Zwischen Diplomatie und Gerechtigkeit

Statement von Prof. Dr. Johanna Rahner im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Ein erster, aber prägender Eindruck: Soviel Diplomatie war selten. Gewiss, es ist mehr als an der Zeit, neu über das Verhältnis von Laien und Klerikern in der Kirche oder über die Möglichkeiten kooperativer Gemeindeleitung zu reflektieren. Es ist von grundlegender Bedeutung, über die Frage der Freiheit der theologischen Wissenschaft oder die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu diskutieren, die schon die Würzburger Synode anmahnte. Es gibt viele und gute Gründe dafür, all diese Themen von einem theologisch bereits in den Ausführungen des Konzils zum gemeinsamen Priestertum grundgelegten Fundament aus nochmals zu bearbeiten, argumentativ abzusichern und neue strukturelle Umsetzungen einzufordern. Die Fragen nach einer zukunftsfähigen Theologie des Amtes, nach einem theologisch stimmigen Miteinander von Klerikern und Laien in der Kirche (bis hin zu erweiterten Mitwirkungsrechten von Laien und den Möglichkeiten einer kooperativen Gemeindeleitung), nach der Bewältigung der konkreten Herausforderungen der aktuellen Entwicklungen in der Pastoral und nach der Repräsentativität der Kirche als Institution – all das sind die Schlüsselfragen eines glaubwürdigen Kircheseins in der Welt von heute. Angesichts der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche ist es von zentraler Bedeutung, diese Themen anzugehen. Warum aber muss das in einem Papier geschehen, das von seiner Anlage her doch ein ganz anderes Ziel hat – nämlich die Frage der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in der Kirche? Sie umfasst theologisch berechtigte, notwendige und grundlegende Fragen nach einer – sicher zunächst im weiten Sinne des munus ecclesiae verstandenen – amtlichen Repräsentation von Kirche durch Frauen. D.h. also nach einem auch nach außen hin sichtbaren, gleichberechtigten Anteil von Frauen an Leitungs-, Entscheidungs- und Repräsentationsfunktionen in der Kirche bis hin zur Frage  nach der Möglichkeit der Teilhabe von Frauen am kirchlichen Weiheamt. Warum – so meine erste Anfrage – gehen Sie, wenn doch die Frage der Geschlechtergerechtigkeit das eigentliche Thema des Antrags ist, schon in der Gestaltung des Beschlusstextes das Risiko ein, das Ganze allzu diplomatisch in Watte zu packen? Droht hier nicht die Gefahr, das Anliegen einer diplomatischen Vermittlung der Positionen dadurch zu desavouieren, dass Theologie mit Politik und damit Gerechtigkeit mit Geschenken verwechselbar wird? Denn nur Geschenke brauchen eine Verpackung. Allenfalls die Tatsache, dass nach geltendem Recht Frauen immer notwendig Laien sind und bleiben müssen, weil ihnen die Zulassung zum Weihesakrament unmöglich ist, legitimiert die vorgelegte thematische Melange. Damit sind wir aber an jenem springenden Punkt des Papiers, der zugleich seine kritische Masse beinhaltet: die Forderung nach der Zulassung von Frauen zum Weiheamt im Modus des Wunsches nach der Einführung des Amts der Diakonin. Auch hier möchte ich meine Beobachtungen als Anfrage formulieren.

Es ist unzweifelhaft, dass der Diakonat zur Substanz des Weiheamtes gehört. Darum ergibt sich folgende Frage: Welchen Weg wollen Sie gehen? Sind Sie dazu bereit, eine Diskussion loszutreten, die erneut die Frage nach einer prinzipiellen Möglichkeit  der Zulassung von Frauen zum Weiheamt stellt? Verbunden mit dem Risiko, sich die obligatorische Rüge einzuholen, dass das päpstliche Lehramt darüber das Notwendige bereits verbindlich gesagt hat und eine weitere Diskussion dazu weder erwünscht noch zielführend ist? Oder wollen Sie sich mit der Lösung zufrieden geben, dass das Amt der Diakonin zwar einen eigentlichen Anteil an den allgemeinen Ämtern, nicht aber an den Weiheämtern der Kirche hat, und damit der Wunsch nach einem solchen Amt als einem Amt sui generis eine Forderung außerhalb des Streitfeldes 'Weiheamt für Frauen' darstellt?

