Herausforderungen der europäischen Agrarpolitik

Eckpunkte für eine nachhaltige europäische Landwirtschaft

des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist eine der ältesten europäischen Politiken – sie begeht 2012 ihr 50-jähriges Bestehen. Zugleich ist sie die einzige wirklich vergemeinschaftete europäische Politik. Infolge sich wandelnder Anforderungen änderten sich im Laufe der Zeit Zielsetzung, Struktur und Instrumente der GAP erheblich.

Es besteht weitgehend gesellschaftlicher Konsens über die grundsätzliche Notwendigkeit einer Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. Zahlreiche veränderte Rahmenbedingungen und neue Herausforderungen machen jedoch weitere Änderungen der GAP erforderlich:

–  Ernährungssicherheit, Welthungerkrise:

Während in Europa ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist, führt die insgesamt wachsende Weltbevölkerung in Verbindung mit sich wandelnden Ernährungsgewohnheiten zu einem steigendem Bedarf an Nahrungsmitteln weltweit. Aufgabe der Landwirtschaft ist es, für eine ausreichende Versorgung mit sicheren Nahrungsmitteln zu sorgen. 2011 jedoch hungerten ca. 925 Mio. Menschen. Das Millenniumsentwicklungsziel, die Zahl der Hungernden bis 2015 weltweit zu halbieren, ist in weite Ferne gerückt. Das Menschenrecht auf Nahrung muss für alle Menschen gelten und verwirklicht werden.

–  Klimawandel, Verbrauch natürlicher Ressourcen, Bedrohung der Biodiversität:

Die gegenwärtige globale Erwärmung ist anthropogen, d.h. sie ist das Ergebnis einer nicht nachhaltigen Produktions-, Konsum- und Lebensweise, insbesondere gewaltiger Treibhausgasemissionen. Dies hat gravierende negative Auswirkungen sowohl auf die heute lebenden Menschen sowie künftige Generationen als auch auf die außermenschliche Natur. Landwirtschaft und Klima stehen in einem engen Wechselverhältnis. Einerseits ist die Agrikultur von der Gunst des Klimas abhängig, so dass klimatische Veränderungen und deren Folgen (Starkniederschläge, Trockenheit, Versteppung, Verschiebungen von Vegetationszonen, Rückgang der Artenvielfalt u.a.m.) die Ernteerträge negativ beeinflussen. Andererseits trägt die Landwirtschaft durch eigene Treibhausgasemissionen selbst zum globalen Klimawandel bei. Durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung werden nicht nur natürliche Ressourcen wie das Klimasystem, sondern Böden, Wasser, etc. beansprucht. Landwirtschaft profitiert von der biologischen Vielfalt an Pflanzen und Tieren und trägt zu ihrem Erhalt bei. Zugleich bedeutet jedoch Bewirtschaftung auch Beeinträchtigung der Biodiversität. Die Landwirtschaft ist also auch Teil des Problems – sie muss auch Teil der Lösung sein.

–  Preisanstieg und Preisvolatilität von Agrarrohstoffen:

Zahlreiche Faktoren wie der steigende Bedarf an Nahrungsmitteln, Ernteeinbußen und Flächenkonkurrenz zwischen der Produktion von Nahrungsmitteln und dem Anbau von Energiepflanzen haben in den vergangenen Jahren zu teils erheblichen Preisanstiegen bei Agrarrohstoffen (Weizen, Mais, Zucker, …) und Lebensmitteln beigetragen. Diese Effekte wurden von rein renditemotivierten und damit ethisch problematischen Spekulationen mit Agrarrohstoffen noch verstärkt. Die ursprünglichen Funktionen von Warenterminbörsen werden dadurch entwertet. Eine konsequente Regulierung der Nahrungsmittelmärkte, einschließlich der Erweiterung von Transparenzvorschriften, ist vonnöten, um den Missbrauch von Nahrungsmitteln für Spekula­tionszwecke zu unterbinden.

