Brief an die jüdischen Gemeinden in Deutschland

von ZdK-Präsident Alois Glück

An die
jüdischen Gemeinden in Deutschland

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Vorsitzende,
 

in großer Sorge schreibe ich Ihnen angesichts der alarmierenden Zunahme antisemitischer Vorkommnisse weltweit. Auch aus Deutschland erhalten wir von vielen unserer jüdischen Freundinnen und Freunde Berichte über Droh- und Schmähanrufe bei jüdischen Gemeinden. Jüdische Menschen wurden wiederholt zum Ziel antisemitisch motivierter Angriffe. Selbst in kleinen Ortschaften sehen die Behörden Anlass, die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen zu verstärken. Dass Juden nur unter dem Schutz der Polizei sich am Schabbat in der Synagoge zum Gebet versammeln können, zeigt die bedrohliche Lage.

Das alles ist unerträglich. Gleiches gilt für eine allzu oft mit Judenfeindschaft vermischte Kritik an der Politik des Staates Israel. Selbst wenn man über die Politik Israels empört ist, rechtfertigt dies niemals antisemitische Parolen und aggressives Verhalten gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Vieles ist derzeit offensichtlich aus den Fugen geraten. Millionen Menschen sind weltweit, vor allem aber im Nahen und Mittleren Osten, auf der Flucht. Die Zahl der Toten, die politischen und religiösen Konflikten zum Opfer gefallen sind, geht allein in diesem Jahr bereits in die Zehntausende. Auch christliche Minderheiten werden immer häufiger verfolgt, Menschen entführt, zur Konversion gezwungen.

Wir alle sind aufgerufen, wachsam zu sein und Position zu beziehen. Rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Propaganda und Aktionen sind mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. Für uns alle gilt: wehret den Anfängen, keine Verharmlosung solchen Verhaltens! Wir alle müssen zusammenstehen, um unser Land vor diesem Ungeist zu schützen. Unsere Bemühungen um eine Vertiefung des Dialogs der Religionen müssen intensiviert werden. Gemeinsam können und müssen wir die Werte der Toleranz, der Achtung und Würde des Lebens, die allen großen Religionen eigen ist, denen entgegenstellen, die Religion als Instrument des Krieges und des Hasses missbrauchen.

Mit meinen Zeilen möchte ich der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland unsere Solidarität zusichern. Als Katholiken haben wir vor allem mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil neu erfahren dürfen, wie sehr die Kirche auf dem Fundament der Synagoge aufgebaut ist. Das außerordentliche Engagement der Päpste seit dem Konzil für den jüdisch-christlichen Dialog lehrt uns, wie eng wir geschwisterlich verbunden sind. Christen dürfen daher im Angesicht judenfeindlicher Angriffe nicht schweigend abseits stehen.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verurteilt in aller Schärfe jegliches antisemitische Reden und Handeln. Wo wir können, werden wir unseren jüdischen Nachbarn und den jüdischen Gemeinden in der Verbundenheit der gemeinsamen Glaubenswurzel beistehen.

Mit freundlichen Grüßen

Alois Glück
Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

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