Laudatio zur Verleihung des Heinrich-Brauns-Preises 2015
von Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort
Es ist mir eine besondere Ehre und Freude die Laudatio zur Verleihung des Heinrich-Brauns-Preises 2015 an Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider halten zu dürfen.
Der erste Bischof von Essen, Franz Kardinal Hengsbach, hat den Heinrich-Brauns-Preis für Verdienste um die katholische Soziallehre und die christlich-soziale Bewegung gestiftet. Damit ist eines der prägenden Lebensthemen von Dr. h.c. Nikolaus Schneider beschrieben.
Heinrich Brauns zählt zu den großen Pionieren einer Entwicklung in unserer Kirche, die mit dem Begriff „Sozialkatholizismus“ beschrieben wird. Eine heiß umkämpfte Entwicklung. Soll sich die Kirche wirklich um diese weltlichen Dinge kümmern?
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken steht in der Tradition dieses „Sozialkatholizismus“. Die katholische Laienbewegung, insbesondere die katholischen Verbände in Deutschland, sind mit dieser Aufgabe, mit diesen Entwicklungen, eng verbunden.
„Katholische Soziallehre“ und „Evangelische Sozialethik“ – damit können wahrscheinlich die wenigsten Zeitgenossen etwas anfangen.
Christliche Soziallehre, um bei dem Begriff dieses Preises zu bleiben, ist Ausdruck des Kerns des christlichen Glaubens - der Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe.
Nächstenliebe als Konsequenz der Botschaft des Lebens des Jesus von Nazareth. Nächstenliebe nicht als falsches Harmonisieren, sondern als konkrete Zuwendung zum Nächsten, gerade auch, wenn es anstrengend ist, wenn der Nächste anstrengend ist. Dazu gehört ja auch die oft schmerzhafte Einsicht, dass uns häufig ja gerade diejenigen aufregen, die bei uns eine nicht eingestandene Schwäche, eine schmerzhafte Schwachstelle ansprechen. Gottesliebe ohne Nächstenliebe, Gottesdienst ohne Zuwendung zum Menschen, ist im christlichen Verständnis kaum möglich.
Das ist auch eine der Lebensbotschaften des Seelsorgers Dr. Nikolaus Schneider, eine immer wieder betonte Botschaft.
Dass dies für Religionen nicht selbstverständlich ist, wurde mir wieder bewusst, als im Rahmen der Berichterstattung über Hilfen für das leidgeprüfte Volk in Nepal berichtet wurde, dass die asiatischen Religionen soziale Hilfswerke wie die christlichen Kirchen nicht kennen. Soweit aus religiösen Gründen Hilfe geleistet wird, geschieht dies, um sein Karma für die Wiedergeburt zum nächsten Leben zu verbessern, aber nicht um der Menschen willen, die diese Hilfe brauchen.
Für den christlichen Dienst am Nächsten ist elementar, dass wir dieses absichtslos tun. Nicht um der Kirche und der Kirchenstatistik willen.
Nicht wegen unseres Guthabens an guten Werken für die Rechenschaft vor Gott. Diese Bedeutung der absichtslosen Hilfe um des Menschen willen hat Papst Benedikt in seiner ersten Sozialenzyklika eindrucksvoll und nachdrücklich betont. Und im Übrigen auch, dass dafür nicht nur die rechte Haltung, sondern auch der Erwerb der notwendigen Fachkompetenz wichtig ist.
Dieses Verständnis christlichen Dienstes um des Menschen willen prägt den Dienst von Papst Franziskus. Die Menschen spüren: Er wendet sich den Menschen um des Menschen willen zu. Der Papst auf dem Stuhl Petri nutzt sein Charisma nicht, wirft sein Netz nicht aus, um Menschen zu vereinnahmen. Das ist der Weg der hörenden und dienenden Kirche. Dafür steht als Mensch und viele Jahre in Ämtern und Aufgaben mit besonderer Verantwortung als Gemeinde- und Diakoniepfarrer, als Superintendent und Präses und als Ratsvorsitzender der EKD auch Dr. Nikolaus Schneider.