Derzeitige Verteilung der Agrarfördermittel:

Das derzeitige Fördersystem birgt, bedingt durch Faktoren, wie das Heranziehen historischer Referenzwerte, insbesondere in der erweiterten EU eine sozial unausgewogene Verteilung der Zahlungen unter den europäischen Landwirten. Mittel- bis langfristig muss hier unter Berücksichtigung der Wirtschafts- und Kaufkraftentwicklung aus Gerechtigkeitsgründen eine Angleichung erzielt werden.

Gesellschaftliche Akzeptanz der GAP:

Grundsätzlich trifft die Notwendigkeit der GAP auf hohe Zustimmung in der europäischen Bevölkerung. Die Höhe der Mittel, die für die GAP aufgewendet werden, und ihr wenngleich weiter sinkender hoher Anteil am EU-Haushalt, muss jedoch für die europäischen Bür­gerinnen und Bürger transparent und nachvollziehbar sein. Dies ist auch angesichts veränderter Erwartungen der Konsumenten an die Landwirtschaft hinsichtlich Preis und Qualität von Lebensmitteln, Bewirtschaftungsmethoden und der Bereitstellung öffentlicher Güter erforderlich.

Nicht allen o.g. Herausforderungen kann allein über die GAP begegnet werden. Vielmehr ist ein integrierter Ansatz unter Beteiligung anderer EU-Politiken und Maßnahmen vonnöten.

Die Europäische Kommission hat am 12.10.2011 nach einer breit angelegten Konsultation ihre Legislativvorschläge zur Reform der GAP vorgelegt. Mit ihrer Umsetzung möchte die EU in den Jahren des kommenden mittelfristigen Finanzrahmens 2014-2020 eine strategische Entscheidung für die langfristige Zukunft ihrer Landwirtschaft und ihrer ländlichen Gebiete treffen.

Leitbild einer bäuerlichen Landwirtschaft

Anhand dreier Schwerpunkte

  • Ausgestaltung der Direktzahlungen an Landwirte
  • internationale Auswirkung und Verantwortung der GAP
  • Entwicklung der ländlichen Räume

 

legt das ZdK Eckpunkte zur Bewertung der Kommissionsvorschläge und zur Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik vor.

Im Bewusstsein der zu erhaltenden Vielfalt europäischer Landwirtschaft als wertvolles europäisches Kulturerbe folgen die Eckpunkte dem Leitbild einer bäuerlichen Landwirtschaft, die – in Anlehnung an das Modell einer Ökosozialen Marktwirtschaft – der Zielsetzung

  • multifunktional,
  • Gemeinwohl- und zugleich Markt-orientiert,
  • schöpfungs- und generationenverträglich und damit
  • nachhaltig und zukunftsfähig

 

verpflichtet ist.

Wert und Bedeutung der europäischen Landwirtschaft

Das ZdK hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt zu Fragen der Agrarpolitik, der Nachhaltigkeit, des Klimaschutzes, zuletzt 2010 zur globalen Ernährungskrise, zu Wort gemeldet.[1]Landwirtschaft und Landwirtschaftspolitik betrifft uns alle in existentieller Weise. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung und vielfältigen Funktion von Land- und Forstwirtschaft möchte das ZdK in der Landwirtschaft tätigen Menschen seine Wertschätzung für die von ihnen für die Gesellschaft erbrachten Leistungen zum Ausdruck bringen. Die Landwirtschaft steht am Beginn der Versorgungskette mit Lebensmitteln und anderen Agrarrohstoffen und ihr obliegt ein unverzichtbarer Beitrag zur Erhaltung unserer Natur- und Kulturlandschaft.

