Dialogprozess Dr. Claudia Lücking-Michel
Bericht aus der Arbeitsgruppe 2 der Gemeinsamen Konferenz von ZdK und Deutscher Bischofskonferenz "Priester und Laien der Kirche" -es gilt das gesprochene Wort.
Warum das Ganze? Statt langer Analysen und theologischer Thesen, für die hier keine Zeit ist, beginne ich mit dem Bericht über ein besonderes Erlebnis, das ich im Übrigen mit vielen aus der Runde teile:
Erster Akt:
Berlin, Michaelsempfang der Deutschen Bischofskonferenz – wir schreiben das Jahr 2000 und ... Der Festredner ist diesmal ein wichtiger Vertreter der katholischen Kirche aus dem Vatikan. In seinem Vortrag beschreibt er die großen Gefährdungen unserer Zeit und nennt wörtlich: "ecumenismo", "comunismo" und "femminismo". Zu letzterem mahnt er an, dass das Wesen der Frau sich angemessen allein in ihrer Aufgabe als Mutter entfalten kann. Die Reaktion des Publikums schwankt zwischen Belustigung und Entsetzen, kopfschüttelnd verlassen immer mehr ranghohe PolitikerInnen und VertreterInnen der Regierung den Saal.
Zweiter Akt:
Ein Mitglied der Bischofskonferenz und damit Gastgeber des Abends sieht sich im Foyer einer aufgebrachten Runde von Präsidiumsmitgliedern der großen Frauenverbände gegenüber. Seine beschwichtigende Antwort: Es täte ihm ja auch leid, aber wir müssten wissen, der Redner wäre einer unser besten und fähigsten Kirchendiplomaten. Leider hätte er nur mit zwei Gruppen in der Kirche größere Probleme: mit den Laien und den Frauen.
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1. Die Arbeitsgruppe und ihr Auftrag
Nicht erst solche Aussagen, aber auch diese erklären, warum es nach der Konferenz zum Dialogprozess in Bensberg im November letzten Jahres sinnvoll erschien, die Reihe der innerkirchlichen dringendsten Fragen und Problemlagen mit der für unsere kirchliche Wirklichkeit höchst wirkmächtigen Kategorisierung "Laien und Priester" zusammenzufassen und unter dieser Perspektive nach Lösungen zu suchen.
Von Seiten der Bischofskonferenz gehören zu der Arbeitsgruppe Bischof Bode, Osnabrück, Weihbischof Bischof aus München und der Leiter der Hauptabteilung Pastoral in der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Thomas Roddey; von unserer Seite Hans-Georg Hunstig, Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl und ich.
Nach einem ersten Treffen bereitet die Arbeitsgruppe gerade eine Beschlussvorlage für die Gemeinsame Konferenz nächste Woche vor, um deren Beschäftigung mit dem – jetzt spezifizierten – Thema "Laien-verantwortung und Aufgaben des Klerus in der Kirche" nachhaltig zu sichern und im Dialogprozess sicher zu verorten.
Diese Beschlussvorlage wird auf der methodisch-organisatorischen Ebene den Rahmen für den gesamten Zeitraum des mehrjährigen Dialogprozesses füllen müssen.
Inhaltlich sollten die Ziele und Anliege möglichst klar konturiert werden. Wir arbeiten unter der Prämisse: keine "Denk- und Sprechverbote". Wir arbeiten aber auch unter der selbstgesetzten Vorgabe, dass unsere Herangehensweise konstruktiv und zukunftsweisend sein soll.
2. Zum inhaltlichen Anliegen
Das Anliegen der Arbeitsgruppe ist es, in einer grundlegend neuen Würdigungs- und Kompetenzkultur laikale Verantwortung für das Innenleben der Kirche zu denken sowie die Rolle und Aufgabe der Amtsinhaber zu bestimmen.
Dazu ist es notwendig, eine ausführliche und ergebnisorientierte Debatte angemessener Formen der Laienverantwortung und eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Aufgaben des Klerus in der Kirche zu führen.