Beide Wege sind gangbar. Der zweite Weg ist der Weg des geringeren Widerstandes. Denn selbst Veröffentlichungen eines eher als konservativ zu bezeichnenden Spektrums stellen außer Frage, dass die Einführung eines Kirchenamtes, das gerade den diakonischen Dienst der Frau in der Kirche im Fokus hat, aber nicht den Status eines Weiheamtes beansprucht, durchaus angemessen und ohne weiteres möglich sein könnte. Komplexer ist die Situation in Sachen Wiederaufnahme der Frage nach der Zulassung von Frauen zum Weiheamt des Diakons/der Diakonin. Indes scheinen sich durch konkrete Veränderungen des kirchlichen Rechts auch für diesen Weg neue Chancen aufzutun.

Mit dem Motu proprio 'Omnium in mentem' hat Papst Benedikt XVI. 2009 unter Berufung auf LG 29,2 und den KKK an zentraler Stelle eine Veränderung des kirchlichen Rechts vorgenommen. Der CIC spricht nun davon, dass Diakone nicht mehr wie Priester und Bischöfe 'in persona Christi capitis' handeln, sondern nurmehr "die Vollmacht" haben, "dem Volke in der Diakonie, der Liturgie des Wortes und der Liebe zu dienen" (CIC can. 1009). Damit scheint die Möglichkeit frei geworden, die realsymbolische Repräsentanz des 'in Person Christi Handelns' ämtertheologisch zu differenzieren, was bisher mit dem Verweis auf die innere Einheit des gestuften Weiheamtes unmöglich schien. Mit einer Binnendifferenzierung des Handelns 'in persona Christi' wäre ein theologisch vertieftes Nachdenken über eine differente Repräsentationsfunktion des Dienstes des Diakons ermöglicht, die Frauen nicht automatisch auch von dieser Stufe des Weiheamts schon dadurch ausschließt, weil man ihnen die Möglichkeit eines Handelns 'in persona Christi' aufgrund ihres Geschlechts konstitutiv abspricht. Indes will ich hier nicht beurteilen, ob diese aktuellen Veränderungen des geltenden Rechts im Blick auf die uns hier bewegende Fragestellung beabsichtigt waren und es damit auch theologisch legitim ist, diese Veränderungen so zu interpretieren.

Sollte dies indes nicht der Fall sein, scheitert die Forderung nach dem Diakonat der Frau als Weiheamt auch zukünftig an der These der Einheit des dreigliedrigen Amtes und damit am kirchenrechtlich fixierten Grundsatz, dass die Weihe in der katholischen Kirche nur Männern vorbehalten ist (CIC can. 1024). So ist meine Grundfrage 'Was wollen Sie?' um die Mahnung ergänzt, wenn Sie wirklich von der Zulassung der Frau zum Weiheamt sprechen wollen, dann wäre auch von den damit verbundenen Problemen zu sprechen.

Diese aber sind keine Frage von Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit, sondern daraus ergibt sich unaufgebbar die theologische Frage nach der Substanz des Ordo in der Substanz dessen, was Kirche ausmacht, also eine theologische Grundsatzreflexion über die Theologie des Amtes selbst. Sich hierzu zu äußern, konfligiert mit dem päpstlichen Diskussionsverbot aus dem Jahre 1994. Da aber seither weder pro noch contra dazu geschwiegen wurde, sei hier noch einmal das theologische Desiderat kurz benannt.

Ich sehe hier den bleibenden Konflikt zweier theologischer Positionen:

