Bibelarbeit zu Offenbarung 5. Mose 15, 1-11

von Alois Glück im Rahmen des Evangelischen Kirchentags in Hamburg-es gilt das gesprochene Wort.

Anrede

1. Alle sieben Jahre sollst Du ein Erlassjahr halten.

2. So aber soll’s zugehen mit dem Erlassjahr: Wenn einer seinem Nächsten etwas geborgt hat, der soll’s ihm erlassen und soll’s nicht eintreiben von seinem Nächsten oder von seinem Bruder; denn man hat ein Erlassjahr ausgerufen dem HERRN.

3. Von einem Ausländer darfst du es eintreiben; aber dem, der dein Bruder ist, sollst du es erlassen.

4. Es sollte überhaupt kein Armer unter euch sein; denn der HERR wird dich segnen in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird,

5. wenn du nur der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchst und alle diese Gebote hältst, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust!

6. Denn der HERR, dein Gott, wird dich segnen, wie er dir zugesagt hat. Dann wirst du vielen Völkern leihen, doch du wirst von niemand borgen; du wirst über viele Völker herrschen, doch über dich wird niemand herrschen.

7. Wenn einer deiner Brüder arm ist in irgendeiner Stadt in deinem Lande, das der HERR, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zuhalten gegenüber deinem armen Bruder,

8. sondern sollst sie ihm auftun und ihm leihen, soviel er Mangel hat.

9. Hüte dich, dass nicht in deinem Herzen ein arglistiger Gedanke aufsteige, dass du sprichst: Es naht das siebente Jahr, das Erlassjahr -, und dass du deinen armen Bruder nicht unfreundlich ansiehst und ihm nichts gibst; sonst wird er wider dich zu dem HERRN rufen, und bei dir wird Sünde sein.

10. Sondern du sollst ihm geben, und dein Herz soll sich’s nicht verdrießen lassen, dass du ihm gibst; denn dafür wird dich der HERR, dein Gott, segnen in allen deinen Werken und in allem, was du unternimmst.

11. Es werden allezeit Arme sein im Lande; darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der bedrängt und arm ist in deinem Lande.

Der Text hat mir zunächst Schwierigkeiten gemacht, ich habe nur schwer einen Zugang zu diesem Thema gefunden. Schließlich ist es eine ganz andere Welt, eine andere Sprache.

Im Hin- und Herwälzen verschiedener Aspekte, in der Suche nach den Zugangstüren hat sich mir allmählich dann erschlossen, welche Botschaften enthalten sind. Man kann es so ausdrücken: Die Bibel gibt drei fundamentale Weisungen für das Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das Sabbatgebot, das Entschuldungsgebot, das Zinsverbot. Alle drei verfolgen das Ziel Ausbeutungsverhältnisse einzudämmen und sozialen Ausgleich herzustellen.

Dies sind Themen und Aufgaben, die offenbar seit jeher ihre Aktualität hatten. Anscheinend sind solche Entwicklungen und sich daraus ergebende Aufgaben mit der Struktur des Menschen, seinen Grenzen und seinen Versuchungen verbunden.

Das Sabbatgebot will die permanente Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft, aber auch die der Haustiere und sogar des Bodens durchbrechen und regelmäßiges Aufatmen und Innehalten ermöglichen.

Von diesem zentralen Gebot ist auch das Entschuldungsgebot abgeleitet – was man auch an der dort wieder aufscheinenden Zahl 7 erkennen kann. Dieses Gebot bezog sich sowohl auf die Ackerbrache als auch auf die Entschuldung im finanziellen Bereich wie auch auf die Freigabe von Sklaven.

Jeder 7. Tag war ein Sabbat, jedes 7. Jahr ein Sabbatjahr, in dem das Land zur Ruhe kommen und es weder Saat noch Ernte geben sollte. Schulden sollten gestrichen werden, und wer selbst durch Armut und Überschuldung zum Sklaven geworden war, sollte freigelassen werden.

