oder ihr gelingt, ein Scheitern der Ehe zu verhindern. Die Ehepartner sollen aber gewiss sein können, dass Gott und mit ihm die Kirche in allen Höhen und Tiefen bei ihnen bleibt. Mit den deutschen Bischöfen sind wir überzeugt:

„Er [Gott] hilft zur Umkehr, zur Vergebung, zum Neuanfang. Seine Liebe bleibt – selbst dann, wenn die Partner ihr Versprechen nicht halten. Seine Liebe geht auch in ihrem Scheitern nicht verloren. Gott ist treu.“[4] Diese göttliche Pädagogik muss der Maßstab des kirchlichen Handelns sein.

 

Fragen 12-14 zum Abschnitt „Die Familie im Heilsplan Gottes“ in der Relatio Synodi

In der Familie verwirklichen Männer und Frauen, Eltern und Kinder in guten wie in schlechten Tagen eine Solidargemeinschaft der Geschlechter und der Generationen, die nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Gesellschaft modellhaft ist. Familien leben ganz unmittelbar die zentrale Evangeliumsbotschaft der Nächstenliebe vor, indem die Ehepartner sowie die Eltern und Kinder (auch über mehrere Generationen hinweg) in Treue zueinander, in den Höhen und Tiefen des Lebens füreinander Verantwortung übernehmen. In der Familie erfahren die Kinder durch die Liebe der Eltern ein Urvertrauen in die Welt. Die Familienmitglieder sind nicht nur Adressaten, sondern auch Akteure der Evangelisierung, Keimzelle der Gesellschaft wie der Kirche.

Das Konzept der Familie als „Hauskirche“ kann indes nur im Kontext einer subsidiär organisierten Pastoral verwirklicht werden, einer Pastoral, die nicht abgeleitet von der Zahl der Priester konzipiert ist, sondern die die Familien als wichtige Ressource des gelebten Glaubens begreift, der in die kirchlichen Gemeinschaften und in den jeweiligen Sozialraum ausstrahlt. Dieses Potential der Familie gilt es gezielt zu fördern. Die Eheleute und Familien müssen im Blick der Seelsorgerinnen und Seelsorger und auf Tuchfühlung mit ihnen sein können. Es braucht dazu ihre räumliche Nähe. Die Pastoral muss die Familien nicht nur zu gezielten Anlässen (zum Beispiel mit  Angeboten der Familienbildung und in der Sakramentenkatechese) erreichen, sondern den Menschen in ihrem Alltag vor Ort nah sein – in den Familien ansprechenden und einladenden Sonntagsgottesdiensten, im Austausch mit Gleichgesinnten in Familienkreisen, in den katholischen Kindertagesstätten, mit vertrauenswürdigen Ansprechpartnern in Krisensituationen der Partnerschaft und der Erziehung.

 

Frage 15-16 zum Abschnitt „Die Familie in den Dokumenten der Kirche“ in der Relatio Synodi

Eine Schwierigkeit in der Rezeption und Verinnerlichung der Lehre der Kirche über Ehe und Familie liegt in dem enorm hohen Anspruch an die christliche Ehe und Familie. Dieser Anspruch wird von vielen Menschen als Überforderung wahrgenommen, oder auch als realitätsfremde Idealisierung und Überhöhung, die mit dem Alltag von Ehe und Familie wenig gemein hat. Ein treffendes Beispiel dafür ist das in Nr. 19 der Relatio Synodi angeführte Zitat aus der Enzyklika Deus Caritas est: „Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe“.[5]

In dem Anspruch, dass die Liebe der Eheleute sich an der Liebe Gottes messen lassen muss, liegt nicht nur ein großer Zuspruch und ein Auftrag, für den die Partner auf Gottes Hilfe und Gnade angewiesen bleiben, sondern auch eine Gefahr der Überforderung. Denn Maß zu nehmen an Gottes Liebe heißt auch, sich an einem Ideal zu orientieren, das immer größer sein wird als die Menschen und unerreichbar bleibt.

Wir teilen und unterstützen die Überlegungen, die die deutschen Bischöfe dazu in ihrer Vorbereitung auf die außerordentliche Bischofssynode 2014 festgehalten haben: 

„Während nämlich der Ehebund ein symmetrisches Verhältnis von zwei Menschen gleicher Würde bezeichnet (vgl. Gaudium et spes 49), ist der Bund zwischen Gott und seinem Volk oder zwischen Christus und seiner Kirche ein asymmetrischer Bund. […] Die Treue des unendlichen, ewigen Gottes wird in der Ehe zweier Menschen eben nur in endlicher, zeitlicher Weise dargestellt. Diese Unähnlichkeit betrifft auch das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Liebe. Die Liebe Gottes übersteigt jedes Maß menschlicher Liebe. Deshalb kann auch die eheliche Liebe die göttliche Liebe immer nur unvollkommen und gebrochen abbilden. […] Wenn die Unähnlichkeit zwischen dem Bund Gottes mit seinem Volk und dem Ehebund theologisch nicht beachtet wird, droht in der kirchlichen Verkündigung und Pastoral ein moralischer Rigorismus, der die Bundestheologie um wichtige Einsichten verkürzt.“[6]

