Laudatio des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, für Professor Dr. Bernhard Vogel zum 80. Geburtstag

gehalten in Erfurt am 18.Dezember 2012 -es gilt das gesprochene Wort.

Die Zahl der Veranstaltungen zum 80. Geburtstag und die Bandbreite der Redner spiegelt die Vielfalt des Wirkens und der Lebenswelten unseres Jubilars wider. Und selbst wenn man nur einen dieser Lebensbereiche und Aufgaben reflektiert, ist die Schwierigkeit nicht, was man sagen könnte, sondern, was man notgedrungen weglassen muss.

Um den Menschen Bernhard Vogel, seinen Lebensweg und sein Handeln zu erschließen, muss man sich an den Christen und Katholiken herantasten. Er spricht und schreibt über seinen Glauben, seine persönliche Gottesbeziehung wenig. Er lebt seinen Glauben, dieser prägte seine Lebensspur. Sein Glaubensverständnis entspricht wohl der Interpretation des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber zur Beziehung Gott und Mensch. Er schreibt einmal: "Gott spricht zu den Menschen durch die Ereignisse und Menschen, die er ihm in den Weg schickt." Und er folgert dann: "so, wie der Mensch reagiert, lebt er sein Christ sein".

Aus diesem Geist hat sich der Katholik Bernhard Vogel auf seinem Lebensweg immer wieder den Aufgaben gestellt und Verantwortung übernommen. Das ist ein prägendes Merkmal seines Lebensweges und seines Lebenswerkes. Für ihn gilt: "Das Christentum hat politisches Handeln rechenschaftspflichtig gemacht vor Gott und den Menschen." ( Hans Maier)

Bernhard Vogel erfuhr seine Prägung als Christ und Katholik vor allem in der katholischen Jugendbewegung, in der Gemeinschaft "Bund Neudeutschland". In dieser Gemeinschaft hat er mit anderen Schülern den Glauben und die Kirche in neuer Weise erlebt und gelebt. Diese Gemeinschaft wurde auch eine der Pioniere zu Entwicklungen, die dann im Zweiten Vatikanischen Konzil in der ganzen Kirche Bedeutung erlangten, wie etwa die Liturgische Bewegung. Hier entwickelte sich auch das Wurzelwerk für sein politisches Engagement. Im Lauf der Jahre wurde der junge Politiker zu einer der prägenden katholischen Persönlichkeiten in Deutschland. Gerade auch im Selbstverständnis katholischer Laien im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils übernahm er als Getaufter und Gefirmter eigenverantwortlich und in der großen Tradition der katholischen Laienbewegung in Deutschland in Kirche und Gesellschaft Verantwortung.

Die erste Bewährungsprobe erlebte Bernhard Vogel als Präsident des 82. Deutschen Katholikentags in Essen im September 1968. Ein Katholikentag in stürmischer Zeit in unserer Gesellschaft und in einer Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs in der katholischen Kirche mit der Auseinandersetzung um die Umsetzung der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die unkonventionellen, oft auch provokativen Formen der Auseinandersetzung der 68er-Bewegung prägten plötzlich die Traditionsveranstaltung Deutscher Katholikentag. Der Katholikentagspräsident Bernhard Vogel sagte bei der Abschlussveranstaltung: “Dieser Katholikentag sollte uns deutsche Katholiken öffnen für die Sorgen und Nöte dieser Welt. Diese Tage haben die erstrebte Konfrontation gebracht. Offen und ehrlich, oft hart und unerbittlich, leidenschaftlich und mitunter mitgerissen von der Heftigkeit vorgetragener Argumente, haben wir miteinander gearbeitet. Wer in Essen war, der weiß, dass unter uns Katholiken nicht trügerische Stille, nicht müde Weltabgewandtheit, nicht träges Beharren herrschen, sondern Wachheit, Aufbruch und der energische Wille, uns mitten in dieser Welt für den Frieden, für den Mitmenschen, für die Kirche zu engagieren. Wir Laien haben uns deutlich zu Wort gemeldet. Der Anspruch, den wir damit an uns selbst richten, ist beträchtlich.”

41 Jahre war Dr. Bernhard Vogel Mitglied der Vollversammlung des ZdK, ein prägendes Mitglied.

1972 wurde der damalige Kultusminister von Rheinland-Pfalz zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt. Er übte dieses Amt bis 1976 aus, leider nicht länger, aber mit dem Amt des Ministerpräsidenten war die Aufgabe dann nicht mehr vereinbar. Aus dem Wirken als Präsident des Zentralkomitees wären nun viele Themen und Initiativen zu erwähnen. Dafür ist jetzt keine Zeit. Hier in Erfurt und mit Blick auf sein Wirken in diesem Land will ich aber eine Thematik herausgreifen.

