vom 14. bis 16. November 2013 in der Abtei Maria Laach
Werkstattgespräch "LEIB – RAUM – KIRCHE. Über profane und sakrale Räumlichkeit"
Eröffnungsansprache von Prof. Dr. Thomas Sternberg -es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch ich darf Sie herzlich zu diesem Werkstattgespräch begrüßen. Ich freue mich sehr, dass Sie der Einladung der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) nach Maria Laach gefolgt sind und wir heute hier zusammenkommen. "LEIB – RAUM – KIRCHE. Über profane und sakrale Räumlichkeit", so lautet die Überschrift über die vor uns liegenden drei Tage. Sie werden geprägt sein durch den Dialog über die Beziehung von Architektur und Kirche, von den Gottesdiensten in der Abteikirche und vom Erleben der Räume hier vor Ort.
Dieses Werkstattgespräch steht in einer längeren Tradition, in der wir als ZdK den Dialog zwischen Kirche und Kunst suchen; ein Anliegen, dass wir mit der Deutschen Bischofkonferenz teilen. Im Jahr 1979 haben wir dazu die Werkstattgespräche ins Leben gerufen, die in unregelmäßigen zeitlichen Abständen stattfinden. Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Prof. Dr. Hans Maier, ehemaliger Präsident des ZdK, der diese Gespräche zusammen mit den Verantwortlichen der Bischofskonferenz maßgeblich gefördert und ins- piriert hat. In ihrem Zentrum steht das offene Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern wie mit Kulturschaffenden, meist einer Kunstsparte: so etwa 1997 in Kopenhagen die bildende Kunst, 1998 in Telgte die Literatur und 2002 in Hirschberg die Musik. Nun stehen wir am Beginn des siebten Werkstattgesprächs, in dem wir uns auf Architektur und die Gestaltung von Räumen konzentrieren werden.
Wie sind wir zu unserem diesjährigen Themenschwerpunkt gekommen? Den jüngsten "Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken" haben die Deutsche Bischofskonferenz und das ZdK vor zwei Jahren an den Architekten Peter Zumthor verliehen. Damit ist das Thema "Raum" in den Mittelpunkt unseres Kirche-Kunst-Dialogs gerückt. Um dieses wichtige Thema weiter wach zu halten und zu vertiefen, hat sich eine thematische Verbindung mit dem diesjährigen künstlerischen Werkstattgespräch angeboten. Eine solche Verknüpfung von Kulturpreis und Werkstattgespräch hat sich schon in den Jahren 2008/2010 bewährt: beide widmeten sich dem Thema "Kirche und Theater", was eine ebenso intensive wie nachhaltige Bearbeitung ermöglicht hat. Ich bin zuversichtlich, dass uns ein solcher roter Faden auch diesmal wieder glücken wird.
Den Ort unseres Werkstattgesprächs haben wir nicht zufällig gewählt: Die im Jahr 1093 gegründete Abtei Maria Laach besitzt eine Kirche, die zu den bedeutendsten Schöpfungen der Romanik zählt. Dieses Gästehaus "St. Gilbert" vereint eine Stilmischung aus Beuroner Stil und Bauhaus, die weitgehend authentisch erhalten ist. Um es kurz zu sagen: Maria Laach ist einer der inspirierendsten Orte, die ich kenne. Dies darf ich auch vor dem Hintergrund sagen, dass mir dieser Ort sehr vertraut ist: Regelmäßig zum Beginn des Jahres finden hier Politikerexerzitien statt, an denen ich oft teilnehmen konnte. Ich hoffe, dass der Genius dieses Ortes zum Gelingen unseres Gesprächs beitragen wird.
Doch nicht allein der Ort unseres Werkstattgesprächs ist bedeutsam, auch die Zeit ist von Relevanz: Als wir Sie zu dieser Veranstaltung eingeladen haben, ahnten wir nicht, wie sehr das Thema Architektur und Kirche die öffentliche Diskussion in den vergangenen Wochen beherrschen und auch uns umtreiben würde. Das Bauprojekt in Limburg hat nicht zuletzt Fragen nach der Kirche als Bauherrin aufgeworfen, nach der Berechtigung von großen Bauaufträgen, nach ihrer Finanzierung und der notwendigen Kontrolle durch Gremien. Sie, Herr Bartetzko, haben mit Ihrem Artikel sehr zur Versachlichung der Diskussion beigetragen, bei der es nicht allein um die privaten Vorlieben eines Bischofs geht. Auch diese Anfragen werden uns sicher in den kommenden Tagen begleiten.