Ein Schlüssel zu einer Katechese und Rezeption der lehramtlichen Aussagen, die den Ehepaaren und Familien auch eine Hilfe in ihrem Alltag sein kann, ist der ehrliche Umgang mit der unvermeidlichen Distanz zwischen Ideal und Wirklichkeit. Das Idealbild der Lehre besitzt orientierende Kraft und ist eine unmissverständliche Richtungsanzeige. Aber es darf nicht absolut gesetzt werden in dem Sinne, dass alles, was dahinter zurückbleibt, nichts wert wäre oder als Scheitern betrachtet wird.

 

Fragen 17-19 zum Abschnitt „Die Unauflöslichkeit der Ehe und die Freude des Zusammenlebens“ in der Relatio Synodi

Unauflöslichkeit und Offenheit für das Leben sind Kennzeichen der sakramentalen Ehe. Viele Menschen reiben sich an diesem hohen Anspruch und halten ihn für nicht zeitgemäß, zumal es in der Zivilehe die Option der Scheidung gibt. Doch dabei darf nicht übersehen werden, dass die mit diesen Kennzeichen verbundenen Werte und Orientierungen, wie Treue, Verlässlichkeit und Verantwortung für Kinder, den Wünschen der allermeisten Brautpaare entsprechen, ob sie religiös gebunden sind oder nicht.

Es könnte für die größere Anerkennung der grundlegenden Merkmale der sakramentalen Ehe, Unauflöslichkeit und Offenheit für das Leben, hilfreich sein, wenn diese Ähnlichkeit zwischen sakramentaler Ehe und Zivilehe stärker hervorgehoben würde.

Hier soll auch erneut von der Gefahr gesprochen werden, die damit verbunden ist, das Ideal von Ehe und Familie auf einen zu hohen Sockel zu heben. Eine glaubwürdige Ehepastoral achtet darauf, dass die christliche Ehe für gläubige Menschen trotz all ihrer menschlichen Unzulänglichkeiten ein lebbares Modell bleibt.

 

Fragen 20-22 zum Abschnitt „Wahrheit und Schönheit der Familie und Barmherzigkeit gegenüber den verletzten und schwachen Familien“ in der Relatio Synodi

Die Frage der Bewertung der Lebens- und Familienformen, die dem Modell der auf einer sakramentalen Ehe basierenden Familie nicht voll entsprechen (können), ist für die Katholiken und Katholikinnen in Deutschland eine ganz zentrale, mit hohen Erwartungen verbundene Frage dieser Bischofssynode. Dies wurde nicht zuletzt in der Antwort der Deutschen Bischofskonferenz auf den Vorbereitungsfragebogen für die außerordentliche Synode deutlich herausgearbeitet. Dass diese Frage in den bisherigen Beratungen bei der außerordentlichen Bischofssynode 2014 intensiv bedacht wurde, wie aus der ausführlichen Würdigung in der Relatio Synodi hervorgeht, bewerten wir als ermutigend.

Während der außerordentlichen Bischofssynode im Oktober 2014 wurde das Prinzip der Gradualität von einer Gruppe von Bischöfen als eine hilfreiche Überlegung im Hinblick auf eine Neubewertung dieser Problemfelder betrachtet. Es ermöglicht, eine breite Vielfalt partnerschaftlich gelebter Familienformen wertschätzend und zugleich in Bezug auf die hohen normativen Ideale von Ehe und Familie in den Blick zu nehmen, indem es anerkennt, dass auch in den Lebensformen in Partnerschaft und Familie, die nicht dem Modell der ehebasierten Familie entsprechen, viel von diesem Ideal verwirklicht wird.

In seinem Zwischenbericht hat der Generalrelator der Synode nach der ersten Woche ihrer Beratungen festgehalten, es sei die „Aufgabe der Kirche, jene Samen des Wortes zu erkennen, die jenseits ihrer sichtbaren und sakramentalen Grenzen verstreut sind“ und „eine neue Dimension der heutigen Familienpastoral […], standesamtlich geschlossene Ehen und – mit den gebührenden Unterschieden – auch Lebensgemeinschaften als Realität zu begreifen“. Folglich wendet sich die Kirche „respektvoll denjenigen zu, die in unvollendeter und unvollkommener Weise an ihrem Leben teilnehmen, und schätzt dabei mehr die positiven Werte, die sie bewahren, als die Grenzen und Mängel“.[7]

