"Religionsfreiheit ist Menschenrecht", sagt Papst Franziskus

Dr. Gregor Freiherr von Fürstenberg im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

auf der letzten ZdK-Vollversammlung im Mai in Regensburg, haben wir uns gemeinsam für die Freilassung der sudanesischen Christin Miriam Ibrahim ausgesprochen. Sie war zum Tode verurteilt, wurde zwischenzeitlich frei gelassen, ist geflüchtet, wurde wieder festgenommen und ist heute nach einer langen Odyssee wieder auf freiem Fuß und lebt in den USA. Ihr Mann Daniel und die beiden Kinder sind in Sicherheit und sie selber sagt: "Die Tortur ist vorbei". Wir begrüßen ihre Freilassung.

Herzlich danke ich Ihnen allen, für Ihr Engagement in dieser Sache.

Das dies leider kein Einzelfall ist, haben wir ganz aktuell vor 14 Tagen in der Presse gelesen: In Lahore/Pakistan, töteten mehrere Menschen ein Ehepaar, das angeblich den Koran geschändet haben soll. Die Christen Shama und Shahzad Masih lebten mit ihrem sechsjährigen Sohn und ihrer vierjährigen Tochter in einer winzigen Hütte. Sie waren Arbeiter in einer Ziegelbrennerei. Die wütenden Nachbarn banden die Verletzten an einen Traktor und schleiften sie durch den Ort. Dann fuhren sie zu der Ziegelfabrik und warfen die leblosen Körper in den Brennofen. Angehörige der Ermordeten berichten, die Frau sei schwanger gewesen.

Die Freilassung von Miriam im Sudan und die deutschen Presseartikel über die Morde in Pakistan zeigen, meines Erachtens, vor allem zwei Dinge:

  1. Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit ist heute auf der internationalen Agenda angekommen.
  2. Durch die genaue Beobachtung der Weltöffentlichkeit kann es sich keine Regierung und kein Staat mehr erlauben, Menschen aus religiösen Gründen egal welcher Glaubensrichtung und Konfession, zu benachteiligen oder Schlimmeres anzutun.

Bevor wir nun in einen Aktionismus abgleiten, scheint es mir wichtig, ein paar grundsätzliche Überlegungen, zum Thema "Religionsfreiheit" anzustellen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der kritischste Punkt bei der Behandlung dieses Themas ist, meiner Meinung nach, hier bei uns in Deutschland, sich nicht in einer Ecke von Islamfeindlichkeit und Islamophobie zu bewegen oder sich von anderen in diese Ecke drängen zu lassen. Es geht nicht gegen eine andere Religion. Es geht um die Freiheit in der Religion. Dies ist mir besonders wichtig als jemand, der seit vielen Jahren im christlich-islamischem Dialog engagiert unterwegs ist.

Ein paar Fakten:

Im letzten Jahr wurde erstmalig ein "Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland veröffentlicht. Darin heißt es, in 184 Ländern ist die freie Religionsausübung gefährdet. Darunter leiden Angehörige aller Religionen. Christen sind in 111 Ländern betroffen.

Wenn wir uns also als ZdK mit der Verletzung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit beschäftigen, dann sollten wir dieses auch in der Linie tun, dass es um das Menschenrecht für "die Angehörigen aller Religionen" geht und sich unser Einsatz nicht exklusiv auf Christen – so notwendig dieser ist – beschränkt.

Ich habe in meiner Beschäftigung mit dem Thema Religionsfreiheit gelernt, dass man sehr genau auf die Einzelsituation sehen muss.

Bei missio sprechen wir heute nicht mehr pauschal von Christenverfolgung, sondern von "Christen in Bedrängnis". Damit greifen wir die Sprachregelung der meisten unserer Partner aus den Ländern auf, wo eine freie Religionsausübung nicht, oder nur sehr schwer möglich ist.

Wir berufen uns dabei auf Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO, die festhält:

"Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, so wie die Freiheit seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlung zu bekennen."

