Grußwort von ZdK-Präsident Alois Glück bei der EKD-Synode

- es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Schwestern und Brüder,

 

ich freue mich und danke Ihnen, dass ich heute erneut ein kurzes Grußwort an Sie richten darf! Ich möchte Ihnen einige Gedanken sagen zu meiner Kirche, zur Ökumene und zu unserer Gesellschaft.

Dresden ist auch für Katholiken ein historischer Ort: Die Dresdner Pastoralsynode gehört zur Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland nach dem Zweiten vatikanischen Konzil wie die gemeinsame Synode der Bistümer Deutschlands – der Bundesrepublik – in Würzburg.

Hier hat der erste gemeinsame Katholikentag nach der Wende stattgefunden. Das war 1994 und ist noch heute vielen Menschen in guter Erinnerung. Das Leitwort hieß damals: "Unterwegs zur Einheit!" Und ich kann sagen: Wir sind auf diesem Weg – politisch wie kirchlich – sehr weit gekommen, auch wenn noch weitere Schritte zu gehen sind. Vor allem haben die Menschen hier in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, in Thüringen, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durch Ihr Engagement zum Zusammen-Wachsen der Bundesrepublik Deutschland entscheidend beigetragen! Ich bin nicht nur für den 9. November dankbar, sondern auch für diese 25 Jahre danach und für alles, was die Menschen hier geleistet haben!

Jetzt gehen wir auf den Katholikentag zu Leipzig zu. Bischof Dr. Heiner Koch hat eingeladen. Ein Jahr vor dem Reformationsgedenken, vom 25. bis 29. Mai 2016, werden wir unter dem Leitwort "Seht, da ist der Mensch!" den 100. Deutschen Katholikentag feiern. In ökumenischer Verbundenheit arbeiten wir in der Vorbereitung mit vielen evangelischen Christen zusammen. Alle ostdeutschen Diözesanräte machen mit und engagieren sich. Es ist eine wunderbare Gemeinschaft – ökumenisch sensibel und im wechselseitigen Vertrauen. Dies sollte auch vor, während und nach 2017 den Geist der Kirchen- und Katholikentage prägen.

Wir fühlen uns von den evangelischen Christinnen und Christen sehr stark mitgetragen. Danke an Landesbischof Jochen Bohl und alle Unterstützerinnen und Unterstützer in der Landeskirche!

Sie alle möchte ich einladen: Seien Sie dabei und kommen Sie zum 100. Deutschen Katholikentag!

Katholikentage und Kirchentag sind herausragende Beispiele für ein Christentum, dass mitten in der Welt lebt, wirkt und sich engagiert! Hier zeigt sich, dass Christen unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten. Hier zeigt sich auch die Kraft des Ehrenamts in der Kirche – unüberschaubar groß! Dieser Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte, dass Ringen um Werte und um Lösungen in zentralen gesellschaftlichen Fragen in unserem Land, die gemeinwohlorientierten kirchlichen Aktivitäten sind auch für eine weithin der Religion entfremdeten Gesellschaft und dem säkularen Staat wichtig.

Lassen Sie mich einen kurzen Rückblick auf die außerordentliche Weltbischofssynode zur Ehe- und Familienpastoral halten, die im Oktober stattgefunden hat:

Ich bin dankbar für die neue Offenheit und Dialogbereitschaft, die wir erleben.

Ein Zeichen der Offenheit war unter anderem die Veröffentlichung der einzelnen Abstimmungsergebnisse. Es wurde dem Prozess Raum gegeben und nicht nur erwünschte Ergebnisse verkündet. Es gab den vielfach kommentierten Zwischenbericht nach der ersten Synodenwoche und am Ende der zweiten Woche wurden die Abstimmungsergebnisse veröffentlicht – inklusive derer, die die 2/3-Mehrheit nicht erreicht haben. Dies war bei den Passagen zum Thema wiederverheiratet Geschiedene und Homosexualität der Fall. Niemand hätte vor dieser Synode dieses offene Ringen um Positionen und diese Ergebnisse für möglich gehalten.

Dieser Papst passt nicht in unsere gewohnten Schubladen mit den Etiketten konservativ oder liberal. Er hat für sein Denken und Handeln zwei Bezugspunkte: Jesus und die Frohbotschaft des Evangeliums als Quelle und Maßstab und die konkreten Lebenssituationen der Menschen. Immer wieder betont er: Kirche ist kein Selbstzweck. Dafür gebraucht er ja  Formulierungen wie „narzisstische“ Theologie. Kirche ist kein Selbstzweck – das ist auch für alle Konfessionen eine wichtige Orientierung auf dem Weg der Ökumene.

Für den weiteren Weg der Kirche zeigt sich immer mehr als zentrale Aufgabe und Herausforderung: wie gelingt die richtige Verbindung von Vielfalt und Einheit.