Schöpfungsverantwortung

Aus der christlichen Verantwortung des Menschen für die Schöpfung heraus, plädiert das ZdK für eine nachhaltige Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft. Ein treuhänderischer Umgang mit der Schöpfung gebietet dem Menschen, die Erde nur als Leihgabe zu betrachten, welche die gegenwärtigen Generationen den nachfolgenden in einem lebensfreundlichen Zustand zu übergeben haben. Die Nutzung natürlicher Ressourcen darf nicht die Lebenschancen und ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte von Menschen gefährden. Jeder Mensch besitzt ein Recht auf Nahrung, auf sauberes Wasser, saubere Luft, nachhaltige Energie. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist daher in dreifacher Hinsicht unerlässlich: Eine nachhaltige Landwirtschaft ist nicht nur ökologisch vernünftig, sondern auch langfristig ökonomisch rational und – auch generationsübergreifend – sozial gerecht.

Zudem entsprechen ein sorgsamer Umgang mit der Natur und der Einsatz für die Menschenrechte den normativen Grundsätzen der Europäischen Union. Nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz sind Ziele der Union, die sich sowohl im Vertrag von Lissabon als auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wiederfinden.

 

Eckpunkte für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft

Das ZdK begrüßt grundsätzlich die von der Europäischen Kommission formulierten Ziele der europäischen Agrarpolitik:

  • die Förderung einer ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft,   welche die Versorgung der Bevölkerung mit Lebens­mitteln und anderen Agrarrohstoffen sicherstellt,
  • die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und Klimamaßnahmen

•    die Förderung einer zukunftsfähigen Entwicklung ländlicher Räume und den Erhalt der Vielfalt ländlicher Räume.

Zur Erreichung dieser drei Grundziele unter den Bedingungen der zuvor beschriebenen europäischen und globalen Herausforderungen sieht das ZdK auch weiterhin eine wirkungsstarke 1. Säule (Direktzahlungen an Landwirte und staatliche Ausgaben für Marktmaßnahmen) und eine finanziell gut ausgestattete 2. Säule (Entwicklung ländlicher Räume inkl. u.a. Agrarumweltmaßnahmen sowie Betriebsinvestitionsförderung), deren Maßnahmen kohärent auf einander abgestimmt sind, als notwendig an.

  1. 1. Ausgestaltung der Direktzahlungen

Die Direktzahlungen in der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik haben als Honorierung für höhere, gesellschaftlich gewünschte Standards sowie für die Bereitstellung öffentlicher Güter dem Gemeinwohl dienende, nicht über den Markt honorierte Leistungen der Landwirtschaft abzudecken. Sie stellen auch einen wichtigen Beitrag zur Einkommenssicherung von Landwirten dar. Ohne sie käme es unter den gegenwärtigen Bedingungen zu sozialen und strukturellen Verwerfungen in der europäischen Landwirtschaft und in den ländlichen Räumen.

Allerdings muss das System der Direktzahlungen aus Sicht der Landwirte einfacher und aus Sicht der Verbraucher transparenter werden. Generell gilt es, bei der Umgestaltung bestehender Regelungen sowie der Einführung neuer Instrumente – bei allem zumutbaren administrativen Aufwand zur Rechtfertigung und Kontrolle erhaltener Zahlungen – den bürokratischen Aufwand für Landwirte sowie für die öffentliche Verwaltung nicht weiter zu erhöhen, sondern vielmehr erheblich zu verringern.

Das ZdK unterstützt die grundsätzliche Ausrichtung der Vorschläge von EU-Kommissar Dacian Ciolos, die Direktzahlungen künftig stärker an sozioökonomische und ökologische Kriterien zu binden, was zu einer ausgewogeneren Verteilung der Fördermittel sowie weiter zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen wird. Es sieht jedoch in der konkreten Ausgestaltung einiger Maßnahmen weiteren Änderungs- und Korrekturbedarf.