Die eine betont, in Rekurs und theologischer Ausdeutung der päpstlichen Entscheidung von 1994, dass das "Mannsein Jesu […] zur Selbstaussage des Logos im Fleisch" gehört und so "die Grundlage für die Ursprungsrelation Christi zur Kirche" bildet. In der Folge ist der "zum Priester Geweihte […] in seiner Person und aufgrund seiner Natur (als Mensch in der signifikanten Relationalität als Mann zur Frau und damit der Disposition zum Vatersein)  Zeichen, durch das Christus, der Hohepriester die Lebensvollzüge seiner Kirche trägt". So gehört zur "Substanz des Weihesakraments […] auch der Geweihte", mithin das, schöpfungstheologisch in der Dualität der Geschlechter grundgelegte Mannsein, um "in seiner Person Christus seiner konstitutiven Beziehung zur Kirche" darzustellen.[i] Schwierigkeiten mit dem ontologischen Realgehalt dieser Symbolik haben allenfalls Sprachen wie das Niederländische, wo 'kerk' ein maskulines Nomen ist und sich damit die subtile Frage aufwirft, welches reale Geschlecht eigentlich 'die Kirche' hat oder allzu getreue Anhänger des Aquinaten, die mit dem Doctor angelicus daran festhalten, dass "in metaphorischen Redeweisen die Ähnlichkeit sich nicht in Bezug auf alles erstreckt" (Thomas v. Aquin, S.Th. III, q. 8, a.1 ad 2).

Doch auch die gegenteilige Position soll in prominenter Weise zur Sprache kommen: "Wenn man einmal annimmt", so fasst Karl Rahner bereits im Jahre 1977 die Problematik zusammen, "dass Jesus und die Apostel noch andere und wesentlichere Gründe für ihr Verhalten gehabt haben, als die vorgegebene kulturelle und gesellschaftliche Situation, dann müsste man doch auch inhaltlich genauer sagen, worin diese anderen Gründe bestehen. […] Das bloße Faktum, dass Jesus ein Mann war, ist hier noch keine Antwort, weil nicht einsichtig wird, dass ein Mensch, der im Auftrag Christi und insofern (aber doch auch nicht anders) 'in persona Christi' handelt, diesen dabei gerade in seinem Mannsein repräsentieren müsse. Würde man aber unter Berufung auf die 'göttliche Schöpfungsordnung' solche Gründe zu finden und zu entwickeln suchen, dann wäre wohl schwer vermeidbar […], sich nicht auf eine Anthropologie zu berufen, die doch wieder die gleiche Würde, die gleiche Berechtigung der Frau bedroht."[ii]

Der aktuelle Status der lehramtlichen Entscheidung als definitive, aber eben nicht unfehlbare Festlegung, macht es möglich, davon auszugehen, dass auch in dieser Frage sich das bessere theologische Argument am Ende durchsetzen wird.

Indes gibt Rahner im gleichen Beitrag noch einen Hinweis darauf, wieso der Einsatz für eine institutionelle Gleichberechtigung der Frau vielleicht doch für die eigentliche Frage nach dem Weiheamt der Frau von besonderer Bedeutung sein könnte und damit nicht zu vernachlässigen ist – also genau jene Fragen nach Frauen in Führungspositionen, nach Finanzen und Entscheidungsbefugnissen, nach Frauen in Wissenschaft und Lehre etc., von denen unser Entschließungstext so extensiv handelt: "Wenn die Frau", so Rahner, "in der Kirche praktisch und auch institutionell jene Bedeutung gefunden haben wird, die sie an sich haben müsste, […] aber faktisch noch nicht hat, dann erst sind die Voraussetzungen lebensgemäßer Art für eine allseits befriedigende Lösung des engeren Problems gegeben. Wie dann die Lösung ausfällt, kann und muss man in Geduld abwarten […] Nur sollte diese Geduld nicht überbeansprucht werden, weil die Zeit drängt und man gewiss nicht ohne Schaden für die Kirche 100 Jahre warten kann."[iii] Davon haben wir fast 35 Jahre mit der mangelnden Durchführung der Vorbedingungen verschwendet. Es ist tatsächlich höchste Zeit, wenigstens daran etwas zu ändern.

 

 


[i] G. L. Müller, Kann nur der getaufte Mann gültig das Weihesakrament empfangen? Zur Lehrentscheidung in 'Ordinatio sacerdotalis', in: ders. (Hg.), Frauen in der Kirche. Eigensein und Mitverantwortung, Würzburg 1999, 278-356, hier 299; 307; 309.

[ii] K. Rahner, Priestertum der Frau?, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 30, Freiburg 2009, 511-522, hier 518f (Hervorhebung im Original).

[iii] Ebd. 522f (eigene Hervorhebung).

Prof. Dr. Johanna Rahner, Professorin für Systematische Theologie der Universität Kassel

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