Auch im Schlussdokument der außerordentlichen Bischofssynode, über dessen Aussagen  die Synodenväter mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt haben, ist dieser Gedanke lebendig: „Es gibt also auch wertvolle Elemente in einigen Formen außerhalb der christlichen Ehe – solange sie auf der dauerhaften und wahrhaftigen Beziehung zwischen Mann und Frau gründen – die wir in jedem Fall als darauf hinorientiert betrachten. […]. Wenn eine Verbindung  durch ein öffentliches Band offenkundig Stabilität erlangt, wenn sie geprägt ist von tiefer Zuneigung, Verantwortung gegenüber den Kindern, von der Fähigkeit Prüfungen zu bestehen, kann dies als Anlass gesehen werden, sie auf ihrem Weg zum Ehesakrament zu begleiten.“[8]

Weiterführend ist eine differenzierte Wahrnehmung der Wirklichkeit, ein wertschätzender Blick auf die unterschiedlichen Formen, in denen Lebenspartner und die Mitglieder einer Familie sich zueinander bekennen und Verantwortung füreinander übernehmen. Das Eheleben – nicht allein der Eheschluss zu Beginn – begründet eine sakramentale Ehe. Während der Lebenszeit sollen die Partner einander in Liebe und Treue und mit Freude aneinander nahe sein. Ein solcher sakramententheologischer Ansatz ist offen für die Wertschätzung von Elementen des wahren ehelichen Lebens auch außerhalb des als sakramental bezeichneten Ehebundes.

Wir ermutigen die deutschen Bischöfe und die Mitglieder der Ordentlichen Bischofssynode 2015, sich auf eine solche Sichtweise einzulassen. Wir begrüßen die mit dem Prinzip der Gradualität verbundene Perspektive, da es sich nicht um einen defizitorientierten Zugang zur Wirklichkeit handelt, sondern um einen  Zugang, der den Paaren und Familien ein Wachstum und eine Reifung ihrer Beziehung zutraut. Daher erinnern wir an die in dieser Hinsicht eindeutigeren Aussagen der Zwischenrelatio.

Wir sind überzeugt, dass das Modell der ehebasierten Familie ein großes Überzeugungspotential besitzt und Attraktivität ausstrahlt. Es ist der Rede und der Unterstützung wert und spricht vielfach durch das Lebenszeugnis der Ehepaare und Familien für sich selbst. Umso weniger müssen wir uns sorgen, wenn es in einer pluralen Gesellschaft nicht als das einzige Modell und die einzige Form verbindlichen Lebens gelten kann.  

 

Fragen 23-27 zum Abschnitt „Das Evangelium der Familie heute in den unterschiedlichen Kontexten verkünden“ in der Relatio Synodi

Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Verkündigung des Evangeliums stärker an den konkreten Erfahrungen der Familien anknüpft und sie als Subjekte der Evangelisierung ernst nimmt.

Für die Ausbildung der Priester und der weiteren hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger erscheint es uns sehr sinnvoll, wenn konkrete Bezüge zum Alltag des Lebens in Ehe und Familie geschaffen werden. Insbesondere für die Priesteramtskandidaten, die zwar die Erfahrung ihrer Herkunftsfamilie mitbringen, sich aber bewusst für einen anderen Lebensweg entschieden haben, ist es wichtig, in der Ausbildung wie auch auf ihrem Weg als Diakon und Priester im persönlichen Umgang konkret zu erfahren, wie Eheleute und Eltern ihre Berufung leben.

Die Nähe zum Alltag der Familien wird den Seelsorgerinnen und Seelsorger auch helfen, in ihrer Verkündigung eine Sprache zu finden, die die Menschen erreicht. Wir erwarten auch, dass sich aufgrund dieser Erfahrung eine differenzierte Sicht auf den Zusammenhang von Glaubenskrise und Krise der Familie einstellt. Die Auffassung, dass ein starker Glaube die Voraussetzung für ein Gelingen von Ehe und Familie ist, wird jedenfalls den Familien, die von Konflikten und Zerrüttung betroffen sind, noch nicht weiterhelfen. Hier tun die Seelsorgerinnen und Seelsorger gut daran, den Eheleuten und Eltern zunächst einmal zuzuhören und an ihrer Seite zu sein. Eine belehrende Haltung, mit der sie die Eheleute und Eltern allein oder zuvorderst auf die Vertiefung des Glaubens oder eine entsprechende Umkehr als Rezept zur Bewältigung von Konflikten in Partnerschaft oder Familie verweisen, wird der differenzierten Wirklichkeit von Ehe und Familie, die unter dem Druck  verschiedenster Einflüsse stehen und überaus verletzlich sind, nicht gerecht.

Vor diesem Hintergrund ist es im Sinne einer „pastoralen Wende“ wichtig, dass die jeweilige Bischofskonferenz „cum Petro et sub Petro“ für ihren Zuständigkeitsbereich angemessene Standards entwickelt und definiert, wie das Seelsorgepersonal evangeliumsgemäß mit scheiternden und gescheiterten Beziehungen umgehen soll.