Später wurde daraus die Regelung des Jubeljahres, also jedes 7. Sabbatjahr plus ein Jahr, damit das 50. Jahr ein Erlassjahr war. Offenbar war die Regelung des Erlassjahres schon damals nur ganz schwer durchsetzbar, woraus sich nach der Rückkehr der Juden aus der „Babylonischen Gefangenschaft“ die Regelung des Jubeljahres entwickelte.

Alle diese Regelungen waren in ihrer Form natürlich zeitgebunden.

Das Ziel, die Prinzipien des biblischen Erlassjahres – einen Schutz vor dauerhafter Überschuldung und Abhängigkeit zu entwickeln – ist in der modernen Welt genauso aktuell, ja gerade in der Welt der Globalisierung und der modernen Finanzbeziehungen aktueller denn je.

Und: Diese Botschaft des Erlassjahres gilt nicht nur für die materiellen Grundlagen des Lebens.

So berichtet Lukas über die Antrittsrede Jesu in seiner Heimat Nazareth (Lk 4, 14-19):

„Jesus kehrte von der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen. So kam er auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt:

Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;

damit ich den Gefangenen die Erlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“

Für mich sind dabei drei  zentralen Aussagen über unseren christlichen Glauben:

- Gott will eine Ordnung im Zusammenleben der Menschen, die für jeden Menschen gut ist und die dem einzelnen Menschen immer wieder die Chance gibt, sein Leben in Würde gestalten zu können.

- Christlicher Glaube ist die Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe. Christlicher Glaube ist nicht einseitig auf ein Jenseits orientiert.

- Christlicher Glaube fixiert sich nicht auf die Zahl der Frömmigkeitsübungen und der Gebete. Er realisiert sich darin, wie wir Gottes unbegrenzte Liebe und Zuwendung zu uns in unserem Leben umsetzen, in unserem Verhalten zu den Mitmenschen.

Als wir in unserem Sonntagsgottesdienst vor einigen Monaten wieder das Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ hörten, ist wieder so deutlich geworden: Kein Mensch fällt aus der Gnade Gottes. Die Barmherzigkeit Gottes ist grenzenlos. Das sprengt jedes menschliche Vorstellungsvermögen und jede menschliche Kraft, aber gerade das ist ja unsere Chance, denn es gilt ja auch für jeden von uns. Gott sei Dank!

In der Arbeit an diesem so sperrigen Text im Alten Testament kamen mir dann zwei Vater-Unser-Bitten in den Sinn:

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

„Entlassjahr“ – Entschuldung

Was heißt das für mich konkret?

Und die andere Vater-Unser-Bitte:

„Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“

„Dein Reich, Dein Wille“ – Das ist nicht das Jenseits, das Himmelreich auf Erden, sondern Gerechtigkeit und Frieden für die Menschen durch unseren Einsatz, unseren Beitrag in dieser Welt.

Lasst uns darüber nachdenken!

Pause – Stille – Musik 2 (leise Musik oder, nach der Stille leises, nachdenkliches Lied).

 

Bibelarbeit – Teil 2

Entlassjahr – Entschuldung – den Verschuldeten eine neue   Chance geben,

wo und was sind dazu die aktuellen Aufgaben im Jahr 2013?

Unter den Bedingungen und Mechanismen dieser Zeit, der modernen Finanzwirtschaft, der Globalisierung.

 

Entschuldung

-Dazu gehört die Schuldnerberatung für Privathaushalte, für die sich sachkundige Christen gerade in Diakonie und Caritas engagieren, damit Menschen eine neue Chance haben.

 

Entschuldung

-Ein international bedeutsames Kapitel ist ein faires Insolvenzrecht für die Staaten, damit Völker eine neue Chance bekommen.

 

Entschuldung

-Das große Thema in Europa. Es geht um die richtige Politik für die überschuldeten Länder innerhalb der europäischen Union, in denen die Finanzkrise oft schon zur Bedrohung des Gemeinwesens, der Demokratie und des Staates wurde.

Was ist an Maßnahmen notwendig, was ist gerecht, aus der Warte der Betroffenen in diesen Ländern und aus der Warte der Helfer?