Für die hörende und dienende Kirche, für die Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe, steht in anderer Ausprägung das Sozialzentrum St. Peter in Duisburg und dafür stehen Schwester Martina Paul und Klaus Peter Bongardt. Hier wird Kirche in einer ganz neuen Form als Glaubensgemeinschaft erlebt und erfahrbar. Das ist gelebtes Zeugnis und damit glaubwürdiges christliches Zeugnis im Geist von Matthäus 25, Vers 40: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Beide Ehrungen mit dem Heinrich-Brauns-Preis 2015 dokumentieren miteinander die Spannbreite christlicher Sozialethik und sozialen Engagements. Dazu gehören die materiellen und geistigen Werke der Barmherzigkeit, der konkreten Lebenshilfe, der Achtsamkeit, der Zuwendung ebenso, wie der Einsatz für die gerechte Ordnung, für Gerechtigkeit und Solidarität.
Christliche Soziallehre ist für die Gesellschaft und die Politik nicht die Abteilung Sanitätszug oder Reparaturbetrieb. Christliche Soziallehre ist unser ethisches und fachliches Fundament, unsere Orientierung für die Gestaltungsaufgaben in der Gesellschaft und in der politischen Verantwortung. Wir wollen nicht nörgelnde, besserwisserische Beobachter und Kritiker auf dem gepolsterten moralischen Hochsitz sein. Wir wollen aus christlichem Geist die Zeichen der Zeit aufnehmen und diese als Handlungs- und Gestaltungsauftrag begreifen.
Sie, lieber Herr Dr. Schneider, haben sich nie gescheut, sich einzumischen, auch wenn es Ärger und Konflikte brachte. Legendär ist Ihr Einsatz für die Arbeiter im Strukturwandel der Stahlindustrie, einschließlich der Teilnahme an der Großdemonstration. Immer wieder haben Sie in Ihren offiziellen Funktionen in vielen öffentlichen Stellungnahmen zur sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung und zu politischen Entscheidungen Position bezogen. Dabei haben Sie auch immer wieder Gehör und Aufmerksamkeit gefunden, weil Sie immer engagiert zur Sache Stellung genommen haben, aber nie fanatisch oder besserwisserisch. Es sei auch nicht verschwiegen, dass unsere Kirchen in ethischen Fragen immer wieder auch Meinungsverschiedenheiten haben, etwa in den ethischen Fragen zu Beginn des Lebens, dem ganzen Problemkreis Bioethik. Ebenso bedeutend und in der Aktualität besonders wichtig ist die gemeinsame Position unserer Kirchen zu den grundsätzlichen ethischen Fragen am Ende des Lebens. Damit haben die christlichen Kirchen, damit haben wir gemeinsam die Meinungsbildung zu den normativen Fragen der organisierten Unterstützung des Suizids, zur Grundsatzdebatte um die Würde des Menschen am Lebensende und im Sterben, zum Stellenwert der Würde des Menschen in der Hilfsbedürftigkeit, einen wirksamen Beitrag und eine zu beachtende Orientierung leisten können. Gemeinsam ist uns, dass es vom Beginn bis zum Ende des Lebens keine Unterscheidung geben darf zwischen einem nicht lebenswerten und einem lebenswerten Leben.
Das sind wichtige Aufgabenfelder einer Ökumene der Tat! Das gilt insbesondere für den notwendigen flächendeckenden Ausbau der Dienste der Hospizbewegung, der ehrenamtlichen Begleitung von Menschen, den heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin und der Palliativpflege, den notwendigen ambulanten und stationären Angeboten für die Menschen. Das ist auch ein Prüfstein für unsere Glaubwürdigkeit in den ethischen Grundsatzdiskussionen!
Für das Miteinander der Christen, die Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft der Christen, wäre es fruchtbarer, wenn wir uns etwas weniger auf das Trennende fixieren und mehr Energie auf das gemeinsame Handeln einsetzen würden!