Es ist zu unterstreichen, dass die einfühlsame Verkündigung des Evangeliums von der Familie für die Mitwirkung an einer Aussaat steht, deren Aufgehen ungewiss und immer auch von der Gnade Gottes abhängig ist. Wir sollten daher nicht resignieren, wenn sich die gesellschaftlichen Umstände als hinderlich erweisen und die Botschaft des Evangeliums von der Familie zunächst missachtet wird.

Zu Recht betonen die Synodenväter, dass Kirche, die über die Familie predigt, Zeichen des Widerspruchs ist. Die Kirche darf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Ehe und Familie auch anklagen, sie sollte sich aber nicht in dieser Rolle gefallen. Es gehört ebenso zu ihren Aufgaben, sich konstruktiv am politischen Prozess zu beteiligen. Dies umso mehr, wenn ihr dazu so viele Gelegenheiten gegeben werden wie in Deutschland. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kirchenleitungen diejenigen Laien und ihre Vereinigungen ausdrücklich unterstützen, die sich aus ihrem Glauben heraus im gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bereich engagieren.

 

Fragen 28-31 zu den Abschnitten „Die Brautleute auf dem Weg zur Vorbereitung der Ehe führen“ und „Die ersten Jahre des Ehelebens begleiten“ in der Relatio Synodi

Es bedarf einer grundsätzlich neuen Auseinandersetzung mit den verschiedenen  Lebensphasen in einer Beziehung und deren Wertschätzung als ein Gut. Diese Wertschätzung darf nicht erst bei der sakramentalen Ehe beginnen, sondern kann bereits das Eingehen einer Partnerschaft, die Lebensgemeinschaft und das zivile Treueversprechen einbeziehen.

Daher kommt es nicht primär auf neue Wege der Ehevorbereitung an, die erst kurz vor der Eheschließung ansetzen. Hier haben die Ehepastoral und die Ehe- und Familienbildung in den deutschen Diözesen reichhaltige Erfahrungen und ein vielfältiges Angebot, um die Partner vor dem besonderen Schritt zur sakramentalen Ehe angemessen zu begleiten. Wichtig ist aber auch der Beitrag dazu, dass es zu dieser Entscheidung kommen kann, der Beitrag zur Beziehungsfähigkeit junger Menschen. Hier kann und sollte die Kirche bereits in Schule und Jugendarbeit ansetzen. Viele junge Menschen sind auf der Suche nach dem für sie passenden Weg – einem Weg, der nicht immer in eine sakramentale Ehe münden muss. Sie haben aber eine Ahnung davon, dass zu einem gelingenden Leben gelingende Beziehungen und Verantwortung für andere gehören. Sie wissen es zu schätzen, wenn sie in den Kirchengemeinden, in den Jugendgruppen, Verbänden, Hochschulgemeinden, Bildungsstätten und an anderen pastoralen Kristallisationsorten auf an ihren Fragen interessierte, glaubwürdige und lebenserfahrene Ansprechpartner und -partnerinnen als personales Angebot treffen – Menschen, die ihnen das Evangelium von der Familie in unaufdringlicher Weise vermitteln können.

Für dieses Gesprächs- und Begleitangebot sind auch viele Paare in den ersten Jahren des Ehe- und Familienlebens dankbar. Auch hier kommt es darauf an, das Paar auf seinem eigenen Weg ernst zu nehmen. Vielfach ist die Geburt und Taufe von Kindern ein wichtiger Anknüpfungspunkt und Anlass, damit junge Familien in den Gemeinden Fuß fassen können. Dies betrifft ebenso alleinerziehende Eltern, unverheiratete Elternpaare oder standesamtlich verheiratete Ehepaare, die möchten, dass ihre Kinder in die Kirche aufgenommen werden. Sie müssen mit ihrer jungen Familie ebenso willkommen sein wie die sakramental verheirateten Paare.

 

Fragen 32-34 zum Abschnitt „Seelsorge für jene, die in einer Zivilehe oder ohne Trauschein zusammenleben“ in der Relatio Synodi

Paare, die auf Liebe, Treue und Vertrauen gegründet, verlässlich, verbindlich und dauerhaft miteinander leben wollen, orientieren sich in den meisten Fällen bereits implizit an dem Ideal der sakramentalen Ehe, dem sie im Laufe ihrer Beziehung unterschiedlich nahe kommen. Es kommt für die Kirche darauf an, in all diesen Konstellationen jene Elemente zu erkennen, die die Evangelisierung und das geistige und menschliche Wachstum fördern können. In diesem Sinne gilt es für die Seelsorge an diesen Paaren, nicht primär den Aspekt der Bekehrung hervorzuheben, da ja die Richtung, die die Paare eingeschlagen haben, bereits stimmt. Eine solche seelsorgerische Haltung vorausgesetzt, spricht auch nichts dagegen, die jeweilige Differenz zum Ideal der sakramentalen Ehe zur Sprache zu bringen.

