Frauen bewegen Kirche

Rede von Karin Kortmann -es gilt das gesprochene Wort.

Die Zeit der FRAGEN ist vorbei. ANTWORTEN sind gefordert.
21. September 1981. Ich studiere an der Katholischen Fachhochschule in Mainz Sozialpädagogik . Bin ehrenamtlich in der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg aktiv und lebe mein Leben wie viele meiner Altersgenossinnen: Ich diskutiere über Politik, höre an Pfingsten beim Open-Ohr-Festival das erste Mal Frau Prof. Uta Ranke-Heinemann, beschäftige mich mit der Katholischen Soziallehre, trage auch mal ab und zu eine lila Latzhose. Es ist die Zeit der Frauen- und Ökologiebewegung. Die Zeit der geordneten außerparlamentarischen Opposition. Ich gehe in die Uni-Vorlesung der Professoren Kepplinger und Noelle-Neumann, weiß danach mehr über die Vogel- und Froschperspektive und die Schweigespirale.
Nichts erfahre ich in dieser Zeit vom Wort der deutschen Bischöfe „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“. Ob unsere Professoren und Professorinnen es nicht für so wichtig erachteten oder meinten, wir seien (noch) nicht die richtige Zielgruppe?
Dabei hätte es uns gut getan, darüber zu sprechen, wie „Frauen zu allen Diensten (innerhalb der katholischen Kirche) zugelassen werden, die theologisch möglich, pastoral sinnvoll, angemessen und notwendig sind“. Viele meiner Freundinnen und Freunde waren wie ich in der katholischen Jugendverbandsarbeit tätig. Dort war und ist es bis heute selbstverständlich, dass Frauen gleichberechtigt in den Leitungsorganen mitarbeiten. Geistliche Leiterinnen haben von der Orts- bis zur Bundesebene die Aufgaben der theologischen Begleitung übernommen; aus Mangel an Freistellungen von Priestern für diese Aufgaben, aber vor allem um einen breiteren Ansatz von geistlicher Begleitung zu ermöglichen.
Priester waren für uns immer Partner auf gleicher Augenhöhe. Die Bischöfe haben Recht: „Jede Veränderung im Selbstverständnis der Frauen berührt zugleich das Selbstverständnis der Männer. Es ist ein Irrtum zu meinen, es ginge nur um die Probleme der Frauen bzw. um ein Mehr an Mitverantwortung und Mitwirkung der Frauen. Es geht um die gemeinsame, partnerschaftliche Verantwortung und Mitwirkung von Männern und Frauen in der Kirche.“ Nur schade, dass sich die seit Jahrzehnten bewährte kooperative Verbandsleitung nicht auch schon längst in der kooperativen Gemeindeleitung niedergeschlagen hat. Stattdessen wird umstrukturiert. Gemeinden werden aufgelöst, zu XXL-Gemeinden fusioniert, der Seelsorger zum Verwaltungsleiter degradiert. Nicht selten sehen sich die Gläubigen beim Sonntagsgottesdienst einem rotierenden Zelebrantenmodell am Altar gegenüber, das jede Nähe und Vertrautheit, jede persönliche Ansprache und das Kennen der Gemeindemitglieder vermissen lässt.
Viele Gläubige sind nicht bereit, sich an diesen Zustand zu gewöhnen. Die Zauberformel heißt „viri probati“. Es soll geprüft werden, ob in Kirche, Gesellschaft und Ehe bewährte Männer zum Priester geweiht werden können. Das würde einer weiteren Zementierung der Männerkirche gleichkommen. Das hat nichts mehr mit einem gleichberechtigten Zugang von Frauen zu allen Ämtern und Funktionen zu tun. Wer soll das noch als Fortschritt bezeichnen?
Die Zerrissenheit von katholischen Frauen spiegelt sich doch längst in ihren Lebensläufen und –Biografien wider. In der Politik, in der Gesellschaft, in Unternehmen sind seit dem Bischofswort von 1981 vielfältige und umfangreiche Modelle zur Stärkung der Frauen entwickelt worden: Frauenquoten, Frauenförderpläne, Modelle zur Vereinbarung von Familie und Beruf, Elternzeiten und vieles mehr. Frauen sind gefragt mit ihren Kompetenzen, ihren Lebenserfahrungen, ihrem Multi- tasking-Talent. Aber viele sind nicht mehr bereit, sich wie ein Januskopf zwischen Teilhabe und Nicht-Teilhabe zu wenden. Der Exodus der Frauen aus der Kirche findet nicht mehr schleichend, sondern in immer größeren Zahlen statt.
Das ist die Bilanz nach 30 Jahren Bischofwort. Das hehre Ziel: „Die Kirche soll Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und –wirken von Männern und Frauen sein“ wurde nicht erreicht. Der Rückwärtsgang ist eingerostet und braucht eine Generalüberholung.
Heute berührt mich dieses mutige Wort der Bischöfe von 1981 sehr. Es waren damals die richtigen Fragen in einer Zeit des Umbruchs. Auch heute befindet sich unsere Kirche in einem Umbruch. Aber anders als damals warten wir auf Antworten. Die Fragen sind gestellt.
Ich wünsche mir, das die Bischöfe, die vor 30 Jahren so mutig die Fragen in ihrem Hirtenwort veröffentlicht haben, heute die Bereitschaft erkennen lassen, aus der Schweigespirale auszubrechen und Antworten in einem neuen Bischofswort „Zu Chancen und Erfordernissen der Mitarbeit von Frauen in der katholischen Kirche“ verfassen.

Karin Kortmann, Vizepräsidentin des ZdK

 

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