Frauen (und Männer) bewegen Kirche, damit Gott heute erfahrbar wird
Frauen bewegen Kirche
Rede von Maria Berger-Senn -es gilt das gesprochene Wort.
Die katholische Kirche legt besonderen Wert darauf, den menschgewordenen Gott durch Zeichen und Sakramente erfahrbar zu machen. Sie geht so weit, zu sagen, die Kirche selbst sei ein solches Zeichen. „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen … und ist Mensch geworden.“ Gott wird nicht verstanden als unbeweglicher Weltenschöpfer, sondern als ein den Menschen begegnendes, sie liebendes, aber auch forderndes Du. Dieses Du will die Kirche den Menschen durch ihre Präsenz nahe bringen.
Einer solchen Kirche kann ihre Gestalt nicht gleichgültig sein. Zwar ist gegenwärtig oft zu hören, wir sollten lieber die Gottesfrage in den Mittelpunkt stellen und keine Strukturdebatten führen. Dass das eine mit dem anderen zutiefst zusammenhängt, gehört aber zum Zentralbestand christlicher, insbesondere katholischer Theologie. Wir können es uns auch vom weltweit bekanntesten Medientheoretiker Herbert McLuhan sagen lassen, der am 21.07.2011 hundert Jahre alt geworden wäre: „Das Medium ist die Botschaft.“
Blickt man auf der Suche nach Gott auf die heutige Gestalt der Kirche, erscheint er wie ein unbeweglicher alter Mann, der die Wahrheit nicht im Dialog, sondern in seinem staubigen Büro sucht, der sich aus Angst vor der Berührung mit Menschen immer weiter zurückzieht, der vom Leben der Familien, der Jugendlichen, der berufstätigen Frauen und Männer nur schemenhafte Vorstellungen hat und der aus seinem männlichen Chromosomensatz einen angeborenen Herrschaftsanspruch ableitet. Ein flüchtiger Blick auf die Kirche könnte diesen Schluss nahe legen, er träfe allerdings nicht den biblischen Gott und auch nicht die ganze Realität der katholischen Kirche.
Ich bin gern Teil der katholischen Kirche, ich engagiere mich – neben Familie und Beruf - in der Kirchengemeinde, im Dekanat, in der Diözese und im Zentralkomitee. Unsere Kirchengemeinde St. Klemens in Böblingen besteht aus knapp 3000 Katholiken/innen, wir haben 60 fröhliche und fleißige Ministranten/innen und ebenso viele engagierte Pfadfinder/innen, wir pflegen eine lebendige Partnerschaft mit einer brasilianischen Gemeinde, wir arbeiten konsensorientiert im Kirchengemeinderat. Es gibt Bibelgruppen, Gebetsgruppen und Nachbarschaftshelfer/innen, und alle zusammen treffen sich sonntags zum Gottesdienst, den Haupt- und Ehrenamtliche mit viel Sorgfalt gemeinsam gestalten.
Jeden Freitag von 18.00 bis 18.30 Uhr treffen wir uns seit Juni 2010, um für die Erneuerung der katholischen Kirche zu beten. Es fiele uns leichter, die Botschaft vom menschgewordenen Gott unseren Kindern und den Menschen in unserer Stadt zu vermitteln, wenn in dieser Kirche Frauen und Männer gleichberechtigt wären, wenn wir nicht nur mit gescheiterten Priestern, sondern auch mit gescheiterten Eheleuten barmherzig sein dürften, wenn unser Verhältnis zur evangelischen Nachbargemeinde nicht regelmäßig von lehramtlichen Verlautbarungen belastet würde, wenn der Umgang mit Sexualität, Ehe und Ehelosigkeit im Raum der Kirche mehr mit Liebe als mit Verboten verbunden wäre. Jede Generation hat aufs Neue die Aufgabe, die Gestalt der Kirche so weiter zu entwickeln, dass sie den menschenfreundlichen Gott erfahrbar machen kann. Wir werden weiter dafür beten und arbeiten, dass unsere Kirche sich in diese Richtung bewegt; noch haben wir diese Hoffnung nicht aufgegeben.
Maria Berger-Senn, Diözesanrat Rottenburg-Stuttgart