Wir begrüßen die einfühlsame, für diese Differenzierungen offene, zu „Geduld und Feingefühl“ aufrufende Sprache, die die Synodenväter bereits in der Relatio Synodi gefunden haben. Wir stimmen ihnen zu, dass es maßgeblich auf das attraktive Zeugnis von christlichen Familien ankommt, die selbst Subjekte der Evangelisierung sind.

 

Fragen 35-39 zum Abschnitt „Die verwundeten Familien heilen (Getrenntlebende, nicht wiederverheiratete Geschiedene, wiederverheiratet Geschiedene, Alleinerziehende)“ in der Relatio Synodi

Mehrere katholische Verbände und Organisationen, vor allem katholische Frauenverbände, setzen sich in besonderer Weise für die Belange von Ein-Eltern-Familien ein und haben dazu auch die „Arbeitsgemeinschaft Interessenvertretung Alleinerziehende“ (AGIA) gegründet. In der Familien- und Sozialpolitik geht es ihnen besonders um verbesserte Rahmenbedingungen für eine wachsende Gruppe in der deutschen Bevölkerung, die sich diese Familienformen in den weitaus meisten Fällen nicht ausgesucht haben. Gerade sie benötigen ein hochwertiges Angebot der Kinderbetreuung und stärkere finanzielle Unterstützung bzw. Entlastung, damit sie den vielfältigen an sie gestellten Anforderungen, die schon für Familien mit beiden Elternteilen zur Überforderung werden können, gerecht werden können.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung hervorzuheben, mit hoher beraterischer Professionalität und Empathie Paaren in Ehekrisen Auswege zu eröffnen und sie respektvoll auf ihrem Weg zu begleiten. Es ist ein Dienst an den betroffenen Paaren, aber auch an der Gesellschaft, denn für ein Gemeinwesen ist es nicht gleichgültig, ob die eheliche Solidarität fortbesteht oder aufgekündigt wird.

So leistet die Kirche in ihrer Seelsorge, mit Bildungs- und Beratungsangeboten einiges für die Lebbarkeit und Stabilität von Ehen und muss dies angesichts des hohen Anspruchs einer sakramentalen Ehe auch tun. Sie ist gefordert, gerade dann an der Seite der Eheleute zu sein, wenn die Ehe als Lebensform und als Sakrament mit all ihren täglichen Herausforderungen und angesichts vieler gesellschaftlicher Einflüsse zur Überforderung zu werden droht. Es bleibt aber auch nüchtern festzustellen, dass die Ehepartner, auch wenn sie sich das Eheversprechen ohne Befristung und Vorbedingung geben, niemals die Garantie für den Dauerbestand zwischenmenschlicher Liebe und wechselseitiger Verantwortung beanspruchen können. Es ist eine gesellschaftliche und pastorale Realität, dass trotz redlicher Bemühungen Ehen scheitern. So kann der von Eheberatern begleitete Weg zu Versöhnung und Vergebung, aber auch zu Trennung und Scheidung führen.

Für manche Männer und Frauen ist nach einer zivilen Scheidung auch die Feststellung der Ehenichtigkeit ein Ausweg, auf dem sie ebenfalls respekt- und würdevoll zu begleiten sind. Der großen Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland erschließt sich jedoch nicht der Sinn und Zweck dieses kirchenrechtlichen Instruments. Vielfach ist von „kirchlicher Scheidung“ die Rede, für deren Inanspruchnahme angesichts des komplexen, voraussetzungsvollen Verfahrens der Bildungsgrad und die finanzielle Situation der Betroffenen allem Anschein nach mit von Bedeutung sind. Hinzu kommt, dass sich Ehen, die in einem kirchlichen Gerichtsverfahren für ungültig erklärt wurden, nicht immer von anderen Ehen abgrenzen lassen. Da die Nichtigkeitserklärung  einer Ehe aufgrund einer inneren Willenshaltung erfolgen kann, ist rein äußerlich der Unterschied zwischen einer gültigen und einer ungültigen Ehe nicht ohne Weiteres zu erkennen. Viele Frauen und Männer lehnen jedoch auch aus lebensgeschichtlichen Gründen eine Annulierung ihrer ersten Ehe ab: sie betrachten diese als zu ihrem Leben dazugehörige und damit unrevidierbare Etappe, deren Erfahrungen sie ernst genommen und gewürdigt sehen wollen. Aus diesen Gründen raten wir mindestens für die katholische Kirche in Deutschland davon ab, in der Ehenichtigkeitserklärung eine vorzugswürdige Lösung für die Problematik des Ausschlusses wiederverheiratet geschiedener Katholikinnen und Katholiken vom Buß- und Eucharistiesakrament oder auch für ihre Weiterbeschäftigung im Geltungsbereich der kirchlichen Grundordnung zu sehen.