Sozioökonomische Kriterien

  • Das ZdK unterstützt den Übergang zu einheitlichen nationalen/regionalen Zahlungen innerhalb der Mitgliedstaaten sowie eine mittel- bis langfristige Konvergenz der Zahlungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Bei letzterer müssen Unterschiede in der wirtschaftlichen  Entwicklung der Mitgliedsstaaten sowie die Gesamtmittelausstattung der Länder in der ersten  und zweiten Säule bei der Angleichung der Zahlungen berücksichtigt werden.
  • Das ZdK begrüßt den Vorschlag, Direktzahlungen ausschließlich Landwirten zu gewähren, die (als Voll-, Zu- oder Nebenerwerbslandwirte) einer echten, konkreten landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, wobei die aktive Nutzung der Flächen das entscheidende Kriterium sein muss ("aktiver Landwirt"). Das ZdK fordert jedoch eine praktikable Ausgestaltung der Regelung, um zusätzlichen verwaltungstechnischen Aufwand zu   vermeiden.
  • Das ZdK sieht den Ansatz der geplanten Staffelung sowie Deckelung der Basisprämien unter der Berücksichtigung der betrieblichen Arbeitsplätze positiv, fordert jedoch eine Ausgestaltung, die die intendierte Wirkung einer sozial ausgewogeneren Verteilung der Zahlungen sicherstellt.
  • Das ZdK sieht in der vorgeschlagenen stärkeren Förderung von Junglandwirten ein

geeignetes Mittel, um der demographischen Entwicklung zu begegnen und im ausreichenden Maß Nachwuchskräfte für die Landwirtschaft zu gewinnen; die konkrete Ausgestaltung der Fördermaßnahmen sollte möglichst subsidiär gehandhabt werden können.

 

Ökologisierungskomponente [2] der Direktzahlungen – "Greening"

•  Das ZdK sieht die geforderte Ausweisung von im Umweltinteresse genutzten Flächen, wie z.B. Hecken, Pufferstreifen, Streuobstwiesen als Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Im Hinblick auf die großen regionalen Unterschiede in den landschaftlichen und damit landwirtschaftlichen Bedingungen innerhalb der Mitgliedsländer und der EU insgesamt sind entsprechend differenzierte Maßnahmenkataloge wichtig. Entscheidender Maßstab für die anzurechnenden Maßnahmen sollte ihr Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz sein. Extensive und damit der Artenvielfalt dienende Wirtschaftsweisen sind als solche Maßnahmen zu verstehen. Die in Deutschland vielerorts bereits praktizierten Agrarumweltprogramme müssen entsprechend Berücksichtigung finden.

  • Das ZdK beurteilt das angestrebte Ziel der Erhaltung von Dauergrünland als positiv.
  • Das ZdK fordert eine Nachbesserung der geplanten Fruchtfolgeregelung, um die Entwicklung hin zu Monokulturen zu stoppen.
  • Das ZdK schlägt als weitere Kriterien vor:
  • eine flächengebundene Tierhaltung
    • den Verzicht auf den Einsatz gentechnisch modifizierter Organismen.

 

2. Internationale Auswirkungen der GAP und internationale Verantwortung der EU

Die EU ist weltweit gesehen der größte Exporteur und Importeur von Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen. Die Förderung von Exportbemühungen der Agrar- und Ernährungswirtschaft ist Teil der europäischen Agrarpolitik. Exportgeschäfte können Arbeitsplätze in Europa sichern und Bedarfe in Importländern decken. Die vorgelegten Kommissionsvorschläge blenden jedoch internationale Auswirkungen der GAP, insbesondere auf Entwicklungsländer, fast vollständig aus. Die EU muss sich ihrer internationalen Verantwortung bewusst werden und die europäische Agrarpolitik so gestalten, dass sie die Ziele der eigenen Entwicklungspolitik sowie die Millenniumsentwicklungsziele nicht konterkariert.

Aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf dem Weltmarkt bzw. auf die lokalen Märkte in Entwicklungsländern hat die EU in den vergangenen Jahren ihre marktverzerrenden Exportsubventionen bereits erheblich zurückgefahren und den Zugang zum europäischen Markt für Agrarprodukte aus Entwicklungsländern (EBA-Initiative) erleichtert. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen. Die in den aktuellen Kommissionsvorschlägen niedergelegte Exportstrategie hält jedoch an Exportsubventionen als Kriseninterventionsinstrument sowie mit dem Ziel fest, einen "angemessenen" Anteil am Weltagrarhandel zu sichern. Es steht zu befürchten, dass dies v.a. zu Lasten der lokalen Landwirtschaft in den Entwicklungsländern und damit deren Ernährungssouveränität sowie des dortigen Aufbaus von Wertschöpfungsketten geht. Eine funktionierende lokale Landwirtschaft ist jedoch ein zentrales Instrument der Armutsbekämpfung.

Das ZdK fordert daher

•    unabhängig von den laufenden WTO-Verhandlungen (Doha-Runde) einen vollständigen Verzicht der EU auf marktverzerrende Exportsubventionen, wie er auch von Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner und Bundesentwicklungsminister Niebel postuliert wurde;

  • eine Export-Folgenabschätzung für sensible Exportprodukte, um eine Störung lokaler Märte in den Importländern zu vermeiden, sowie die Einrichtung einer Beschwerdestelle;
  • eine stärkere Förderung der lange Zeit vernachlässigten ländlichen Räume und lokal

     angepasster landwirtschaftlicher Produktion in den Entwicklungsländern im Rahmen der Entwicklungspolitik der EU und ihrer Mitgliedsländer[3].

 

Die EU führt in erheblichem Maße Eiweißfuttermittel (mehr als 75 % des Eigenbedarfs) und zunehmend auch Energiepflanzen ein. Der Anbau von beidem führt in den entsprechenden Ländern häufig zu Flächenkonkurrenz im Anbau mit Nahrungsmitteln, die die Ernährungssicherheit der örtlichen Bevölkerung bedroht. Flächenkonkurrenz ist u.a. eine Ursache für verantwortungsloses sogenanntes 'land-grabbing' – großflächigen Landkauf und Landpacht durch internationale private und staatliche Akteure. Insbesondere dessen Zunahme stellt eine Gefährdung der Ernährungssouveränität in Entwicklungsstaaten und Schwellenländern dar.

 

Das ZdK fordert daher

  soziale und ökologische Standards für Importe festzulegen (qualifizierter Marktzugang) und die Exportländer in deren Umsetzung und Einhaltung im Rahmen der Entwicklungspolitik zu unterstützen, um negative Auswirkungen in diesen Partnerländern auszuschließen; dies muss vor allem in den WTO-Verhandlungen von der EU eingefordert werden;

•    die Entwicklung einer europäischen Eiweißstrategie (u.a. die Förderung des Anbaus von heimischen Leguminosen), um die Importabhängigkeit der EU zu reduzieren.

 

3. Entwicklung zukunftsfähiger ländlicher Räume

Die Maßnahmen der 2. Säule der GAP haben zum Ziel, die zukünftige Lebensfähigkeit der ländlichen Räume zu unterstützen. Mensch und Natur müssen im Einklang stehen, um nachhaltige Entwicklungen anschieben zu können. Die Förderung und Honorierung von Klima-, Umwelt- und Naturschutz in Verbindung mit der Förderung nachhaltiger, wettbewerbsfähiger Strukturen und regionaler Wirtschaftskreisläufe und Entwicklungszusammenhänge muss Ziel der 2. Säule sein. Die ländlichen Räume dürfen nicht nur als "Zulieferer" für den städtischen Raum verstanden werden, etwa durch die Nahrungsmittelproduktion und die Bereitstellung von Erholungsräumen, sondern vielmehr als Lebensraum mit Eigenwert.

Gemeinsame regionale Herangehensweisen, lokale Kooperationen oder Gemeinschaftsinitiativen, wie LEADER, sind besonders in peripheren ländlichen Gebieten Erfolg versprechende Ansätze zur Förderung von Bleibe-, Rückkehr-und Lebensperspektiven, zur Nutzung des zivilgesellschaftlichen Potentials, zur Stärkung des Heimatgefühls und zur Unterstützung eines solidarischen Miteinanderlebens, um der weiteren drohenden Abwanderung aus vielen ländlichen Räumen vorzubeugen.

