Gedanken zum Text der deutschen Bischöfe "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft"
Frauen bewegen Kirche
Rede von Martina Breyer -es gilt das gesprochene Wort.
Vor 30 Jahren stand ich kurz vor dem Abitur, war engagiert in der Katholischen Landjugendbewegung und in meiner Pfarrgemeinde. „Frauen bewegen Kirche“ – der Satz stimmte schon damals, jedenfalls, was die Arbeit an der Basis meiner Heimatgemeinde betraf. Ohne die Frauen wäre unser Gemeindeleben undenkbar gewesen, auch wenn im Pfarrgemeinderat Frauen noch in der Minderheit waren und an Ministrantinnen nicht zu denken. Aber es bewegte sich so viel in der Gesellschaft, dass ich in meinem jugendlichen Optimismus das Emanzipationsthema für Schnee von gestern hielt und davon ausging, dass sich auch meine Kirche ganz automatisch mit entwickeln würde, so erlebte ich es jedenfalls in der Jugendarbeit vor Ort.
Heute, eine Generation später, halten meine beiden jungen erwachsenen Töchter (24 und 19 Jahre) die Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft für weitestgehend umgesetzt. Auch wenn die ältere als Mutter zwei kleiner Töchter z. Zt. eine Vielzahl von neuen Erfahrungen macht. Selbstbewusst und eigenverantwortlich stehen sie in ihrem Leben. Beide Töchter erleben den Satz „Frauen bewegen Kirche“ als Realität in Pfarrgemeinde, Gruppen und Initiativen. Sie sehen hier Frauen, die in Verantwortung stehen und Führung übernehmen. Sie haben aber gleichzeitig deutlich das Bild einer männlichen, dazu stark alternden Amtskirche vor Augen, die nicht nur das Bild der Katholischen Kirche in der Öffentlichkeit prägt, sondern auch über die zukünftige Entwicklung derselben entscheidet. Mit wem können sie sich identifizieren, wer vertritt ihre Spiritualität, ihr Fühlen und Denken? Meine Töchter empfinden es als zutiefst ungerecht, dass Frauen keinen Zugang zu einem Weiheamt in ihrer Kirche haben. Ich selbst erlebe nach wie vor Frauen, die die Kirche bewegen. So haben sie, z.B. in den Frauenverbänden wie der kfd, Frauenorte in der Kirche geschaffen. Selbstbewusst äußern sie sich kompetent zu Fragen in Gesellschaft und Politik. Sie setzen sich für die gerechte Teilhabe von Frauen in der Kirche ein. Sie schaffen Räume, in denen sich auch heute noch Frauen in der Kirche beheimatet fühlen können. Aber wo wird das in der Amtskirche deutlich? Sind diese neugeschaffenen Frauenräume nicht Seitenschiffe und Randerscheinungen?
Und in 30 Jahren? Dann werden meine zwei Enkeltöchter (6 Jahre, 8 Monate) als erwachsene Frauen auf die Kirche schauen. Was werden sie sehen und erleben? Einen Saurier, der sich in veralteten Strukturen eingemauert hat? Werden noch Frauen die Kirche bewegen oder wird der Exodus junger Frauen aus ihr weiter angehalten haben? Oder wird die bewegende Kraft des Glaubens für sie spürbar sein in einer Kirche, die in der Welt und mit der Zeit lebt und die an der Bewegung der Gleichberechtigung und Teilhabe der Frauen nicht vorbeigehen konnte und durfte (Vgl . "Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft" S.6).
Wenn Papst Johannes XXIII. die Entwicklung zur vollen Gleichberechtigung „als ein Zeichen, durch das Gott in der Geschichte unserer Zeit wirkt“ benennt, dann verlangt das gläubige Antworten! So vertraue ich auf die Kraft des Heiligen Geistes, der auch meine Kirche lenkt und sie in die Zukunft führen wird, die den Menschen, Männern wie Frauen, dient.
Martina Breyer, Diözesanrat des Bistums Dresden-Meißen