Schon lange steht unsere Kirche vor der Herausforderung, wie es gelingen kann, die nach einer Scheidung zivil wiederverheirateten Gläubigen trotz der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe nicht auszugrenzen. An dieser Stelle wird besonders deutlich und schmerzlich bewusst, dass in unserem Alltag oft eine große Diskrepanz zwischen kirchlicher Lehre und der Lebenswirklichkeit vieler getaufter und gefirmter Katholikinnen und Katholiken besteht. Dazu bekräftigt das ZdK seine in den letzten Jahren mehrfach geäußerte Position.

 

Die ZdK-Vollversammlung hat sich zuletzt im November 2012 ausführlich mit dieser Frage befasst und festgehalten, dass der Weg einer begründeten, fundierten Gewissensentscheidung für den Sakramentenempfang keineswegs den Grundsatz der Unauflöslichkeit der vor Gott geschlossenen Ehe aufhebt. Im Vordergrund steht hier aber nicht das lehramtliche Gesetz. Zuerst kommt die Zuwendung zu den Menschen, die Vermittlung der Liebe Gottes zu allen Menschen statt der Ausgrenzung derjenigen, die an seinen und auch ihren eigenen Ansprüchen gescheitert sind. Wir sind überzeugt: Die Wertschätzung der unauflöslichen Ehe wird bei den Gläubigen wie in der Gesellschaft insgesamt steigen, wenn die Kirche zugleich die unzerbrüchliche Liebe Gottes auch bei einem tragischen, ja sogar schuldbehafteten Scheitern durch ihr Tun lebensdienlich erfahrbar macht. Die (Mit-)Feier der Sakramente kann dann auch Quelle für eine Lebensführung sein, die sich – gerade mit der Erfahrung eigenen großen Scheiterns – erneut auf den Weg gemacht hat, unbedingte Verantwortung und Verbindlichkeit mit und für einen neuen Lebenspartner sowie gegebenenfalls für eine neue Familie zu übernehmen.

 

Wir sind dankbar und erfreut, dass sich die deutschen Bischöfe zu dieser von den Gläubigen in Deutschland mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten Herausforderung für die Bischofssynode in einer zwischenzeitlich veröffentlichten, sorgfältig und abwägend argumentierenden Stellungnahme[9] geäußert haben. Diese Argumentation und die dahinter stehende, im Titel des Textes zutreffend markierte Suche nach einer ausgleichenden und für viele vertretbaren, da theologisch verantwortbaren und pastoral angemessenen Lösung für ein großes Problem in unserer Kirche, für eine schmerzhafte Wunde, die der Heilung bedarf, möchten wir ausdrücklich bestärken.

 

Wir sind darüber hinaus der Überzeugung, dass auch im kirchlichen Arbeitsrecht eine veränderte Bewertung der konkreten Situation nach Trennung, Scheidung und ziviler Wiederheirat an der Zeit ist und ermutigen die deutschen Bischöfe, gemeinsam einen modifizierten Kurs einzuschlagen, der pastoral, rechtlich und gesellschaftspolitisch angemessen und plausibel ist.

 

Frage 40 zum Abschnitt „Die pastorale Aufmerksamkeit gegenüber Personen mit homosexueller Orientierung“ in der Relatio Synodi

Zu unserer Kirche gehören auch homosexuelle Frauen und Männer. Es gibt unter den Gläubigen unterschiedliche Auffassungen und Bewertungen zur Homosexualität. Den einen gilt sie als eine moralisch nicht erlaubte Form menschlicher Sexualität. Andere sehen gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Ausdruck und Form tiefer personaler Liebe, die moralisch nicht abgewertet werden sollte. Auch werten viele Gläubige die rechtliche Angleichung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften an die Ehe nicht als Abwertung, sondern sogar als Wertschätzung und Bestätigung des Modells der Ehe von Mann und Frau. Wie in einer Ehe werden auch in einer auf lebenslange Dauer und wechselseitige Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Verantwortung angelegten gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zentrale christliche Werte verwirklicht.

 

Wir setzen uns für einen respektvollen Umgang in Kirche und Gesellschaft mit Menschen ein, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben. Bestehenden Ausgrenzungen und Abwertungen treten wir entschieden entgegen. Wir ermutigen die Bischöfe, sich in den Beratungen der Synode nicht nur, wie in den Fragen zur Vorbereitung, auf die Situation der Familienangehörigen homosexueller Menschen zu beschränken, sondern auch sie selbst, so wie sie sind, anzunehmen. Auch den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften können wir zutrauen, dass ihnen Elemente einer christlichen Ehe innewohnen und dass sich die Partner auch ohne den Segen der Kirche häufig an diesem Ideal orientieren.