Bei aller Klarheit der eigenen Position waren und sind Sie, lieber Herr Dr. Schneider, immer auch Brückenbauer. So erlebten und erleben wir Sie auch in der Ökumene. In Ihrem Verständnis von Ökumene ist die Anrede Schwestern und Brüder nicht eine routinierte Formel. Bei Wahrung der eigenen Überzeugung und der Schätze sehen Sie immer wieder auch, was wir voneinander lernen können. In diesem Geist haben Sie sich in diesen Jahren auch um eine Gestaltung des 500. Jahrestages der Reformation bemüht, damit dieses Ereignis ein Impuls für die Ökumene und nicht ein Ereignis zur jeweiligen profilierten gegenseitigen Abgrenzung wird. Mein Eindruck ist, wir sind nun miteinander auf einem guten Weg zum Jahr 2017 – und daran haben Sie einen wesentlichen Anteil.
Haben wir denn, so fragen viele skeptisch, als Christen in einer säkularen und pluralen Welt überhaupt noch Chancen, mit unseren Werten Entwicklungen zu prägen? Die besondere Aufgabe und Herausforderung liegt darin, dass wir Gehör und Wirkung nicht erzielen können mit dem Hinweis, dies ist christlich oder dies ist Tradition. Noch weniger mit dem Eindruck, dass dies eben ein christlicher Sonderanspruch ist.
Wir müssen vermitteln, dass das, was uns wichtig ist, etwa die Würde des Menschen, der Maßstab der Gerechtigkeit, die entsprechenden Bedingungen für Ehe und Familie und manch anderes mehr, nicht um der Christen willen wichtig ist, dass es nicht um eine Art christlichen Sonderanspruch geht, sondern dass wir der Überzeugung sind, dass dies für alle Menschen gleichermaßen wichtig ist, damit ihr Leben und unser Zusammenleben gelingen kann. Das ist gewiss anspruchsvoller als früher.
Die Wirksamkeit unserer Werte und unserer Anliegen werden wesentlich davon abhängen, ob wir entsprechend überzeugend argumentieren, entsprechend glaubwürdig sind. Mit unserer Haltung, mit unserer Kompetenz und mit unserem Engagement. Natürlich werden wir nicht immer mehrheitsfähig werden, das ist auch nicht der Maßstab christlicher Überzeugung. Aber Salz der Erde können wir immer sein.
Unsere Wirksamkeit im Sinne christlicher Sozialethik wird aber von zwei weiteren Maßstäben abhängen:
Einmal: Ob es morgen und übermorgen genügend Menschen aus unseren christlichen und kirchlichen Gemeinschaften gibt, die in die anstrengende Welt der offenen und Pluralen Gesellschaft gehen und sich dort engagieren. Dies wird wiederum aber davon abhängen, ob sie aus unseren Kirchen heraus entsprechend gefördert und unterstützt werden – oder ob sie bei einem notwendigen Kompromiss in der offenen Gesellschaft nur Kritik ernten. Wieviel Ermutigung und Unterstützung gibt es dafür?
Der andere Maßstab für Wirksamkeit ist, ob wir jenseits unserer Lieblingsthemen und Gewohnheiten in den Entwicklungen die Zeichen der Zeit erkennen und uns damit den jeweils relevanten Aufgaben stellen. Dies ist gerade in einer Zeit so rascher Veränderungen schwierig, aber genau die zentrale Aufgabe.
Was sind jetzt die Zeichen der Zeit? Wo sind wir gefordert? Vieles spricht dafür, dass sich jetzt langjährige Entwicklungen zu Krisen und notwendigen Entscheidungen in einem bislang kaum gekannten Ausmaß verdichten. Unsicherheiten und Ängste sind immer mehr spürbar, die Konflikte nehmen zu, die Orientierung wird immer schwieriger.
Dabei zeigt sich eine Entwicklung, die wir noch vor kurzem nicht für möglich gehalten hätten. Nach Jahrzehnten des technokratischen Pragmatismus werden wir immer mehr in Wertedebatten, in grundsätzliche Auseinandersetzungen über Maßstäbe und Ziele des Handelns verstrickt und herausgefordert. Gewiss ist die Alltagserfahrung „Geld regiert die Welt“ nicht falsch. Und trotzdem gilt:
Die jeweils dominanten Wertvorstellungen prägen die Entwicklungen!