Die Kirchen sind auch in der Gegenwart wichtige Trägerinnen von Bau- und Umbauprojekten. Seit 1995 sind in Deutschland mehr als 50 katholische Kirchen und eine Vielzahl weiterer öffentliche Gebäude der katholischen Kirche – darunter Schulen, Bibliotheken, Krankenhäuser oder Seniorenwohnheime – neu erbaut worden. Rund 24.500 katholische Kirchengebäude in Deutschland sind zu erhalten und immer wieder an ihre gegenwärtigen Aufgaben anzupassen – dazu gehört bei einem kleinen Teil auch die Umnutzung. Der Wandel der Kirche und der Gemeinden vor Ort findet auch in ihren Räumen ihren Niederschlag.
Vor einigen Tagen ist mir eine Broschüre in die Hände gefallen, in der sich eine große fusionierte Pfarrgemeinde vorstellt. Das Titelbild zeigt vier sehr unterschiedliche Kirchtürme – zwei romanische, einen neogotischen, und einen aus den sechziger Jahren. Und es trägt die Überschrift "Vier Tore zum Himmel". Eine selbstbewusste Aussage und eine Einladung an die Menschen im Umfeld, die Kirchenräume wahrzunehmen und zu nutzen. In der Hoffnung und im Wissen darum, dass sie Orte der Gotteserfahrung, der Begegnung mit Menschen und mit Gott werden können.
Zugleich haben Kirchengebäude häufig zentrale Bedeutung für die Gemeinschaft eines Ortes, sie bilden Kristallisationspunkte von Stadtteilen und Dörfern. Sie sind vielfach Stätten und Ausgangspunkte diakonischen Handelns, der Sorge um die Menschen und der Pflege von Kunst und Kultur. Sie waren Rückzugsorte in Kriegszeiten sowie Orte des politischen Engagements bis hin zum friedlichen Widerstand, und sind dies auch heute immer wieder. An Orten, an denen Kirchengebäude gefährdet sind, bilden sich oft bürgerschaftliche Initiativen weit über die Mitglieder der Pfarrgemeinden hinaus. Sie machen deutlich, dass den Kirchenbauten für die gesamte Bevölkerung Bedeutung zukommt.
Derweil darf sich der Blick von Christinnen und Christen nicht auf kirchliche Bauten beschränken. Peter Zumthor, der Preisträger unseres Kunst- und Kulturpreises 2011, hat den Existenzbereich von Architektur wie folgt beschrieben: "Sie steht in einer besonderen körperlichen Verbindung mit dem Leben. In meiner Vorstellung ist sie zunächst weder Botschaft noch Zeichen, sondern Hülle und Hintergrund des vorbeiziehenden Lebens, ein sensibles Gefäß für den Rhythmus der Schritte auf dem Boden, für die Konzentration der Arbeit, für die Stille des Schlafs."[i]
Die Würzburger Synode hat herausgestellt: "Handlungsraum der Kirche" ist der "Lebensraum der Menschen"[ii]. Die Gestaltung aller Räume als lebenswert, lebensförderlich, ja als human muss uns ein Anliegen sein. Wir brauchen Gebäude, Plätze und Bauensembles, die dazu beitragen, dass Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Arme und Reiche in gegenseitiger Achtung miteinander leben und ihr Leben gelingen kann. So können auch alltägliche Lebensräume für Menschen "Tore zum Himmel" werden.
Zum Abschluss möchte ich mich im Namen des Präsidenten des ZdK, Alois Glück, dem Dank meines Vorredners anschließen. Er gilt Ihnen, Herr Erzbischof Zollitsch und der Deutschen Bischofskonferenz als unserem Kooperationspartner. Unser Dank richtet sich an alle, die dieses Werkstattgespräch vorbereitet haben und zu seinem Gelingen in vielfacher Weise beitragen, nennen möchte ich Herrn Dr. Koch und Frau Dr. Schößler. Er gilt Ihnen allen, die Sie heute hier zusammengekommen sind. Unser Austausch lebt von der Verschiedenheit der Erfahrungen und Expertisen, die wir alle einbringen. Uns erwarten intensive Begegnungen und Gespräche, die wir in aller Offenheit führen können. Zu den Charakteristika der Werkstattgespräche gehört es, dass sie nicht notwendig zu greifbaren Ergebnissen führen, vielmehr überlassen sie diese dem Prozess. Gleichwohl sind die Gespräche mit Werkstattcharakter von allergrößtem Wert. In ihnen entwickeln sich Gesprächsfäden und Beziehungen, die langfristig in unserem Handeln weiterwirken können. In diesem Sinne wünsche ich uns ein gutes Gelingen des Werkstattgesprächs.
[i] Peter Zumthor, Architektur denken, Basel – Boston – Berlin 20062, 12.
[ii] Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Pastoralstrukturen, OG I, S. 690.
Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg MdL Sprecher des Sachbereichs "Kulturpolitische Grundfragen" des ZdK in Vertretung des Präsidenten des ZdK, Alois Glück