Damit ist sowohl die positive Religionsfreiheit definiert, das heißt, dass sich jeder Mensch zu einer Religion bekennen und diese Religion ausüben darf, wie auch die negative Religionsfreiheit, also das Recht eines jeden Menschen eine Religionsgemeinschaft freiwillig verlassen zu dürfen und seine persönlichen religiösen Überzeugungen nicht offenbaren zu müssen.

Das Recht jedes einzelnen Menschen auf freie Religionsausübung wird als individuelle Religionsfreiheit bezeichnet. Da die Menschen das Recht haben, ihre Religion auch gemeinschaftlich auszuüben, genießen daraus abgeleitet auch religiöse Gemeinschaften Religionsfreiheit. Man spricht dann von korporativer Religionsfreiheit.

Zu den Zahlen:

Journalisten möchten gerne griffige Zahlen haben. Diesen Wunsch kann man gut nachvollziehen. Einige christliche Gruppen machen es sich hier jedoch zu einfach. Wenn im Distrikt Kandhamal im indischen Bundesstatt Orissa 50.000 Christen auf Grund ihres Christseins Opfer von Verfolgung wurden, ist dies eine Christenverfolgung im Bundesstaat Orissa und betrifft nicht alle 30 bis 40 Millionen Christen, die in Indien leben.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Jedes einzelne Verfolgungsopfer ist zu beklagen und ein Opfer zu viel. Aus effektheischenden Gründen hier zu pauschalisieren, wird den Menschen jedoch nicht gerecht. Hinter den nackten Zahlen verstecken sich die Schicksale von einzelnen Menschen die Familienangehörige und Freunde verloren haben, denen auf der Arbeit gekündigt wurde, oder die nicht mehr zur Schule gehen können, allein auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit.

Um genau hinzuschauen, gibt missio seit mehreren Jahren eine Reihe zum Thema Religionsfreiheit heraus. Hier schauen wir uns Land für Land, Bundesstaat für Bundesstaat in enger Kooperation mit unseren Partnern detailliert an, um Auskunft geben zu können, inwiefern das Menschenrecht auf Religionsfreiheit gewährt wird.

Christen in Bedrängnis

Obwohl die Religionsfreiheit völkerrechtlich verbindlich verbürgt ist, bleibt sie ein gefährdetes und vielfach verletztes Menschenrecht. Die Verletzungsphänomene reichen von allgemeiner Stigmatisierung und Diskriminierung von Minderheiten über gezielte staatliche Zensurmaßnahmen bis hin zur genozidaler Verfolgung ganzer Religionsgruppen. Verfolgte religiöse Minderheiten sind – in unterschiedlichen Graden – z.B. Hindu Tamilen im mehrheitlich buddhistischen Sri Lanka, Baha´i im Iran, Christen in den hindufundamentalistischen Bundesstaaten Orissa und Gujarath in Indien, Zeugen Jehovas im von der christlichen Orthodoxie geprägten Griechenland, tibetanische Buddhisten, Muslime, christliche Gruppen und Anhänger von Falun Gong in China sowie Aleviten, Yesiden und christliche Gruppen in der Türkei, Kopten in Ägypten. In Nordkorea steht auf den Besitz einer Bibel die Todesstrafe.

Ebenso wird das Menschenrecht auf Religionsfreiheit verletzt durch das Verbot des Religionswechsels in einer Reihe islamisch geprägter Staaten oder das Minarett-Verbot in der Schweiz. Wir fordern die Möglichkeit für Christen, ihren Glauben in Ländern der islamischen Welt zu leben und andersherum genauso.

Weitgehende Einigkeit besteht zu der Feststellung: Christen gehören weltweit zu den am stärksten bedrängten religiösen Gemeinschaften.