Das ZdK fordert daher

•    aus der Perspektive der christlichen Sozialethik insbesondere Maßnahmen im Bereich von Grund-, Aus- und Weiterbildung stärker zu fördern, da sie die Basis für jede vernünftige und dem Allgemeinwohl dienende regionale Entwicklung darstellen. Dabei wird der Begriff der Bildung als ein sehr umfassender verstanden. Bildungsmaßnahmen unterstützen die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung, stärken und erweitern die Handlungsmöglichkeiten der Menschen, schaffen Innovationen, ermöglichen Partizipation, sichern Arbeitsplätze.

  • einen integrierten Entwicklungsansatz für die ländlichen Räume, in der der Landwirtschaft eine große Rolle zukommt, aber nicht die einzige. Es bedarf einer stärkeren Koordinierung aller die Entwicklung ländlicher Räume betreffende EU-Politiken, um zu einem kohärenten Politikan­satz zu gelangen. Die Zielsetzung einer integrierten EU-Politik, die dem Vorschlag eines gemeinsamen strategischen Rahmens für die großen europäischen Förderfonds ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums), EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), ESF (Europäischer Sozialfonds), Kohäsionsfonds und EMFF (Europäischer Meeres- und Fischereifonds) zugrunde liegt, ist daher zu begrüßen; sie darf jedoch in der Umsetzung nicht durch zu hohe bürokratische Lasten untergehen oder konterkariert werden.
  • eine Stärkung der Stellung der Landwirte in der Lebensmittelkette, insbesondere gegenüber dem Handel, aber auch der Ernährungsindustrie, um den Landwirten die Erzielung eines fairen Preises zu ermöglichen. Die Förderung von eigenständigen Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften sowie verbesserte Markttransparenz sind hierzu ein wirksamer Ansatz.
  • die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken, und letztere vor allem auf die Nutzung regionaler Wirtschaftspotentiale und Vermarktungsmöglichkeiten sowie  gehobener Qualitätsmärkte hin auszurichten und zu fördern;
  • die Honorierung von besonderen Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe in den Bereichen Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz nicht zu reduzieren und daher die Finanzierungsanteile der Europäischen Union mindestens auf dem heutigen Niveau zu belassen;

•    Investitionen in Tierhaltungen nur noch dann mit öffentlichen Mitteln zu fördern, sofern die Einrichtungen mindestens die Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards des Tierschutzes sowie des Umwelt- und Immissionsschutzes ermöglichen.

 

Verantwortung als Landwirte und Verbraucher – Bringschuld der Kirchen

Bewusstseinsbildung über die Schöpfung, ihren Eigenwert und ihre Gesetzmäßigkeiten sowie den Schöpfungsauftrag ist ein lebenslanger Prozess, der unterstützt und in der Gesellschaft stärker verankert werden muss. Der handelnde Mensch steht dabei im Mittelpunkt.

Im Hinblick auf die europäische Landwirtschaft bedeutet Bewusstseinsbildung zum einen eine wertschätzende Anerkennung seitens der Verbraucher für die Rolle und Leistungen der Landwirte bei der Erzeugung von sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, die bezahlbar sein müssen, aber auch ihren Preis haben. Vielfach ist der Mensch von der Lebensmittelerzeugung entfremdet; es gilt, sich erneut bewusst und kritisch mit dem Wert von Nahrungsmitteln und ihrer Entstehung auseinanderzusetzen und die Verantwortung für Natur und Schöpfung zur Richtschnur mündigen Konsums zu machen. Verbraucherbildung tut hier not. Mit seinem Kaufverhalten entscheidet der Verbraucher über die Form der Landwirtschaft mit. Mit Blick auf die globale Ernährungssituation gilt es, u.a. auch Ernährungsgewohnheiten kritisch zu hinterfragen.

