Frauen bewegen Kirche

Rede von Dr. Claudia Lücking-Michel -es gilt das gesprochene Wort.

Vor 30 Jahren, am 21. September 1981 veröffentlichten die deutschen Bischöfe ihr Hirtenwort „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ – ein wahrhaft wegweisender Text. Heute, drei Jahrzehnte später, hat das Anliegen nichts an Aktualität eingebüßt – im Gegenteil.

Schaut man auf die bundesdeutsche Gesellschaft, so hat sich die Stellung der Frauen in der Zwischenzeit rasant verändert. Äußeres Zeichen: Bis an die Spitze der Ämter ist eine Beteiligung von Frauen nicht mehr nur theoretische Forderung, sondern spätesten seitdem wir eine Bundeskanzlerin haben, auch gelebte Realität. Frauen holen auf bei ihren Bildungsqualifikationen, nehmen mit zunehmender Selbstverständlichkeit Spitzenämter und Führungspositionen ein und stellen sich ihrer Verantwortung im Beruf und als Mütter und Familienfrauen - allerdings ohne die Väter an dieser Stelle aus deren Pflicht zu entlassen. Da gibt es weiterhin noch viel zu verbessern - sicherlich. Doch niemand würde es mehr wagen, Frauen grundsätzlich die Möglichkeit und die Fähigkeit bestimmte Aufgaben zu übernehmen abzusprechen. Angesichts von demographischem Wandel und Fachkräftemangel ist es vielmehr der pure Eigennutz, wenn Unternehmen und Wirtschaft jetzt verstärkt bis verzweifelt um Frauen in Führungspositionen ringen.

Und in der Kirche? Vor 30 Jahren nahmen die Bischöfe sich selber vor: „Die Kirche soll Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen sein“. „Nein Danke - bitte nicht!“ kann ich da heute nur sagen. Zur Frage der Stellung der Frau in der Kirche fehlt bis heute eine akzeptable Antwort. Angesichts der Entwicklungen in der Gesellschaft wird das, was wir 30 Jahre nach dem Hirtenwort erleben, noch einmal mehr zum Skandalon. „ Die Zeichen der Zeit erkennen“, den „sensus fidelium“ ernst nehmen – das zweite Vatikanum hat beide Orte theologischer Erkenntnis noch einmal nachdrücklich in Erinnerung gerufen und die Bischöfe berufen sich selbst darauf. Bei der „Frage der Stellung der Frau in Kirche“ gilt dies wohl nicht.

Frauen bewegen Kirche – das gilt nach wie vor und in zunehmendem Maße. Schau ich mich um, dann sehe ich am letzten Sonntag beim Pfarrfest unter den Messdienern 18 Mädchen und zwei Jungen, eine Pfarrgemeinderatsvorsitzende, die den „Laden schmeißt“, eine Pastoralreferentin, ohne die der ganze Bereich Kommunion- und Kleinkindkatechese brach liegen würde. Ohne Frauen wären die Kirchenbänke bei allen Wochentagsmessen komplett leer und am Sonntag nur wenig gefüllt, die Altenstube zu, die Pfarrcaritas hand-lungsunfähig, die katholische Bücherei bestenfalls einmal in der Woche geöffnet. Doch ich erlebe Bistumsleitungen, die bereit sind, lebendige Gemeinde- und Pastoralstrukturen ad absurdum zu führen, vorausgesetzt sie können weiterhin bei der Gemeindeleitung allein auf Priester und auf keinen Fall auf geeignete Männer und Frauen setzen.


Frauen bewegen Kirche: In den letzten 30 Jahren habe ich Situationen erlebt, in denen hervorragende Theologinnen nur deshalb keinen Lehrstuhl bekamen, weil sie Frauen sind und wichtige Themen aus Frauensicht aufgegriffen haben. Alles nur Unterstellung, Spekulation und Fehlinterpretation? Solange es keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt und selbst die Betroffenen die Vorwürfe gegen sie nicht kennen, habe ich keine andere Erklärung. Ich habe Stellenbe-setzungen mitbekommen, in denen hochqualifizierte und engagierte Frauen mit ihrer Bewerbung nicht zum Zuge kommen konnten, da für die Stelle ein Priester gesucht wurde, obwohl weit und breit keine zwingende Voraussetzung für eine Weihe zu entdecken war.


Frauen bewegen Kirche: Bei der Ämterfrage läuft jeder Versuch gegen die Wand. Ich zitiere einfach nur die deutschen Bischöfe: „ Wir werden uns weiterhin dafür einsetzten, dass gesamtkirchlich und für den eigenen Jurisdiktionsbereich, Frauen zu allen Diensten zugelassen werden, die theologisch möglich, pastoral sinnvoll angemessen und notwendig sind. „ (S. 19) Irgendwie habe ich da was verpasst. Umso dankbarer bin ich für die wenigen Mitstreiter, die bei diesem Anliegen für die Frauen – oder eigentlich ja für die Zukunft der Kirche einstehen.

Denn in diesem Punkt bin ich überzeugt: Die Fragen der Stellung der Frau in der Kirche sind Überlebensfragen, die richtigen Antworten existenziell für die Zukunft der Kirche. Oder um das Hirtenwort noch einmal zu zitieren: „ Die Aufgabe (der Frauen) ist heute von höchster Bedeutung sowohl für die Erneuerung und Vermenschlichung der Gesellschaft als auch dafür, dass die Gläubigen das wahre Antlitz der Kirche wieder neue entdecken.“ (S. „28)

Dr. Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des ZdK

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