Das Verhalten der Menschen, der Gesellschaften, der Parteien und der Politik.
Die Werte, das was uns wichtig ist, prägen die Leitbilder.
Aus den Leitbildern entwickeln sich die Prioritäten im Einsatz unserer Zeit, unserer Kraft, unserer Finanzen. Die Prioritäten einer Gesellschaft prägen beispielsweise die Strukturen der öffentlichen Haushalte.
Also: Die prägenden Wertvorstellungen und der Wettbewerb der unterschiedlichen Werte prägen die Entwicklungen.
Leider müssen wir uns gegenwärtig von sicher geglaubten Entwicklungen verabschieden, etwa der großen Hoffnung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Aufteilung der Welt in Blöcke, dass sich die Ideen der Freiheit, der Menschenrechte, des Rechtsstaats und der Demokratie in einer positiven Eigendynamik nahezu weltweit verbreiten würden.
Auseinandersetzungen um die Werte:
Dies wird deutlich, wenn wir auf die aggressive Haltung Russlands im Konflikt um die Ukraine schauen. Hier wird bewusst gegen westliche Werte argumentiert, auch von denen in unserem Land und in unseren Kirchen, die in dieser Haltung Putins ihre Hoffnung sehen.
Eine grundsätzliche Auseinandersetzung um Werte, dies ist auch die Quelle des unfassbar menschenverachtenden Terrors, der sich in den verschiedensten Ausprägungen auf den Islam beruft.
Der Kampf um Werte, das ist auch die Parole der Rechtspopulisten und der Rechtsextremen. Heinrich August Winkler trifft auch einen wunden Punkt, wenn er feststellt: „Seit den westlichen Demokratien die Herausforderung in Gestalt des Kommunismus abhandengekommen ist, fehlt ihnen ein Ansporn über die eigenen normativen Grundlagen (…) nachzudenken.“ Und er hat wohl recht, wenn er schreibt, dass es uns schwerfällt, die Werte, die wir durch die genannten Entwicklungen bedroht und verletzt sehen, selbstbewusst als ein Gegenprogramm zu profilieren.
Die zunehmenden Konflikte in der Welt haben verschiedene Gründe: soziale Spannungen, in vielen Regionen vermengt mit ethnischen Konflikten, mit dem Kampf um Lebensraum angesichts der Ausbeutung aus ökonomischen Gründen oder der Veränderungen durch den Klimawandel. Die stärkste Kraft für die Konflikte und für das Engagement sind aber kulturelle und religiöse Überzeugungen, sind Werte und unterschiedliche Wertvorstellungen. Gerade deshalb versuchen alle politischen Ideologien, ob Nationalismus, Faschismus, Kommunismus sich den Charakter von Ersatzreligionen zu geben.
Wir haben mit unseren Kirchen eine große und lange Tradition im Hinblick auf das soziale Engagement und die Lösung sozialer Konflikte. Zu den Zeichen der Zeit und zu den Herausforderungen dieser Zeit zählt, dass wir uns mehr der positiven und der negativen Kraft der Kulturen und der Religionen zuwenden müssen. Den Dialog mit anderen Kulturen und Religionen können wir aber nur fruchtbar führen, wenn wir uns über unsere eigenen Werte und Maßstäbe im Klaren sind.
Was meinen wir mit westlichen Werten?
Freiheit ohne Grenzen?
Freiheit und Verantwortung – das ist das christliche Lebensmodell!
Was meinen wir mit christlichen Werten?
Bestimmte zeitgebundene Formen der christlichen Tradition?
Meinen wir das christliche Menschenbild als Grundorientierung, meinen wir die Verbindung von Freiheit und Verantwortung? Meinen wir Gerechtigkeit im umfassenden Sinne einer gerechten Ordnung, meinen wir Solidarität mit den Schwächeren hier und in aller Welt?
Das sind drängende sozialethische Fragen und Herausforderungen!
Die gegenwärtigen Entwicklungen in unserem Land, in Europa und in der Welt werden zunehmend von kulturellen Angst- und Konfliktthemen geprägt. Angst vor Identitätsverlust, Angst vor „Überfremdung“, Mobilisierung und Instrumentalisierung von Ängsten mit Begriffen wie „Islamisierung“ und „abendländische Werte“.