Die Mitglieder des ZdK in der AG 2 betrachten die Aussagen von Rainer Bucher in seinem Buch "Priester des Volkes Gottes. Gefährdungen. Grundlagen. Perspektiven" (Würzburg 2010) als geeignete Basis für ihre Überlegungen und Schlussfolgerungen.
Es gilt ganz allgemein, was Rainer Bucher zunächst am Beispiel des Gottesdienstes formuliert: "Priester gibt es … 'nicht trotz, sondern wegen des Priestertums der Laien'." Und weiter: "Laien abwertende Initiativen sind … organisationspsychologisch fatal. Denn sie senden eine höchst ambivalente Doppelbotschaft: Wer so gestärkt werden muss, ist offenkundig höchst gefährdet, wer diese rechtliche, ständisch denkende Unterstützung braucht, wird als schwach identifizierbar. ... [bis Ende VI] (Rainer Bucher,
Priester des Volkes Gottes, 18f.).
Deshalb können auch die einen nicht einfach die anderen ersetzen oder überflüssig machen. Entscheidend ist vielmehr, dass sie miteinander als Volk Gottes die Sendung der Kirche wahrnehmen und nicht in ein Neben- oder Gegeneinander oder gar in eine Über- und Unterordnung geraten. Das gilt sowohl innerhalb wie auch außerhalb eines mehrschichtigen Systems von Pastoral, Macht, Sakrament und spezifischer Standesethik.
Kleriker und Laien müssen wie zwei Brennpunkte einer Ellipse sein, für die ein grundlegendes Miteinander genauso wesentlich ist wie ein spezifisches Gegenüber. Ihr Beziehungsverhältnis muss von einem gegenseitigen Sich-Fordern und Sich-Fördern geprägt sein.
In einem elliptischen Wechselspiel des ganzen Gottesvolkes ist die Vielfalt der Charismen genauso notwendig wie der Dienst der Einheit. Miteinander und Gegenüber von Laien und Klerikern heißt dann, dass beide ihre jeweiligen Fähigkeiten für den Aufbau der Gemeinschaft erspüren und einsetzen, wobei die Kleriker besondere Sorge dafür tragen, dass im Miteinander das Zeugnis Jesu lebendig erhalten bleibt. Auftrag und Berufung der Kleriker ist somit Dienst an den Diensten der Glaubensgemeinschaft zu üben, d. h., die eigenen Charismen wie auch die Charismen der Laien, der Männer und Frauen, wachsen zu lassen und zugleich auf die befreiende und heilende Ordnung des Evangeliums Jesu Christi auszurichten.
Rolle der Laien ist es, nicht Objekte, sondern vielmehr Subjekte der kirchlichen Sendung zu sein, d. h., sich mit ihren je eigenen Begabungen und Persönlichkeitsprofilen für die Lebendigkeit in der kirchlichen Gemeinschaft zu engagieren. Dazu ist es notwendig, dass jeder und jede Einzelne die je eigenen Lebenserfahrungen, Wahrnehmungsperspektiven und Fähigkeiten in die Gemeinschaft der Kirche einbringt.
Nur so kann es gelingen, sowohl einen Traditionsbruch zu verhindern wie auch ein Weiterschreiben der Tradition entsprechend den Zeichen der Zeit zu fördern, eine Aufgabe, die von Laien und Klerikern gemeinsam zu leisten ist. [Letzter Absatz in Anlehnung an diverse Artikel von Sabine Demel]
Darüber kann man und kann ich als einzige Frau in der Runde natürlich nicht reden, ohne auf die Notwendigkeit einer geschlechtergerechten Kirche zu sprechen zu kommen.
Bei jedem Wunsch nach Veränderung in der Frauenfrage wird aber mit den katastrophalen Folgen für die Einheit und den Frieden in der Weltkirche gedroht. Ohne Veränderung aber nehmen wir stillschweigend in Kauf eine schon nicht mehr schleichende, sondern rapide voranschreitende Exkulturation der Kirche aus einer Gesellschaft, die den lange gültigen, paradoxen Kanon "Gleiche Würde für alle, aber ungleiche Rechte für Frauen" endlich endgültig und Gott sei Dank hinter sich gelassen hat (Rainer Bucher).