In der Beziehung von Weltkirche und Ortskirchen und in der Vielfalt der Glaubenswege und Frömmigkeitsformen, den gesellschaftlich unterschiedlichen Situationen schon innerhalb der modernen Lebenswelten und erst recht zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Lebensbedingungen in dieser Welt. Die richtige Verbindung von Vielfalt und Einheit – das ist ja auch eine zentrale Themenstellung der Ökumene. Papst Franziskus sprengt unser europäisch fixiertes Denken. Das ist ein wichtiges Kapitel auf den Weg unserer katholischen Kirche. Wie schon in der übrigen globalisierten Welt haben wir auch hier die Entwicklung, dass Europa eben nicht mehr der Mittelpunkt ist, nachdem sich alle zu richten haben.

Ich komme einer der gesellschaftlichen Frage, die mich derzeit am meisten umtreibt: Organisierte Suizidbeihilfe und Verbesserung der Palliativversorgung. Es ist das bestimmende gesellschaftliche Thema für das ZdK in diesem Herbst und wird uns auch im kommenden Jahr weiter beschäftigen. Die politischen Entscheidungen werden voraussichtlich im Herbst 2015 fallen und bis dahin wollen wir uns an der Diskussion beteiligen.

In der kommenden Woche ist im deutschen Bundestag dazu eine erste Grundsatzdebatte. Diese Grundsatzfragen des Lebensschutzes, die zu den wirklichen Gewissensfragen des politischen Handelns zählen, werden im Deutschen Bundestag mit einer Intensität und jenseits von Parteiinteressen geführt, wie in kaum einem anderen europäischen Parlament. Das sollten wir auch ausdrücklich würdigen und anerkennen. Diese Entwicklung ist sicher eng verbunden mit der Rolle unserer Kirchen, denen jenseits von allen bleibenden Meinungsverschiedenheiten auch eine entsprechende Legitimation und Aufgabe zugeschrieben wird.

Im Oktober hat der Hauptausschuss des ZdK eine ausführliche Stellungnahme "Ja zur palliativen Begleitung, Nein zur organisierten Suizidbeihilfe" verabschiedet. Dieses Heft liegt für Sie zum Mitnehmen aus! (Beschluss wurde wegen der Orientierungsdebatte im Bundestag am 13. November vorgezogen)

Das ist unsere Position: Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, jede Form der organisierten Beihilfe zum Suizid ausnahmslos und strafbewehrt zu verbieten. Darüber hinaus fordern wir den Bundestag auf, zeitgleich die palliative Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen umfassend zu verbessern und strukturell abzusichern. Dazu gehört neben palliativmedizinischen und palliativpflegerischen Maßnahmen auch die psychosoziale und hospizliche Begleitung der Betroffenen. Beides zusammen, das Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid wie die Sicherstellung umfassender palliativer Versorgung, gebietet der Respekt vor der Selbstbestimmung jedes Menschen und seiner unantastbaren Würde in der  Lebenssituation des Sterbens.

Wir sehen uns in Übereinstimmung mit der vom Prälat Dr. Martin Dutzmann zu dargelegten Position bei der Anhörung der Unionsfraktion im deutschen Bundestag und dem  Beitrag vom Professor Dr. Wolfgang Huber in der FAZ. Dafür sind wir dankbar.

Gemeinsam sind wir als Christen aber ganz besonders herausgefordert allen Menschen in Deutschland die dieser Hilfe bedürfen, die Möglichkeiten der Palliativmedizin, der Palliativpflege und der Hospizbegleitung  durch ein entsprechendes Netzwerk von ambulanten und stationären Diensten auch tatsächlich zugänglich zu machen.

Wenn wir dieses nicht leisten, wird unsere Argumentation zum Zynismus und unglaubwürdig. Es zählt ja leider zu den Realitäten, dass unendlich viele Menschen heute in dieser Lebensphase körperlich und psychisch mehr leiden müssen, als nach den heutigen Möglichkeiten der Hilfe und Begleitung notwendig wäre.

Bei dieser Debatte und diese Entscheidung geht es um mehr als um Medizin und Pflege, so wichtig dies ist. Es geht um eine Richtungsentscheidung für die weitere Entwicklung in unserer Gesellschaft und um eine Entscheidung über die Prioritäten beim Einsatz unserer Ressourcen. Das wird besonders deutlich in einer Formulierung der früheren Bundestagsabgeordneten Ingrid Matthäus-Maier, die in einem Artikel in der FAZ mit dem Titel „Mein Ende gehört mir“ die Palliativmedizin würdigt und dann schreibt: „Angesichts der demographischen Entwicklung wird es auch bei allen zu unterstützenden Anstrengungen keine ausreichenden flächendeckenden Angebote geben können.“ Die Schlussfolgerung: deshalb ist die organisierte Beihilfe zum Suizid notwendig.