 

Fragen 41-44 zum Abschnitt „Die Weitergabe des Lebens und die Herausforderung des Geburtenrückgangs“ in der Relatio Synodi

Wir sind der Auffassung, dass trotz des Geburtenrückgangs in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten und der seit geraumer Zeit auf niedrigem Niveau stabilen Geburtenzahlen die meisten Ehepaare, auch wenn sie nur zivil miteinander verheiratet sind, eine Offenheit für das Leben mitbringen. Sie nehmen allerdings auf ihre Weise das Leitbild verantworteter Elternschaft sehr ernst und lassen sich in der Regel nicht von der kirchlichen Ablehnung der künstlichen Empfängnisregelung erreichen. Dies gilt auch für die große Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken, für deren Lebenswirklichkeit und Lebensführung diese Maßgabe nachweislich keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.[10] Wir rufen an dieser Stelle den Weg der deutschen Bischöfe in Erinnerung, den sie nach der Veröffentlichung der Enzyklika „Humanae vitae“ mit der Königsteiner Erklärung eingeschlagen haben. Mit dem Zutrauen in die gewissenhafte Abwägung der Partner in Fragen der Empfängnisregelung und verantworteten Elternschaft haben sie seinerzeit ein mutiges Signal gesetzt, das nach wie vor – auch mit Blick auf andere Konfliktfelder, in denen es auf die Gewissensentscheidung der mündigen Gläubigen ankommt – Aufmerksamkeit und Respekt verdient und möglicherweise im Rahmen der Weltkirche auch zur Nachahmung anregt.

In einer kirchlichen Bewertung mit nüchternem Blick auf die soziale Situation junger Menschen sollte jedenfalls mit dem Begriff „Offenheit für das Leben“ mehr verbunden werden als das Festhalten an dem lehramtlichen Verbot. Vielmehr muss uns zu denken geben, dass trotz der herausragenden Bedeutung der Familie für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft die realen Lebensbedingungen für Elternschaft und Kinder oft im Widerspruch zu dieser Bedeutung stehen. Vielfach können junge Frauen und Männer wegen der strukturellen Rücksichtslosigkeiten gegenüber der Familie ihren Kinderwunsch nicht verwirklichen oder trauen sich die Übernahme dieser großen Verantwortung (noch) nicht zu. Solange Familienzeiten zum Risiko für die Erwerbsbiographie und damit auch für die soziale Absicherung werden können und die Arbeitswelt den Takt des Familienlebens vorgibt, werden wir vor diesem Widerspruch zwischen hohem Kinderwunsch und niedrigen Geburtenzahlen stehen. Die Offenheit für das Leben ist für die Kirche also mindestens so sehr eine sozialethische wie eine moraltheologische Herausforderung. Dafür stehen wir als gesellschaftlich und politisch engagierte Katholikinnen und Katholiken in besonderer Weise ein.

Umgekehrt bereiten uns aber auch Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin große Sorgen, durch die der Anschein erweckt wird oder auch tatsächlich bewirkt wird, dass Elternschaft programmierbar sei. Das ZdK betrachtet diese Entwicklungen, die mit Stichworten wie Eizellspende, Leihmutterschaft, Social freezing und Präimplantationsdiagnostik verbunden sind, mit sehr großer Skepsis und setzt sich seit vielen Jahren intensiv für gesetzliche Rahmenbedingungen ein, die die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens bewahren. Eine besonders wichtige Aufgabe sehen wir hier in der Beteiligung am öffentlichen Diskurs und an der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung. Denn es darf nicht zum gesellschaftlichen Leitbild werden, dass der Zeitpunkt der Elternschaft und die Gesundheit der Wunschkinder zu programmieren und zu „optimieren“ sind. Dies widerspricht nicht nur einer ethischen Intuition, die um einen Schöpfer weiß, der größer ist als alles Menschenwerk, sondern auch jeder Lebenserfahrung von Eltern.