Wie gefährlich, wie vergiftend für die Beziehungen der Menschen und der Völker solche Entwicklungen sind, spüren wir in Europa.

Wie kann der jungen Generation in diesen Ländern, die von einer gravierenden Jugendarbeitslosigkeit betroffen ist, wieder eine Zukunftsperspektive gegeben werden?

Das ist nicht nur eine Frage des guten Willens oder der Moral.

Was ist sachgerecht möglich und was ist gerecht gegenüber den Menschen in diesen Ländern und in der europäischen Solidarität, gerecht auch gegenüber den Menschen in unserem Land.

Wir müssen uns in dieser Situation fragen, ob wir als Christen hier eine besondere Rolle haben.

Was tun wir beispielsweise gegen die aufkommenden wechselseitigen Vorurteile, gegen abwertende Reden, gegen selbstgerechte Inszenierungen?

Vers 9: "Hüte dich davor, dass in deinem Herzen der unwürdige Gedanke entsteht: 'Das siebte Jahr, das Jahr des Schuldenerlasses, ist nahe' und dein Augen berechnend auf deinen armen Bruder oder deine arme Schwester blickt und du ihnen nichts gibst. …"

Hier geht es zentral um unsere Haltung zu einem solidarischen Gemeinwesen. Das betrifft unser Handeln im konkreten Lebensumfeld ebenso wie den Sozialstaat. Es betrifft die Interventionen gegen die Schuldenkrisen in europäischen Staaten ebenso wie den Schuldenerlass gegenüber Entwicklungsländern.

Die Philosophie des deutschen Sozialstaates wird häufig mit "Fördern und Fordern" beschrieben. Diejenigen, die sich nicht aus eigener Kraft helfen können, sind auf die Unterstützung der Stärkeren angewiesen. Sie sollen diese Unterstützung in einer Weise erhalten, dass sie befähigt werden, sich selbst zu helfen.

Die tätige Mitwirkung der Hilfsbedürftigen ist dabei die Voraussetzung für die Unterstützung. In der christlichen Sozialethik reden wir von den untrennbaren Prinzipien Solidarität und Subsidiarität.

Oftmals wird in der Öffentlichkeit über die Haltung der Hilfsbedürftigen lamentiert. Ihnen wird vorgehalten, dass sie sich gar nicht aus ihrer Abhängigkeit von Hilfsleistungen befreien wollen und dass die kontinuierliche Versorgung durch das Gemeinwesen ihre Abhängigkeit perpetuiert. Dies führt zu Forderungen, das Niveau der Unterstützungsleistungen zu senken und schärfere Bedingungen für die Unterstützung, in Form von Gegenleistungen,  aufzustellen. Und es führt zu einer Haltung des verschlossenen Herzens, wie sie im Bibeltext erwähnt wird, zu der Befürchtung "das Jahr des Schuldenerlasses ist nahe" – jetzt muss ich wieder von meinem sauer verdienten, bescheidenen Wohlstand abgeben, muss  andere mit durchfüttern, die sich nicht so wie ich ins Zeug gelegt haben.

Diejenigen, die von ihrem Reichtum abgeben sollen, sehen sich übervorteilt, ausgebeutet, um den Lohn ihres Fleißes gebracht.  Sie sperren sich dagegen, die Schwächeren zu unterstützen, da ihr Gerechtigkeitsempfinden verletzt ist.

Wir haben viele Erklärungsmuster für den Status Quo, wissen einiges über die schlechteren Startchancen der Menschen, die zu Transferempfängern werden, können auf diese Weise für Aufklärung sorgen, warum sie auf Unterstützung angewiesen sind und sich nicht so einfach aus ihrer Abhängigkeit befreien können. Die sozialstaatlichen Leistungen sind dann eine Kompensation einer ungerechten Verteilung von Gütern und Begabungen und können  so als ethisch gerechtfertigt gelten.

Es lässt sich auch argumentieren, dass die Unterstützung der Armen nicht zuletzt dem sozialen Frieden auch damit auch der Sicherheit und dem Wohlbefinden derjenigen dient, die von ihren Gütern abgeben sollen.

