I have a dream

Frauen bewegen Kirche

Rede von Dagmar Mensink -es gilt das gesprochene Wort.

Ich habe den Traum, dass meine Tochter in einer Kirche aufwächst, in der sie selbstbewusst und fröhlich katholisch sein kann. In der Frauen und Männer verschieden sind, weil jeder Mensch ein Individuum ist, und nicht weil sie qua Geschlecht auf bestimmte Rollen festgelegt werden. In der homosexuelle Menschen so selbstverständlich wie heterosexuelle Paare in Liebe und Verantwortung ihre Beziehungen leben können. In der Christinnen und Christen in einer säkularen Gesellschaft erkennbar sind, weil sie sich mit Ungerechtigkeiten nicht abfinden und Politik aktiv mitgestalten. In der die Gläubigen nicht einen Großteil ihrer Energien dafür aufwenden, einen schier endlosen Kampf um Kirchenstrukturen zu führen.

Zugegeben: Die Einsicht, dass Frauen und Männer in der Kirche nicht die gleichen Rechte haben, kam bei mir spät. Es gab schlicht keinen Anlass. Meine Religionslehrerin zu Grundschulzeiten hatte die Gabe, spannend und kenntnisreich aus Bibel und Kirchengeschichte zu erzählen. In der Gemeinde waren schon 1970 Mädchen ebenso selbstverständlich Messdienerinnen wie Jungen. Meine Lehrerin für Deutsch und Religion im Gymnasium hat mir die Augen geöffnet für den Zusammenhang zwischen Kirche und Kultur. Das hat mich neugierig gemacht, ich wollte mehr wissen. Kurzum: es waren Frauen, die mir die Liebe zur Theologie vermittelt haben.

In meinem Studium lernte ich, wie tief die Geschlechterdifferenz in das Selbstverständnis der Kirche eingeschrieben ist. Es gibt Eva und es gibt Maria, die beiden Modelle, eine tiefe Verachtung gegenüber dem (weiblichen) Körper, der mit Sünde in Verbindung steht, und die leidenschaftliche Überhöhung der reinen Liebe zu einer unerreichbaren Frau. Dazu ein philosophisches Erbe, das dem Einen den Vorrang vor dem Vielen gibt, weshalb der Eine – Christus – auch nur von Einem – dem männlichen Geschlecht – repräsentiert werden kann. Frauen sind deshalb von der Weihe ausgeschlossen. Deshalb dürfen sie noch immer nicht selbstverständlich theologische Lehrerinnen sein.

Warum hält die katholische Kirche so unerbittlich an diesen Denkformen fest? Ja, es geht um Macht und Machterhalt, aber das scheint mir nicht alles. Trauen wir bis in die Spitze der Kirchenleitung dem Wirken des Geistes in unserer Kirche nicht? Glauben wir nicht, wie es im zweiten Brief an Timotheus (Kapitel 1, Vers 7) heißt, dass Gott uns keinen Geist der Verzagtheit gegeben hat, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit? Wissen wir nicht mehr, dass all unser Erkennen Stückwerk ist (1. Korintherbrief Kapitel 13, Vers 9)? Die Zeichen der Zeit zu erkennen, ist keine Anpassung an den Zeitgeist und kein Unterwerfen unter eine Diktatur des Relativismus. Es ist eine Treue zum Evangelium, die aus der Frohbotschaft kein Museumsstück macht, sondern sie als Sauerteig begreift – gerade in einer globalisierten, zutiefst gespaltenen Welt. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit unseres Glaubens.

Ein Dialogprozess, der daran klebt, Posten zu verteilen, in dem die eine Seite Bittsteller ist und die andere Seite die Spielräume bestimmt, wird die innere Erosion der Kirche nur beschleunigen. Den Mut zu haben, sich den Zeichen der Zeit zu stellen, eine Unterscheidung der Geister zu wagen, darum wird es gehen.
Auf die bange Frage, ob das gelingen kann, halte ich mich an ein Wort von Hanna-Renate Laurien, der Grande Dame nicht nur des Berliner Katholizismus. „Lassen Sie mich in großer Gelassenheit und in tiefem Vertrauen darauf antworten: Ich bin eine gehorsame Tochter der Kirche, in bewundernder Verehrung für Teresa von Avila, Maria Ward lebend. Deshalb beuge ich mich dem Verbot Roms zur Priesterweihe der Frau. ABER ich bete mit der Kirchenlehrerin Teresa, dass der Tag kommen möge, an dem fähige und glaubende Menschen nicht mehr an der vollen Partizipation gehindert werden, nur weil sie Frauen sind. Ich fordere nüchtern und deutlich ein, dass endlich das Mögliche getan wird. Wer den fünften oder sechsten Schritt in Sache der Teilhabe der Frau verweigert, nur weil er fürchtet, dass daraus eines Tages der zehnte Schritt werden könnte, der hat kein Gottvertrauen. Ich halte es mit der gläubigen Aussage: Ist es von Gott, wird es kommen, ist es nicht von Gott, wird es nicht kommen. Aber da wir es als von Gott kommend ansehen, werden wir das Nachdenken darüber nicht beenden. Ich habe mich, an Teresa, Maria Ward, Teilhard de Chardin gewandt, gefragt: Was wäre aus unserer Kirche geworden, wenn sie geschwiegen hätten?"

Dagmar Mensink , Mitglied des ZdK

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