Anfang der 1970er Jahre wurden im Vatikan Pläne entwickelt, die durch die deutsche Teilung abgetrennten Bezirke der katholischen Kirche in Deutschland durch eigene Bistümer zu gliedern und damit kirchenrechtlich eigenständig zu gestalten. Das wäre natürlich eine weit über die kirchliche Politik hinausgreifende politische Entscheidung der Anerkennung der Teilung Deutschlands und der Regierung der DDR gewesen. In enger Verbindung mit den Bischöfen wandte sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit ihrem Präsidenten Bernhard Vogel an der Spitze ganz entschieden gegen solche Pläne. Ich zitiere aus einer Rede von Präsident Vogel: “Wenn der Heilige Stuhl, wie wir heute wissen, vor genau vierzig Jahren durch den Abschluss des Reichskonkordates – sicherlich gänzlich gegen seine Absicht – zur moralischen Legitimierung und internationalen Aufwertung des nationalsozialistischen Regimes beigetragen hat, so müsste heute die Entsendung eines diplomatischen Vertreters nach Ostberlin eine ähnliche Wirkung haben und wiederum ein totalitäres System in Deutschland moralisch stärken. ... Eine endgültige kirchenrechtliche Abtrennung der betroffenen Gebiete bedeutet vielmehr eine Anerkennung der Spaltung Deutschlands. Diese Spaltung ist aber keine unausweichliche Folge des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, sondern das Ergebnis der Unterdrückung von Demokratie und Menschenrechten. Wir erwarten vom Heiligen Stuhl als einem Volkrechtssubjekt eminent moralischer Qualität, dass gerade er die Forderungen nach Selbstbestimmung und Menschenrechten für alle Deutschen unterstützt und nicht Tatsachen schafft, die der Verwirklichung dieser Forderung und den menschlichen Verbindungen zwischen den getrennten Teilen unseres Volkes im kirchlichen Bereich zusätzliche Hindernisse in den Weg legen.”

Bernhard Vogel zählt auch zu den Pionieren der deutsch-polnischen Versöhnung und Partnerschaft. Er war mit zahlreichen Weggefährten früh engagiert für die Versöhnung und Partnerschaft mit Frankreich, Israel und Polen. Als das schwierigste Kapitel zeigte sich der Brückenschlag nach Polen. Die kommunistische Diktatur, die vielen vertriebenen Deutschen, denen selbst Unrecht widerfahren ist, und die schreckliche Hypothek der Verbrechen der Nationalsozialisten gestalteten die Situation besonders schwierig. In dieser für die Politik besonders schwierigen Gemengelage hatten die Kontakte zwischen Katholiken in Polen und in Deutschland besondere Bedeutung. Das heute gute Verhältnis zwischen Polen und Deutschland wäre nicht möglich geworden, wenn das hierfür erforderliche politische Handeln nicht über Jahrzehnte von vielen einzelnen Personen und Gruppen in Kirche und Gesellschaft durch konkrete Schritte der Versöhnung vorbereitet worden wäre. In dieser besonderen Konstellation in beiden Ländern wurden katholische Christen, Priester, Bischöfe und Laien zu einer Avantgarde der Versöhnung. 1972 organisierte das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken eine Begegnung mit einer größeren polnischen Gruppe katholischer Intellektueller. Unter anderem gehörte dieser Delegation auch der spätere Ministerpräsident Mazowiecki an. Diese Zusammenkunft war der Beginn eines ständigen Dialogs zwischen dem Zentralkomitee und den genannten Laieninitiativen. Für mich selbst ist eine solche Begegnung in Polen mit dem Club der Intellektuellen und mit Lech Walesa im Frühjahr 1987 unvergesslich. 1973 wird als Initiative von 13 katholischen Verbänden das Maximilian-Kolbe-Werk gegründet, das sich der Unterstützung ehemaliger KZ-Häftlinge widmet und bis heute tätig ist. Bernhard Vogel wurde zu einem der Vorsitzenden des Kolbe-Werkes. Bereits Ende der 60er Jahre engagierte er sich als Kultusminister im Auftrag seines Ministerpräsidenten Helmut Kohl in der Frage der Darstellung deutscher und polnischer Geschichte in den Schulbüchern beider Länder.

Als Ministerpräsident dieses Landes wurde Bernhard Vogel zu einem wichtigen Brückenbauer. Niemand sonst konnte uns die Situation der Menschen in den neuen Bundesländern einfühlsamer und sachkundiger schildern als Bernhard Vogel. Und damit verbunden war dann auch seine immer glaubwürdige He-rausforderung an uns, in der alten Bundesrepublik entsprechendes Einfühlungsvermögen, entsprechende Rücksicht und entsprechende Unterstützung für den Aufbau des Gemeinwesens und für die Verbesserung der Lebenssituation in diesem Teil Deutschlands aufzubringen.

Die Glaubwürdigkeit ist das kostbarste Gut für jeden Menschen und besonders für den Politiker, der anderen Menschen etwas vermitteln und abverlangen will.

Der Jubilar lebt zu seinem 80. Geburtstag nicht in der Vergangenheit, sondern in den Aufgaben der Gegenwart. Dies dokumentiert sein gemeinsam mit Professor Dr. Günther Nonnenmacher verfasstes Buch "Mutige Bürger braucht das Land". Für sein Denken im Heute steht der erste Absatz des Vorwortes: “Mutige Bürger braucht das Land! Warum? Weil wir vor großen Herausforderungen stehen. Wir brauchen uns vor ihnen nicht zu scheuen. Sie sind alle zu meistern. Allerdings nur dann, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen. Wir müssen uns Klarheit über unsere Lage verschaffen und über die Ziele, die wir erreichen wollen. Der Weg allein kann nicht unser Ziel sein. Und ein Ziel erreicht man nur, wenn man weiß, woher man kommt. Ohne Rückbesinnung kann kein Aufbruch gelingen.”

Lieber Bernhard Vogel, wir danken Dir für Dein Lebenszeugnis und das vielfältige Lebenswerk!
Wir wünschen Dir weiter diese beeindruckende Haltung der engagierten Gelassenheit.

Wir wünschen Dir Freude an den neuen Freiräumen und an den Aufgaben, denen Du Dich weiter widmest.

 

Gottes Segen für Deinen weiteren Lebensweg!

 

Alois Glück, Präsident ZdK

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