Poltische Umbrüche im Nahen Osten - Die Rolle der christlichen Kirchen in Ägypten

Einführungsstatement Peter Weiß im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder des ZdK,

ich freue mich und bin dankbar, dass wir uns als ZdK heute in unserer Vollversammlung mit den Umbrüchen und politischen Veränderungen im Nahen Osten und mit der Situation der dort lebenden Christen befassen. Auch in der Vergangenheit hat uns dieses Thema schon beschäftigt – ich erinnere an die Vollversammlung vor fünf Jahren, in der Samir Khalil Samir SJ aus Beirut zu Gast war. Jedoch haben die seit drei Jahren stattfindenden Revolutionen und Transformationsprozesse in Ländern wie Ägypten, Tunesien, Libyen oder Syrien eine neue Dynamik entfaltet und die komplexe Gesamtlage in der Region sowie die Situation der christlichen Kirchen stark verändert. Ich danke dem Präsidenten, dass er die Bedeutung dieser Entwicklungen bereits kurz in seinem Bericht zur Lage angesprochen hat.

Im Sachbereich "Weltkirchliche Solidarität und Entwicklungszusammenarbeit" beschäftigen wir uns seit über zwei Jahren mit den Ereignissen in den verschiedenen arabischen Ländern. Angefangen durch Proteste gegen autokratische Herrschaftsstrukturen in Tunesien, Ägypten oder Libyen stellt sich die Gesamtsituation mittlerweile sehr vielfältig und divers dar. Sie ist geprägt von Bürgerkrieg und Staatszerfall, von Konflikten zwischen liberalen und islamistischen Kräften, zunehmenden religiösen Spannungen und Auseinandersetzungen, insbesondere auch zwischen Sunniten und Schiiten, dem über allem schwelenden Konflikt zwischen Palästina und Israel sowie einer großen wirtschaftlichen Not und Perspektivlosigkeit für die Menschen, insbesondere die Jugend, in diesen Ländern. Zu Beginn wurden die eintretenden Veränderungen mit dem Begriff des "Arabischen Frühlings" beschrieben. Diese Bezeichnung scheint aber spätestens seit dem endgültigen Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien unpassend zu sein, es ließe sich mehr von einem kalten Herbst oder einem frostigen Winter sprechen.

Von den politischen Umwälzungen und Auseinandersetzungen sind auch religiöse Minderheiten, insbesondere die Christen in diesen Ländern, in hohem Maße betroffen. Sie leben dort zumeist unter sehr schwierigen Bedingungen und teilweise existentiellen Nöten. Aus
dem Solidaritätsgedanken heraus und angesichts der Bedeutung der dortigen Entwicklungen auch für uns in Europa ist es wichtig, dass wir uns als ZdK mit diesem Thema auseinandersetzen.

Bei unserer Befassung mit dem Thema im Sachbereich haben wir sehr schnell festgestellt, wie unterschiedlich sich die Situation in jedem Land darstellt, was auf die zuvor herrschenden politischen, gesellschaftlichen und religiösen Bedingungen zurückzuführen ist. Daher wollen wir uns auf ein Land konzentrieren und daran exemplarisch die politischen Spannungen und Probleme sowie die Situation und Rolle der christlichen Kirchen aufzeigen. Wir haben uns für Ägypten entschieden, dass eines der wichtigsten Länder in der Region und zugleich ein Land mit langer christlicher Tradition ist. Ägypten ist zudem Schwerpunktland der diesjährigen missio-Kampagne.

Ich freue mich, dass wir mit der Unterstützung von missio dazu heute Herrn Dr. Maged Moussa Yanny aus Kairo als Referenten begrüßen können. Herr Dr. Yanny ist von Haus aus Mediziner und beruflich seit Jahren im caritativen und zivilgesellschaftlichen Sektor Ägyptens tätig. Er war bis vor kurzem Geschäftsführer des Verbandes Bildung und Entwicklung in Oberägypten, der sich für eine gute Berufsausbildung einsetzt und die Vergabe von Mikrokrediten anbietet. Herr Dr. Yanny kennt somit die politischen und gesellschaftlichen Probleme, insbesondere auch für die Kirchen und christliche Organisationen, aus eigener Praxis und Anschauung.

Er war mehrere Jahre Generalsekretär der Ägyptischen Kommission Justitia et Pax und ist bis heute Mitglied dieser Kommission, die ein zentrales Dialog- und Handlungsforum für politische Initiativen und Dialoge mit anderen gesellschaftlichen Kräften und Religionen in Ägypten darstellt. Herr Dr. Yanny ist einer der Motoren dieser Arbeit und setzt sich dort aktiv für den Frieden zwischen den Religionen und den interreligiösen Dialog ein. Er ist Mitglied des Middle East Council of Churches, und war Teilnehmer der Afrikasynode im Jahr 2009.

Lieber Herr Dr. Yanny, ich freue mich sehr, dass Sie extra aus Ägypten zu uns nach Bonn gekommen sind,  um uns über die politische und gesellschaftliche Lage in Ihrem Land aus erster Hand zu informieren und uns über die Situation und Rolle der christlichen Kirchen zu berichten. Ich bin sehr gespannt auf Ihren Vortrag und die anschließende Aussprache, die sich sicher auch der Frage widmen sollte, was wir als ZdK für die Menschen in Ägypten, insbesondere auch für die christlichen Kirchen vor Ort, tun können.

 

Peter Weiß MdB Sprecher des Sachbereichs 9 "Weltkirchliche Solidarität und Entwicklungszusammenarbeit"

 

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