Wenn Frauen zu sehr lieben

Frauen bewegen Kirche

Rede von Christa Nickels -es gilt das gesprochene Wort.

„Wenn Frauen zu sehr lieben. Die heimliche Sucht gebraucht zu werden“, dieses Buch der amerikanischen Familientherapeutin Robin Norwood stürmte Ende der 1980-iger bis in die 90-iger Jahre hinein die Bestsellerlisten. Frauen lernten sich aus schmerzlichen Liebesverwicklungen zu lösen und auf den Weg in ein würdevolleres Dasein zu machen.

Wir katholischen Frauen sind Kirche – ohne uns und unseren Beitrag hätte unsere Kirche von jetzt auf gleich ihre Bodenhaftung im alltäglichen Leben der Menschen verloren. Wir lieben Gott und unsere Mitmenschen und sind miteinander unterwegs durch den Strom der Zeit. Kirche – das ist für uns kein menschliches Konstrukt, das von menschlichem Machtinteresse zusammengehalten wird. Kirche sind wir – das pilgernde Gottesvolk auf dem Weg.

Die „Verheißungen“ des 30 Jahre alten Bischofswortes „Zur Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ sind in unserer Kirche bis heute nicht eingelöst. Warum also sind wir Frauen immer noch da und tragen Kirche? Sind wir „Frauen, die zu sehr lieben“, wenn wir unserer Kirche nicht den Rücken kehren? Unserer katholischen Kirche, gegründet auf Jesus Christus, repräsentiert von Klerikern, die sich im Selbstbewusstsein, in seinem Namen zu handeln, in vielem über Jesu Lebenszeugnis hinwegsetzen und es so den Menschen vorenthalten, indem sie die Tradition der Kirchenväter über das Liebesgebot ihres Stifters stellen.

Diese Selbstgewissheit korrespondiert in seltsamer Weise mit einer unerklärlichen Angst, die unsere Bischöfe ausstrahlen: Angst vor den drängenden Laien, Angst vor den Mitbrüdern, Angst vor den Frauen und Angst davor, die Zukunft unserer katholischen Kirche zu verspielen. Übersteigerte Selbstgewissheit und Angst, die den Kern unseres Glaubens aufessen: als geliebte Kinder Gottes zur Freiheit berufen zu sein.

Wie viele andere Frauen in meiner Kirche habe ich mich Jahre an diesen harten Mauern abgearbeitet. Damit bin ich fertig. Ich fordere nicht mehr das Priestertum der Frau und appelliere nicht mehr an unseren heiligen Vater in Rom und unsere Bischöfe. Um nicht an meiner Kirche zu verzweifeln musste ich lernen, meine Trauer um verspielte Chancen und meine Hoffnung auf Erneuerung und Bewahrung unser katholischen Kirche über unsere Hirten hinweg radikal auf unseren Herrn und Bruder Jesus Christus zu werfen. Und mitten im schlimmsten Jahr von allen, diesem „Jahr des Priesters 2010“, als endlich das ganze Ausmaß des Leidens unschuldiger Opfer an sexuellen und gewalttätigen Übergriffen durch so viele Priester unserer Kirche offenbar geworden ist - zusätzlich zu all den anderen übertünchten Tatsachen wie Priestermangel, Doppelmoral, struktureller Frauenfeindlichkeit und Angst vor dem innerkatholischen Spitzelunwesen – traf mich schockartig ein neues Begreifen: Gott selbst kommt mitten in diese zwischen Aufbruch und Eingemauertsein zerrissene Gemeinschaft von Gläubigen. Wenn unser Priestertum sich als unreformierbar erweist, schafft es sich selbst ab. Wir werden radikal auf das Modell der Urchristen zurück geworfen, mit allen Unwägbarkeiten die solch einem Prozess innewohnen, wenn unsere Hirten sich nicht aktiv darin einbringen. Wir können nicht hinter die Moderne zurück und sind unwiderruflich auf dem Weg … und wir gehen nicht allein.

Christa Nickels, Mitglied des ZdK

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