Im Rahmen einer Kompetenz- und Würdigungskultur der Laien wird es Zeit, dass Frauen in der Kirche überall dort mitreden, mitentscheiden und mitgestalten, wo maßgebliche Eckdaten für die Zukunft gesetzt werden, wo über Personal, Projekte und Prioritäten entschieden wird. Frauen müssen das Bild der Kirche genauso prägen und öffentlich präsentieren können, wie dies die Männer bereits tun. Denn nicht nur Laien und Priester, auch die Frauen und die Männer der Kirche bilden nur zusammen das Ganze.
Damit sind wir aber auch bei der Frage des Zugangs von Frauen zu Weiheämtern; Antworten darauf sind nicht wohlfeil zu haben.
Auf manche Antwort, wie die nach dem Diakonat der Frau, wartet die Kirche schon seit der Würzburger Synode. Im Fall der Frauenordination wurde mittlerweile der Schluss der Debatte angeordnet. Aber verschwiegen werden kann und darf dieses Thema nicht.
Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass es zumindest als ein strittiges gekennzeichnet werden muss und dass eine Annäherung über den ganzen Schatz der kirchlichen Ämtertheologie in ihrer historischen und inhaltlichen Vielfalt neue Chance bieten könnte, den ansonsten eher festgefahrenen Diskussionskarren wieder etwas voranzubringen.
3. Zum weiteren Vorgehen:
Mit dem geschäftsführenden Vertreter der DBK-Teilnehmer wurde folgender Vorschlag für die Gemeinsame Konferenz abgestimmt:
Die weitere Planung für 2011
An dieser neuen Verhältnisbestimmung zwischen Laien und Klerus, die den innerkirchlichen Verantwortungs- und Gestaltungsauftrag ersterer betont und den Dienstcharakter letzterer nachhaltig in Erinnerung ruft, will die AG2 also arbeiten.
Hierfür wollen wir angesichts der aktuellen Situation der Kirche in Deutschland und wohl verortet im Rahmen des Dialogprozesses folgendermaßen vorgehen:
Eröffnung am 10.11. durch eine Expertenanhörung. In je 20minütigen Statements beleuchten die besten Fachleute das Thema "Laienverantwortung und Aufgaben des Klerus in der Kirche" aus historischer, kirchenrechtlicher und ekklesiologischer Perspektive. Die sich bis zum Mittag des 11.11. anschließende Debatte dient der Erarbeitung pastoraler Konsequenzen und der Benennung erster greifbarer Elemente einer neuen Kompetenz- und Würdigungskultur der Laien.
Die Expertenstatements sollen einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und in wissenschaftlicher Ausarbeitung eine Fachdebatte anstoßen.
Und diese ist im Rahmen einer konsequenten Multiplikatorenarbeit (Spitzengremium der Priesterräte, Rätetagung des ZdK, Regentenkonferenz, führende Verantwortungsträger für die Ausbildung hauptamtlicher Laien usw.) für einen Paradigmenwechsel voranzutreiben.
Damit ist klar: Es wird wichtig sein, welche Fachleute zu Wort kommen. Als Namen sind bisher vorgeschlagen unser Berater Prof. Rainer Bucher und Prof. Peter Hünermann.
Ein weiterer Schritt wäre das Aufgreifen des Prozesses durch einen gemeinsamen Hirtenbrief der DBK zur neuen Bedeutung der Laien für das Gesamt der Kirche.
Und schließlich: entsprechende Weichenstellungen, die dies in unserer Kirche in Deutschland konkret erfahrbar werden lassen.
Der Weg, den wir uns vorgenommen haben, ist lang und nicht einfach, das Ziel aber ist es wert, sich aufzumachen. Wir sollten gemeinsam "einen neuen Aufbruch wagen".
Ich danke Ihnen!
Dr. Claudia Lücking-Michel