Der Einsatz für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens von der Zeugung  bis zum Tod ist für das ZdK seit jeher eine zentrale Aufgabe, die es in den vergangenen Jahrzehnten in den verschiedensten ethischen, gesellschaftlichen und politischen Debatten mit einer klaren Haltung ausgefüllt hat. Die Verhinderung von Abtreibungen und Unterstützung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt spielen für die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland eine besonders große Rolle. Für den bestmöglichen Schutz des ungeborenen Lebens sind viele von ihnen, auch aus der Mitte des ZdK, vor 15 Jahren ihrem Gewissen gehorchend einen für alle Beteiligten schmerzhaften Konflikt mit den deutschen Bischöfen eingegangen. Als ZdK achten wir auch den damals von der Kirche und den Beratungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen eingeschlagenen Weg hoch. Auf diesem Weg wurde vielen Frauen, die sich für ihr Kind entschieden haben, geholfen. Wir betonen aber auch, dass dank der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die in Deutschland für den Schutz des ungeborenen Lebens besser als in fast allen anderen europäischen Staaten sind, die Beteiligung von Katholikinnen und Katholiken am System der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung nachweislich einen wirksamen Beitrag zum Schutz des Lebens der ungeborenen Kinder und ihrer Mütter ausmacht. Viele Mütter wären ohne die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen des maßgeblich von katholischen Christen gegründeten und getragenen bürgerlichen Vereins Donum Vitae nicht mehr erreicht, viele Kinder ohne das Beratungs- und praktische Unterstützungsangebot nicht geboren worden.

 

Fragen 45-46 zum Abschnitt „Die Herausforderung der Erziehung und die Rolle der Familie bei der Evangelisierung“ in der Relatio Synodi

In der Familienpolitik setzt sich das ZdK und die ihm angeschlossenen Fachverbände seit Jahren für eine stärkere Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern ein. Sie droht im familienpolitischen Diskurs in Deutschland mehr und mehr gering geachtet zu werden, da der Schwerpunkt auf den fraglos wichtigen und für die Wahlfreiheit von Familien notwendigen quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuungsangebote außerhalb der Familie gelegt wird. In unseren Augen muss es aber – im Einklang mit dem deutschen Grundgesetz – dabei bleiben, dass die Erziehung der Kinder zuvorderst die Aufgabe und die Verantwortung der Eltern ist, die darin von der Gesellschaft bestmöglich zu unterstützen sind. In der katholischen Kirche in Deutschland gibt es ein breites Angebot an Angeboten der Eltern- und Familienbildung und nahezu flächendeckend Kindertagesstätten in katholischer Trägerschaft, die sich hohen Standards bei Betreuung und Bildung der Kinder wie auch einem Beitrag zur Vermittlung des Glaubens verpflichtet wissen.

Sie können auch christliche Eltern in ihrer Aufgabe der Weitergabe des Glaubens unterstützen und ihnen Sicherheit vermitteln, indem sie Anlaufstelle nicht nur für Erziehungsfragen, sondern auch für Fragen des geteilten Glaubens sind. Unser Glaube ist darauf angelegt, sich mitzuteilen. Als Seelsorgerinnen und Seelsorger, als Fachkräfte in der Familienbildung und frühkindlichen Bildung, als Repräsentanten der Kirche und als den Glauben bekennende Christen sind wir alle aufgefordert, das Evangelium von der Familie auf authentische und einladende Weise all denen zu verkünden und zu vermitteln, die mehr wissen wollen und nicht zuletzt dank der gewagten Bindungen zu ihren Partnern und ihren Kindern eine Ahnung vom Leben in Fülle schon verspüren.

 

10.03.2015

Für das Präsidium des ZdK

Dr. Stefan Vesper

Generalsekretär

 


[1] Vgl. Lumen gentium 12
[2] Zusammenfassung der Antworten aus den deutschen (Erz-)Diözesen auf die Fragen im Vorbereitungsdokument für die Dritte Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode 2014, am 27.01.2014 im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung. Texte zur Bischofssynode 2014 und Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn  (24.11.2014), S. 39
[3] Ebd. S. 39f.
[4] Trauen Sie sich! Zehn gute Gründe für die Ehe, am 25.09.2014 von der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, a.a.O., S. 193
[5] Deus Caritas est 11
[6] Theologisch verantwortbare und pastoral angemessene Wege zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener. Überlegungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Vorbereitung der Bischofssynode, am 24.06.2014 im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz,
a.a.O., S. 63f.
[7] Ziffer 20 und 22 der „Relatio post disceptationem“ (Zwischenrelatio) von Kardinal Peter Erdö zur Dritten Außerordentlichen  Vollversammlung der Bischofssynode, am 13.10.2014 vorgelegt, in deutscher Übersetzung erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, a.a.O.,  S. 126f.
[8] Ziffer 22 und 27 der „Relatio Synodi“ (Schlussrelatio) der Dritten Außerordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode, am 18.10.2014 beschlossen, in deutscher Übersetzung erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, a.a.O., S. 157, 159
[9] Theologisch verantwortbare und pastoral angemessene Wege zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener. Überlegungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Vorbereitung der Bischofssynode, am 24.06.2014 im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, a.a.O.
[10] Vgl. Zusammenfassung der Antworten aus den deutschen (Erz-)Diözesen auf die Fragen im Vorbereitungsdokument für die Dritte Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode 2014, am 27.01.2014 im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, erschienen in Arbeitshilfe Nr. 273 der Deutschen Bischofskonferenz, a.a.O.

Diesen Artikel teilen: