"Europas Zukunft prägt unsere Zukunft! Europa nicht von seinen Grenzen, sondern von seinen Chancen her denken
Statement von Hubert Tintelott im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Einführung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihnen liegt heute eine Erklärung zur Verabschiedung vor, deren zentrales Anliegen schon im ersten Absatz des Textes eindeutig formuliert ist:
"Als katholische Laien treten wir gerade in dieser schwierigen Bewährungsstunde für die Weiterentwicklung einer geeinten, solidarischen und gerechten Europäischen Union ein."
In einer Zeit, in der durch die Finanz- und Schuldenkrise die Bedeutung und Notwendigkeit der europäischen Integration von manchen gesellschaftlichen Kräften und populistischen Parteien prinzipiell in Frage gestellt wird, sehen wir uns als katholische Laien herausgefordert, uns – wie wir es in der Vergangenheit auch immer getan haben – klar und eindeutig zur europäischen Integration zu bekennen.
Aus Anlass der 50-Jahr-Feier der Unterzeichnung der Römischen Verträge haben 2007 die EU-Staats- und Regierungschefs in ihrer Berliner Erklärung bekannt: "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint."
Dieser Satz gilt auch heute!
Doch gerade die aktuelle Krise in Europa macht deutlich, dass die Europäische Union zur Bewahrung und Gestaltung dieses Glücks ihrer Bürgerinnen und Bürger immer wieder große Herausforderungen zu bewältigen hat.
Gerade von vielen jungen Menschen werden die in der Vergangenheit tragenden Begründungen der Notwendigkeit der europäischen Integration, wie Sicherung von Frieden und Freiheit und Wohlstand, als nicht mehr ausreichend verstanden.
Die Europäische Union stellt aber nicht nur unsere Antwort in der Folge des Zweiten Weltkrieges dar, sondern gerade angesichts der zunehmenden Globalisierung ist die Europäische Union auch eine Antwort auf aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen. Jede Generation muss die aktuellen Herausforderungen ihrer Zeit aufgreifen und ist aufgerufen, ihre eigenen Vorstellungen von der europäischen Integration zu entwickeln.
Mit Blick auf die Zukunft der Europäischen Union unterstreichen wir in unserer Erklärung drei zentrale Punkte:
- die EU als Wertegemeinschaft;
- die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der EU;
- Anforderungen an die Lösung der Schuldenkrise.
In dem vorliegenden Text betonen wir als katholische Christen in besonderer Weise die Bedeutung der Europäischen Union als Wertegemeinschaft. Das christliche Menschenbild und die christliche Sozialethik mit ihrer Betonung der Menschenwürde und der Ordnungsprinzipien Personalität – Solidarität – Subsidiarität und Nachhaltigkeit haben diese Wertegemeinschaft mitgeprägt und bilden auch das Fundament des europäischen Sozialmodells.
Gerade als Christen tragen wir eine Verantwortung dafür, dass diese Europa heute prägenden Werte nicht verblassen, sondern immer Maßstab für die Weiterentwicklung der europäischen Integration bleiben.
Das wird jedoch nur dann möglich sein, wenn von den Politikern verantwortungsvolle Wege zur Lösung der aktuellen Krise und zur Schaffung von neuem Vertrauen vorgetragen werden und die Bürger diese Wege mitgehen.
Weitere Integrationsschritte zur Weiterentwicklung der EU setzen jedoch auch voraus, dass das Niveau demokratischer Legitimation in Europa weiter vertieft und dabei das Prinzip der Subsidiarität konsequent beachtet wird. Bei der Wahrung der demokratischen Legitimation Europas spielt auch das Europäische Parlament eine entscheidende Rolle und es ist bedenklich, wenn durch nationale Entscheidungen, wie gerade durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur 5%-Hürde bei Wahlen, die Bedeutung des Europäischen Parlaments eher geschwächt wird.
Im Hinblick auf die Bewältigung der aktuellen Schuldenkrise konzentrieren wir uns auf einige wesentliche und zentrale Aussagen.
Wir fordern Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte, die Auswüchse – wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben und auch heute noch erleben – verhindern. Wir erwarten eine Politik des nachhaltigen Wirtschaftens und des Schuldenabbaus; eine Politik, die die Lasten der nachfolgenden Generation reduziert und so gestaltet ist, dass sie nicht zu Lasten der sozial Schwachen geht. Wir benötigen für eine stabile Wirtschafts- und Währungsunion gerade im Bereich der Wirtschafts- und Fiskalpolitik eine stärkere europäische Koordinierung.
"Um unserer Zukunft willen Europa neu wagen", dies ist die Botschaft am Schluss des Papieres. Die Einigung Europas ist nicht nur ein weltweit einmaliges Projekt, sondern eine bleibende historische Notwendigkeit. Wir brauchen ein gesundes und starkes Europa, geprägt durch wechselseitige Solidarität und eine Verantwortung für das europäische Gemeinwohl. Wir sind gefordert, nationale Egoismen zu überwinden und mit Mut und Weitsicht für ein bürgernahes und zukunftsfähiges Europa zu kämpfen. Als Christen sind wir in besonderer Weise gefordert, die Europäische Union als Wertegesellschaft zu stärken.
Ich möchte Sie bitten, dieses unser Bekenntnis zur Notwendigkeit der europäischen Integration zu unterstützen und den vorliegenden Erklärungstext zu verabschieden.
Vielen Dank!
Hubert Tintelott, Sprecher des Sachbereichs 10 "Europäische Zusammenarbeit"