Wenn ich nicht einen hohen Zaun um mein Anwesen bauen und mich völlig von der sozialen Wirklichkeit abschotten will, kann es ganz vernünftig sein, von meinem Reichtum abzugeben. Der so "erkaufte" soziale Frieden ist dann für mich eine gute Investition.

Aber so sehr es ethisch und rational geboten sein kann, dass die starken Schultern die schwachen mittragen, so lässt sich doch nicht verordnen, was im Bibeltext gefordert wird, nämlich dass die Starken freimütig von ihrem Reichtum abgeben; dass es nicht nur die Regel, das Gesetz zum Teilen und zum Schuldenerlass gibt, sondern dass sie auch noch frohen Herzens befolgt wird. Das kann vielmehr als eine Zumutung erscheinen. Hier liegt die große Herausforderung für die christliche Barmherzigkeit. Diese Herausforderung nagt an uns; diese Hürde zu überwinden ist ganz und gar keine Selbstverständlichkeit für uns.

Und wir können sie überhaupt nur überwinden, wenn wir unsere Zweifel zulassen, wenn wir uns wirklich auf die Frage einlassen: Was empfinde ich als gerecht? Und wie werden wir als Gemeinwesen allen Menschen, mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Erfahrungen des Erfolgs und des Scheiterns, gerecht?

Mit einer solchen ehrlichen Bestandsaufnahme kommen wir vielleicht zu neuen Einsichten und Bewertungen:

Wie werden wir den Menschen in Griechenland, in Zypern, in Portugal gerecht, denen die Finanz- und Schuldenkrisen vieles abverlangt und die zugleich den europäischen Partnern einiges abverlangen?

Wie werden wir den prekär Beschäftigten und Geringverdienern gerecht, deren langjährige Beitragszahlungen in einem auf Beitrags- und Leistungsgerechtigkeit ausgerichteten System nicht mehr als eine Armutsrente hergeben werden?

Wie werden wir den Jugendlichen gerecht, die die Schule ohne Abschluss verlassen und ohne zweite Chance auf eine lebenslange Transferabhängigkeit zusteuern? Wie viele Chancen sind wir bereit ihnen zu geben?

Wie gehen wir mit geerbter Abhängigkeit von Sozialleistungen um, wenn Kinder und Jugendliche in ihrer Familie gar nichts anderes kennenlernen als von staatlichen Transferleistungen zu leben?

Wie schaffen wir Gerechtigkeit auf Erden, ohne Selbstgerechtigkeit, ohne den Anspruch auf göttliche Gerechtigkeit, sondern – wie es der Katholikentag 2006 in seinem Leitwort ausgedrückt hat: Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht?

Gelassenheit ist auch in anderer Hinsicht gefragt, denn, wie es in Vers 11 heißt:

„Die Armen werden nicht einfach aus der Mitte des Landes verschwinden. Deshalb fordere ich von Dir: Öffne ihnen die Hand weit – deinem Bruder, deiner Schwester, den Elenden und Armen bei Dir, in deinem Land“

Gewiss – Solidarität ist keine Einbahnstraße. Aber sie ist auch kein Umerziehungsprojekt und erst recht nicht der Schlüssel zu einer perfekten Welt. Solidarität, das ist die ausgestreckte Hand, das ist der Einsatz gegen konkrete Ungerechtigkeit in dem Wissen, dass damit nicht alle Ungerechtigkeiten zu beheben sind. Die Armen werden nicht verschwinden, nein, sie gehören zu uns. Der Bibeltext kann uns zu einem realistischen Bild verhelfen, einen realistischen Bild von der Gesellschaft, von unseren Mitmenschen, aber vor allem auch von uns selbst.

Er kann uns helfen, unsere Mitmenschen und uns selbst mit allen Unvollkommenheiten und Verhärtungen anzunehmen.

Entschuldung – wo müssen wir anderen die Last einer Schuld abnehmen, wo sind wir womöglich sogar die Verursacher dieser Last einer Verschuldung, die Ihnen die Zukunft verbaut?