Irak

In Zusammenhang mit der Vertreibung der letzten Christen aus Mossul / Irak appellierte der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Yousuf III. Younan an die Staatengemeinschaft: "Wir Christen sind im Irak, in Syrien und im Libanon zu Hause: Wir sind nicht importiert worden, wir sind da seit zwei Jahrtausenden und so haben wir das Recht, als Menschen und Bürger jener Länder behandelt zu werden. Sie verfolgen uns im Namen ihrer Religion und sie drohen nicht bloß, sondern sie machen ihre Drohungen wahr. Sie brennen nieder und sie ermorden."

Aufgrund des barbarischen Krieges durch extremistische Islamisten – besonders vonseiten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) – und aufgrund mangelnder Sicherheit haben etwa die Hälfte der Christen, genauso wie viele andere Minderheiten, das Land verlassen. Viele sind auch aus dem Zentral- und Südirak in den sichereren kurdischen Norden geflohen. 1,2 Millionen Menschen haben die Islamisten bereits vertrieben.

Die Terrormiliz IS bedroht Andersgläubige mit dem Tod. Wer an etwas anderes glaubt als die radikalen Islamisten wird umgebracht. Mit dieser menschenverachtenden Losung im Kopf erobert die Terrormiliz im Irak immer mehr Teile des Landes. Menschenrechtler sprechen bereits in den Gebieten im Irak (und in Syrien), die vom IS beherrscht werden, von einem Völkermord an den dortigen religiösen Minderheiten. Wir haben gedacht, dass so etwas weltgeschichtlich vorbei ist.

Syrien

Beispielhaft für die Situation in Syrien sei das Schicksal des am 7. April diesen Jahres ermordeten Jesuiten Frans van der Lugt genannt. Er wurde in seinem Konvent in der Altstadt von Homs von Unbekannten erschossen. Zwei Bewaffnete drangen in seine Wohnung ein und töteten den 75-Jährigen mit Kopfschüssen. Der niederländische Jesuit, der seit 1964 in Syrien als Seelsorger und Psychotherapeut wirkte, starb im Stadtviertel Bustan al-Diwan, in dem er sich um Verständigung unter den Menschen der eingeschlossenen Einwohner der Altstadt bemüht hatte. Van der Lugt hatte sich bis zuletzt geweigert, die umkämpfte Stadt zu verlassen, solange dort noch Hunger und Not herrschen. Auch nach der Evakuierung von 1.400 Bewohnern unter Führung der UNO im Februar wollte er bei den verbleibenden Bewohnern ausharren. Sein Grab in der Kapelle der Jesuiten ist inzwischen zu einem Pilgerort für zahlreiche Gläubige geworden.

Um die Position der Christen vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges in Syrien richtig einzuordnen, muss vor allem bedacht werden, dass die meisten syrischen Christen in strategisch wichtigen Landesteilen leben. Dazu gehören die Städte Aleppo und Damaskus samt ihrer Umgebung, sowie der Regierungsbezirk um Homs im Süden des Landes nahe der libanesischen Grenze.

Im Fall eines Regierungswechsels werden Anarchie und weitere Machtkämpfe erwartet. Sollte es zu einer Machtübernahme durch die islamischen Extremisten kommen, so wäre es um die Zukunft der Christen und anderer Minderheiten noch schlechter bestellt als heute.

missio Kampagne "Christen in Bedrängnis" – Pakistan

Mit der Aktion "Lebenszeichen – Solidarität für bedrängte Christen" bittet missio unsere Pfarrgemeinden am Beispiel von Pakistan um Solidarität mit den "Bedrängten Christen".

Ein konkretes Beispiel ist unsere Solidarität mit Asia Bibi. Das pakistanische Strafgesetzbuch sieht für die Verunglimpfung des Propheten Mohammed die Todesstrafe vor. Im Alltag wird das Blasphemie-Gesetz häufig dazu missbraucht, um im Zuge von Nachbarschaftsfehden, politischen Querelen oder ökonomischen Streitigkeiten missliebige Personen auszuschalten oder unter Druck zu setzen. Vor fünf Jahren, im Jahre 2009, ist die heute 43-jährige fünffache Mutter Asia Bibi unter dem Vorwurf der Gotteslästerung festgenommen und im November 2010 als erste Frau in der Geschichte Pakistans wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden. Was hat sie gemacht?