Zum anderen ist es für die Landwirte bedeutsam, weiter auf sich wandelnde Ansprüche und Wertvorstellungen der Verbraucher einzugehen und ihre Wirtschaftsweisen daran auszurichten ('Sekundarqualitäten' landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie z.B. regionale Herkunft). Bereits heute erfüllen Landwirte hohe Agrarumwelt- und Tierschutzauflagen. Um die Erhaltung der natürlichen Produktionsgrundlagen für die Zukunft sicherzustellen, können die Anforderungen an die Landwirte nur im Dialog auf Augenhöhe mit ihnen realisiert werden. Erforderliche Anpassungen sollten nach Möglichkeit über Anreize erzielt werden.

Gerade als verantwortliche Christen fühlen wir uns verpflichtet, uns mit ethischen Wertmaßstäben und mit Sachkompetenz in die gesellschaftlichen Debatten um den rechten Weg der Landwirtschaft in die Zukunft einzubringen. Dieser Beitrag erhält umso mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit, je überzeugender sich jede(r) einzelne als Beteiligte(r) verhält und das eigene Verhalten auf einen verantwortbaren Lebensstil, auf nachhaltigen Konsum und eine nachhaltige Energienutzung hin auf den Prüfstand stellt.

Dies gilt ebenso für kirchliche Einrichtungen, für die Ebene der Diözesen und Pfarreien, für Ordensgemeinschaften, usw. Als Landeigentümer, Betreiber von Wirtschaftsbetrieben, Kinder-, Kranken-und Pflegeeinrichtungen u.v.m. bestimmen sie wirkungsvoll mit, wie das Land bewirtschaftet wird und woher Lebensmittel, Rohstoffe und Energieträger kommen.

 

Fazit

Die Reform der GAP muss die Rahmenbedingungen schaffen, die es der europäischen Landwirtschaft ermöglichen, die Anforderungen, die an sie gestellt werden, zu erfüllen. Das ZdK ist der Überzeugung, dass eine vielfältig strukturierte, multifunktionale bäuerliche Landwirtschaft, die marktorientiert und nachhaltig wirtschaftet, am besten geeignet ist, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu meistern.

Das ZdK appelliert daher an die Bundesregierung, den Ministerrat der Europäischen Union sowie die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Grundausrichtung der Kommissionsvorschläge zu unterstützen und sich in deren konkreten Ausgestaltung entsprechend der vorliegenden Eckpunkte für eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Gemeinsame europäische Agrarpolitik einzusetzen, die kohärent mit den anderen relevanten EU-Politiken verzahnt ist und der internationalen Verantwortung der EU gerecht wird.

 


[1] Für eine Neuorientierung der Agrarpolitik/1988, Rio +10 Bilanz und Ausblick/2002, Agrarpolitik muss wieder Teil der Gesellschaftspolitik werden/2003, Schöpfungsverantwortung wahrnehmen – jetzt handeln!/2008, Globalisierung gerecht gestalten – Die Ernährungs­krise in den Fokus der Krisenbekämpfung stellen/2010 – Erklärungstexte s. www.zdk.de/ veroeffentlichungen/erklaerungen/
[2] Der Kommissionsvorschlag sieht eine zusätzliche jährliche Zahlung zur Basisprämie in Höhe von 30 % des nationalen Finanzrahmens bei Einhaltung von 3 Kriterien vor: a) Erhaltung von Dauergrünland, b) Anbaudiversifizierung (3 verschiedene Kulturen, die mind. 5 %, max. 70 % des Ackerlandes einnehmen müssen bzw. dürfen), c) Ausweisung von mind. 7 % der Flächen als im Umweltinteresse genutzte Flächen.
[3] Unbeschadet von den im Rahmen der EU-Politiken zu treffenden Maßnahmen besteht eine Eigenverantwortung der betreffenden Länder, das Ihre zur Förderung der heimischen Landwirtschaft zu tun und internationale Maßstäbe guter Regierungsführung einzuhalten.

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