 

Schulden in zweifacher Weise:

Die künftigen Träger dieser Verschuldung und die Verursacher dieser Verschuldung.

Wenn wir darüber Gewissenserforschung halten, müssen wir unausweichlich zu unserer größten Schuld kommen,

- unserer Art zu leben auf Kosten der Zukunftschancen der nachkommenden Generation.

- Günstiger Konsum auf Kosten der Menschen in anderen Erdteilen durch Herstellung von Konsumartikeln unter menschenunwürdigen Bedingungen, mit systematischer Ausbeutung zu unseren Gunsten;

- kostengünstige Energie und Rohstoffe über die Ausbeutung und Schändung der Lebensräume und der Lebensgrundlagen in anderen Regionen dieser Welt.

Wie schwer eine solche Veränderung ist, für unsere Wirtschaftsordnung, unser Gesellschaftssystem und für uns selbst, erleben wir schon in den Krisen in Europa.

Trotzdem regiert entgegen aller verbalen Bekundungen weitgehend die Haltung „Weiter so!“.

Es zeigt sich auch, wie sehr wir in diesen Systemen unserer Art zu leben und zu wirtschaften gefangen sind,

wie schwierig es ist, aus diesen Mechanismen und Abhängigkeiten herauszukommen.

Zunächst ist aber die grundsätzliche Frage, ob wir dies nun wirklich wollen.

Oder wollen wir letztlich doch weiter auf Kosten der Nachkommen und der Menschen in anderen Regionen so weitermachen – und damit weiter schuldig werden.

Der Wegweiser zur Veränderung heißt „Nachhaltigkeit“.

- Nachhaltigkeit ist die Zwillingsschwester von Gerechtigkeit und Solidarität.

- Nachhaltigkeit verwirklichen ist nicht nur eine schwierige Systemveränderung,

- Nachhaltigkeit verwirklichen braucht als Voraussetzung ein entsprechendes Wertefundament.

Hier sind wir als Christen wieder besonders gefordert. Es ist an uns, die notwendige Sachkompetenz mit den notwendigen Wertorientierungen zu verbinden.

Dabei will ich ausdrücklich festhalten: Werte und Moral sind kein Ersatz für Sachkompetenz, sowie auch wissen ohne Gewissen nicht zu guten Lösungen führt, ja sogar gefährlich ist.

Die Grundvoraussetzung für das Gelingen einer solch tiefgreifenden Veränderung ist eine neu belebte Kultur der Verantwortung, mit der nicht mehr der Maßstab unseres Verhaltens die nützlichen Folgen jeweiliger Entscheidungen für uns sind, bei denen wir das Auskommen auf die Nachkommen und auf die Menschen in anderen Regionen mit einbeziehen.

Ohne eine solche Kultur der Verantwortung, eine solche praktizierte konkrete Nächstenliebe, haben wir nicht die Motivation und die Kraft den Weg der Veränderung mit all seinen Anstrengungen und Herausforderungen wirklich zu gehen.

Zu den konkreten Herausforderungen zählt unausweichlich auch die Bereitschaft zur Selbstbegrenzung.

Unsere Zeit ist in dem Spannungsfeld, der ständigen neuen Möglichkeiten aufgrund des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts in den verschiedensten Lebensbereichen, den Entgrenzungen -  und auf der anderen Seite in der Notwendigkeit der Selbstbegrenzung im Hinblick auf diese Möglichkeiten.

Es ist leicht gesagt und klingt gut: „Man darf nicht alles machen, was möglich ist.“ Wer wollte dem schon widersprechen, es ist auf Anhieb sehr einsichtig.

Ein ganz anderes Kapitel wird aber eröffnet, wenn es konkret darum geht, solche Selbstbegrenzung um der Würde des Menschen willen oder um der Gerechtigkeit gegenüber den Nachkommen und den Menschen in anderen Regionen dieser Erde willen zu realisieren.