Während der Feldarbeiten wurde sie von anderen Landarbeitern gebeten, Wasser zu holen. Nach Zeugenaussagen habe Bibi für die Gruppe Wasser geholt und sei daraufhin aufgefordert worden, sich zum Islam zu bekennen, da die anderen Frauen einwandten, das Wasser sonst nicht trinken zu können. Infolgedessen sei eine Diskussion zwischen den Anwesenden entbrannt. Die Schilderungen aller Beteiligten stimmen bis zu diesem Punkt überein. Nach Aussage der Frauen soll Asia Bibi dann behauptet haben, dass Jesus Christus und nicht Mohammed der wahre Prophet Gottes sei, was sie abstreitet.

Nach dem Vorfall ist Asia Bibi zu ihrer Familie geflüchtet. Einige Tage später, am 19. Juni 2009, versuchten Einwohner des Dorfes sie in ihre Gewalt zu bringen und zu bestrafen, was durch einen Einsatz der Polizei verhindert wurde. Diese verhaftete die Frau, um sie vor weiteren Übergriffen zu schützen.

Daraufhin wurde sie angeklagt und nach dem Artikel 295-C zum Tode verurteilt. Seither wartet sie in ihrer Zelle auf ihre Gerichtsverhandlungen und wie unsere pakistanischen Partner sagen "verrottet dort".

Ihre Familie ist wegen mehrerer Drohungen untergetaucht. Zwei pakistanische Politiker, welche sie unterstützten, wurden 2011 ermordet, darunter ein Bundesminister.

Asia Bibi steht als Fall für mittlerweile knapp 1.250 ähnliche Anklagen, gleichermaßen gegen Christen, Muslime, Hindus und andere religiöse Minderheiten.

Wenn wir uns also für Asia Bibi einsetzen, dann setzen wir uns damit auch für die Freiheit von allen Menschen ein, die von diesem Gesetz in Pakistan betroffen sind, gleichgültig welcher Religion sie angehören.

Um die Öffentlichkeit in Deutschland auf das Schicksal von Asia Bibi aufmerksam zu machen, startete missio zum fünften Jahrestag der Verhaftung von Asia Bibi eine Petition unter der Überschrift "Reißen Sie Mauern ein: Freiheit für Asia Bibi".

In dieser Petition fordert missio die Bundesregierung auf, diplomatische Bemühungen gegenüber Pakistan zu unternehmen, damit Asia Bibi in die Freiheit entlassen wird und mit ihrer Familie in Sicherheit leben kann. missio stellt Aktionsmaterial und Liturgische Hilfen zur Verfügung: Jeder kann damit beispielsweise in seiner Pfarrgemeinde, seinem Verband, seiner Bewegung ein Lebenszeichen für bedrängte Christen setzen.

Gott schenkt allen Menschen die gleiche Würde. Als prophetische Kirche gilt unsere besondere Aufmerksamkeit den Entrechteten, den Armen und den Schwachen dieser Welt.

Wir machen Verletzungen der Religionsfreiheit öffentlich und unterstützen engagierte Christen in Afrika, Asien und Ozeanien, die sich für Glaubensfreiheit, das Gespräch mit anderen Religionen, Frieden und Versöhnung einsetzen.

Wir wissen aus unserer Arbeit: Bedrängte Christen haben Angst, dass sie die Welt vergisst. Mut fassen bedrängte Christen, wenn Menschen anderswo an ihrem Schicksal Anteil nehmen und im Gebet mit ihnen verbunden sind.

Es geht dabei nicht allein um die Anliegen von Christen, sondern um die von Angehörigen aller Religionen, für die wir Religionsfreiheit fordern.

Denn wir sagen – und damit möchte ich schließen: Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit ist unteilbar und gilt für alle Menschen.

 

 

Dr. Gregor Freiherr von Fürstenberg Vize-Präsident, missio - Internationales Katholisches Missionswerk e.V.

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