Diese Alternative, diese Perspektive muss man sich konkret vorstellen:

Organisierte Beihilfe zum Suizid als Alternative, weil wir das Geld für den Ausbau dieser Angebote nicht hätten.

Ich will damit nicht besonders Frau Matthäus- Maier kritisieren, Sie steht ja nur stellvertretend für eine weit verbreitete Position, aus der sichtbar wird, welche Grundsatzentscheidungen anstehen.

Das beschriebene Ziel ist aber nur erreichbar mit einer großen gemeinschaftlichen Anstrengung, mit einer großen Gemeinschaftsleistung der Bürgergesellschaft/ Zivilgesellschaft und des Staates. Mit den notwendigen Entscheidungen im Bundestag für die rechtlichen Grundlagen einer verlässlichen Finanzierung ist ja für die konkreten Lebensräume noch kein verfügbares Angebot realisiert. Dies ist nur durch entsprechend konkrete Initiativen durch engagierte Menschen, durch Institutionen und durch die regionale Politik möglich.

Dies ist ein besonderer Glaubwürdigkeitstest für uns Christen und  für unsere Kirchen.

Das ist eine Aufgabe für die Ökumene der Taten! Ich schlage vor, dass unsere beiden Kirchen in der Zusammenarbeit mit der Hospizbewegung und anderen interessierten gesellschaftlichen Gruppen dafür ein Aktionsbündnis schmieden. Das dürfen wir auch nicht einfach an die Diakonie und die Caritas delegieren, es ist eine Gemeinschaftsaufgabe für uns alle! Eine solche Initiative ist nicht nur für die notwendigen Strukturen und Angebote für Medizin, Pflege und Begleitung notwendig. Es geht um ganz grundsätzliche Fragen der Situation von schwerkranken und sterbenden Menschen in unserer Gesellschaft, es geht um grundlegende Fragen der Lebenskultur in unserem Lande, es geht um Sterbekultur und Trauerkultur. Wer könnte hier mehr berufen sein als wir Christen, als unsere Kirchen.

Schließen möchte ich mit einigen Gedanken zur Ökumene.

Wir feiern am 21. November 2014  50 Jahre des Ökumenismusdekrets Unitatis Redintegratio! Es ist also ein sehr guter Anlass, das Konzil zu würdegen und das ökumenisch schon Erreichte. All das, was in meiner Kindheit und Jugend undenkbar war!

In allen katholischen Kathedralen wird dieses Jubiläum festlich begangen mit einem ökumenischen Gottesdienst, überall, so hoffe ich, gemeinsam mit den Landesbischöfinnen und Landesbischöfen – und mit katholischen, evangelischen und orthodoxen Christen.

Auch wir im ZdK versammeln uns in Bonn zu einem ökumenischen Gottesdienst, den wir gemeinsam mit Verantwortlichen des DEKT feiern. Das Jubiläum fällt passenderweise genau auf den Freitag unserer Vollversammlung. Ich habe die katholische Münsteraner Ökumenikerin Dorothea Sattler und die DEKT-Generalsekretärin Ellen Ueberschär gebeten, uns in der Vollversammlung ein Wort zum Ökumenismusdekret zu sagen. Ich freue mich darauf.

Gerade hier in Dresden liegt es nahe, die gemeinsame Herausforderung des Gottesbekenntnisses angesichts von religiöser Indifferenz und argumentativem Atheismus anzusprechen. In der Vorbereitung für den Katholikentag in Leipzig lerne ich aktuell sehr viel. Wie es ist als gläubiger Mensch in einer säkularen Atmosphäre zu leben und sich selbst zu verorten. Wer – wie ich – im katholischen Bayern verwurzelt ist, dem fällt es gar nicht so leicht dies nachzuempfinden.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns als Christen auf den Weg machen: Gemeinsam die frohe Botschaft und den Auftrag des Evangeliums – den Kern unseres Glaubens –zu leben und den Menschen Rede und Antwort zu stehen, wenn sie nach der Hoffnung fragen, die uns bewegt.

Zum Schluss möchte ich für das ganze ZdK, aber auch persönlich, ein „Vergelt’s Gott!“ an Nikolaus Schneider sagen. Lieber Herr Präses Schneider, Sie waren für uns und für mich ein immer ansprechbarer, immer fairer, immer brüderlicher Gesprächspartner. Ich danke Ihnen für Ihren Dienst für Ihre Kirche und zugleich für Ihren Dienst in Politik und Gesellschaft. Wie bei einer Bergwanderung gab es dabei leichte und schwere Etappen. Wann immer ich Sie traf, habe ich mich darauf gefreut. Das wird auch in Zukunft so sein. Herzlichen Dank für alles.

 

Ich wünsche Ihrer Synode einen guten Verlauf und gute Entscheidungen!

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Diesen Artikel teilen:
Schlagworte