Im Vergleich gesprochen: Woher nimmt ein Volk sich so zu verhalten, wie Eltern, die um der Zukunft ihrer Kinder willen auf das ein oder andere Lebensnotwendige verzichten und in die Zukunft der Kinder investieren?

Entschuldung, Chancengerechtigkeit und Teilhabe immer aufs Neue eröffnen, Gerechtigkeit und Solidarität leben und auf dieser Basis und mit dieser Motivation die sachgerechten Maßnahmen zu entwickeln –

das ist die Übersetzung der Botschaft aus dem Buch Mose zum Entlassjahr für die Aktualität dieser Zeit.

Das ist auch der Wegweiser zu einer Art zu leben und zu wirtschaften, die zukunftsfähig ist,

der Wegweiser zu einer zukunftsfähigen Kultur.

Das ist die Leitidee für eine neue Richtung des Fortschritts.

Für uns Christen die aktuell notwendige Mitwirkung im Schöpfungsauftrag unseres Glaubens.

Das heißt konkret, dass wir als Kirche und als Christen nicht selbstzufrieden um uns selbst kreisen.

In unserer katholischen Kirche ist dafür Papst Franziskus mit dem Leitbild der Kirche der Armen, der Kirche, die den Menschen dient zur Herausforderung geworden.

So, wenn er sagt:

„Sie ist aufgerufen, aus sich selbst heraus zu gehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geographischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz:

die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes,

die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz,

die der fehlenden religiösen Praxis,

die des Denkens,

die jeglichen Elends.“

Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende die Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet“; und die mondäne Kirche, die ihn sich, von sich und für sich lebt.“

 

Musik 3

(Schönes Lied, das die Gemeinschaft der Bibelarbeitsgruppe im Saal zusammenhält).

 

Bibelarbeit – Schlussgebet

Lassen Sie uns mit einem Gebet schließen:

Herr Jesus Christus, du selbst bist Mensch geworden und hast alle Mühsal und Lasten des irdischen Lebens auf dich genommen. So wollen auch wir dir diese unsere Welt zu Füßen legen und für sie bitten:

  • Wir beten für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, die im Großen die Weichen für die Zukunft stellen. Hilf ihnen, dass ihr Reden von Solidarität nicht leere Versprechungen bleiben, sondern Wirklichkeit werden, schenke ihnen die Kraft und den Mut Strukturen der Gerechtigkeit zu schaffen.

(Wir bitten Dich: erhöre uns!)

  • Wir beten für unser Land, das vor großen Umbrüchen, Reformen und Herausforderungen steht. Segne und behüte unser Land, damit nicht einzelne Menschen auf der Strecke bleiben, sondern dass wir gemeinsam die Probleme anpacken und ein Klima der sozialen Gerechtigkeit schaffen.

(Wir bitten Dich: erhöre uns!)

  • Wir beten für alle Menschen, die unter Arbeitslosigkeit und Armut leiden. Sei du ihnen Kraft und Trost und hilf, dass sie wieder Arbeit finden.

(Wir bitten Dich: erhöre uns!)

  • Wir beten für alle Religionen auf dieser Welt, wo auch im 21. Jahrhundert noch immer Hunger und Armut herrscht. Lass uns alle begreifen, dass es ohne gerechte Verteilung der Güter auf dieser Erde, keinen Frieden und keine Gerechtigkeit geben wird.

(Wir bitten Dich: erhöre uns!)

  • Wir beten für unsere Erde, die immer noch ausgebeutet und kaputt gemacht wird. Hilf uns zu erkennen, dass alle Güter dieser Erde ein Geschenk von dir sind, mit denen wir sorgsam und verantwortungsvoll umgehen sollen.

(Wir bitten Dich: erhöre uns!)

Herr, Jesus Christus, du selbst hast uns das Beten und Bitten gelehrt. So legen wir dir unsere Welt und alle Menschen vertrauensvoll in deine Hände. Denn wir wissen, du bist der, der unsere Bitten hört und alle Tage bei uns ist, mit dem Vater und dem Heiligen Geist in alle Ewigkeit. Amen.

 

Alois Glück

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