Die immer raschere und immer dichtere Vernetzung und Internationalisierung zwischen den Völkern und Kulturen überfordert immer mehr Menschen und führt immer mehr zu Konflikten. Daraus entspringt auch eine neue Anfälligkeit für Radikalisierung und für Fundamentalismus.
Was ist die notwendige Gemeinsamkeit für das Zusammenleben und wo muss die Verschiedenheit akzeptiert werden und wie gestalten wir dann dieses Zusammenleben? In Deutschland, gerade angesichts der anhaltenden starken Zuwanderung, in Europa, weltweit. Die gesellschaftlichen und politischen Spannungen suchen oft auch ihren Ausdruck in Zentralisierungstendenzen mit entsprechender Kontrolle Gleichmacherei; die gegensätzliche Bewegung in Separatismus mit Ablehnung übergreifender Solidarität und Verantwortung.
Welche Orientierung haben wir, welche Orientierung können wir konfessionsübergreifend anbieten?
Für viele Entwicklungen ist die Schlüsselfrage die richtige Verbindung von Vielfalt und notwendiger Einheit. Wohl auch eine Schlüsselfrage für die weitere Entwicklung in Europa. (Wahrscheinlich auch für die weitere Entwicklung unserer katholischen Weltkirche.) In dieser Situation sollten wir das Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre in seiner doppelten Ausprägung als Strukturprinzip und als Verantwortungsprinzip neu durchbuchstabieren.
Die wichtigste Botschaft für das Zusammenleben der Menschen und der Völker und als Orientierung in verwirrenden Zeiten steht in Art. 1 unseres Grundgesetzes:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Soweit mir bekannt ist, ist unser Grundgesetz die einzige Verfassung der Welt, in der diese durch keine Mehrheit zu verändernde Grundorientierung in der Verfassung und dazu auch noch am Anfang der Verfassung steht.
Warum?
Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes war bewusst, dass das Menschenbild der Nationalsozialisten die Triebkraft war für die ganze Unmenschlichkeit des mörderischen Systems, die menschenverachtende Unterscheidung Herrenmensch und Untermensch, dem Vernichtungsfeldzug gegen die Juden, für Massenmorde in vielen Ländern, die Quelle der Euthanasieprogramme mit der Unterscheidung von lebenswertem und nicht lebenswertem Leben.
Das Menschenbild ist immer wieder aufs Neue die prägende Orientierung für das Verhalten und das Handeln von Menschen, von Gesellschaften, von politischen Ideologien. Das Menschenbild des Grundgesetzes hat seine Quelle im christlichen Menschenbild. Jeder Mensch hat dieselbe Würde, unabhängig von jedem denkbaren und konstruierten Unterschied nach Alter, Rasse, Leistungsfähigkeit oder was auch immer.
Das ist der Maßstab für den Umgang mit Flüchtlingen, Asylsuchenden, mit Menschen anderer kultureller und religiöser Prägung. Das ist der unverzichtbare Kompass für eine humane Zukunft, auch im Hinblick auf Entwicklungen in der digitalen Welt. Das jeweilige Menschenbild ist auch der entscheidende Maßstab in der Frage, wer unser Partner sein kann. Menschen und Gruppierungen, die Werte wie Heimat und Familie – meistens ein bestimmtes Familienbild – beschwören, aber gleichzeitig Stimmung machen gegen Menschen anderer kultureller Prägung, Angst und Hass sähen, können nie und nimmer unsere Partner sein.
Der Maßstab Menschenbild hilft bei der notwendigen Unterscheidung der Geister! Gerade auch in den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland und in Europa!
Wir Christen müssen die leidenschaftlichen Anwälte der Botschaft von Art. 1 unseres Grundgesetzes sein. Das ist nicht ein speziell christlicher Anspruch, sondern ein Dienst für alle Menschen und unverzichtbar für eine humane Zukunft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen fürs Zuhören und ich gratuliere dem Preisträger!
Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)