Zukunftsfähigkeit kirchlich-medialer Kommunikation
Impuls von Klaus Prömpers im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Vor wenigen Tagen hat Papst Benedikt XVI. in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben "Verbum Domini", eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Bischofssynode 2008, formuliert: "Der Erwerb neuer Methoden zur Weitergabe der Botschaft des Evangeliums gehört zum ständigen Evangelisationsstreben der Gläubigen, und heute gibt es in der Kommunikation ein Netz, das den ganzen Globus umspannt. So bekommt der Aufruf Christi neue Bedeutung: "Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern" (Mt 10,27). Das göttliche Wort muss außer in gedruckter Form auch durch die anderen Kommunikationsformen verbreitet werden."
Die Hauptfrage, die uns heute umtreibt, lautet meines Erachtens: "Was müssen wir tun, damit wir wahr-genommen werden?" So fragte auch vor anderthalb Jahren Bischof Gebhard Fürst bei einem Vortrag im Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses. Teil seines Resümees: "Es sollte uns gelingen, für die digitale Medienwelt ein digitales Angebot zu verwirklichen, das ein erkennbar kirchliches Profil aufweist."
Die letzte medienpolitische Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken stammt aus dem Jahr 1991. Damals veröffentlichte die Kommission 5 "Publizistik" eine umfangreiche Stellungnahme zu Kirche und Öffentlichkeit. Nun muss am Ende des heute beginnenden Diskussionsprozesses nicht zwingend eine weitere Erklärung des ZdK stehen. Aber wir sollten gerade als Laien, mit aller Kompetenz, die wir haben, unsere Gedanken ordnen und einbringen in den Dialog mit den Bischöfen, die sich manchmal schwertun mit der Presse und dem journalistischen Herangehen an kirchliche Themen.
Mehr als 50 Jahre nach Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, 30 Jahre nach dem Ende der Würzburger Synode befindet sich die katholische Kirche Deutschlands in einer Vertrauenskrise, über die wir bereits ausführlich diskutiert haben. Zwar lässt sich ein wachsendes Interesse an Sinnfragen in der Gesellschaft feststellen. Die "Einschaltquoten" der Kirche, gemessen im regelmäßigen sonntäglichen Kirchenbesuch und in der Zahl der Mitglieder gehen jedoch immer weiter zurück. Sie liegen derzeit (2009) bei noch knapp 25 Millionen Katholiken und 3,25 Millionen sonntäglichen Gottesdienstbesuchern, gegenüber 28,4 Millionen Katholiken und 4,4 Millionen Gottesdienstbesuchern vor zehn Jahren. Und diese Entwicklung lässt sich nicht auf die Erschütterung angesichts der Missbrauchsfälle zurückführen, deren Auswirkungen werden erst in den kommenden Statistiken deutlich sichtbar werden.
Katholische Medien erreichen, so bestätigt der Trendmonitor 2010, insbesondere die kirchennahen oder der Kirche kritisch verbundenen Katholiken, eine nicht allein aus demographischen Gründen immer weiter sinkende Zahl. Um deren Aufmerksamkeit wirbt eine Vielzahl katholischer Medienangebote: Die klassischen Printprodukte – diözesane Kirchenzeitungen, Pfarrbriefe, katholische Zeitschriften und religiöse Bücher, Mitgliederzeitschriften von katholischen Verbänden, Werken und Orden, katholische Büchereien, aber auch katholische Radiosender, religiöse Rundfunksendungen in der Verantwortung der Kirche in öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten, zahlreiche Internetauftritte – von katholisch.de über andere bundesweite Portale, die Web-Auftritte der Diözesen, der Orden, geistlichen Gemeinschaften, ungezählter Gemeinden und kirchlicher Organisationen. Zur vielfältigen, nahezu unüberschaubaren katholischen Medienlandschaft gehören darüber hinaus unter anderem die Katholische Nachrichten-Agentur, die Filmproduktionsgesellschaft TELLUX, die Allgemeine gemeinnützige Programmgesellschaft apg, die Filmstellen der Diözesen, das Institut zur Förderung des Publizistischen Nachwuchses.
Diese Entwicklung geht einher mit einer generellen Neuorientierung der Nutzung alter und neuer Medien. Spielte das Internet in der bereits erwähnten Erklärung von 1991 noch keine Rolle, so stellt es heute alle Teile der Kirche vor neue Herausforderungen, die in unterschiedlichem Umfang angenommen werden. Das Internet wird von allen Bevölkerungsgruppen, insbesondere aber von den jüngeren Menschen, immer stärker genutzt. Zwar bleiben Fernsehen mit 220 und Radio mit 187 Minuten pro Tag konstant die meist genutzten Medien, die Verwendung des Internets hat sich jedoch in den vergangenen fünf Jahren von 44 auf 83 Minuten täglich fast verdoppelt. Tageszeitung und Zeitschriften liegen derweil bei 23 bzw. 6 Minuten täglicher Nutzungsdauer. Stabil bleibt das Lesen von Büchern (2010: 22 Minuten).
69,4 Prozent der Menschen ab 14 Jahren in Deutschland nutzen wenigstens gelegentlich das Internet, viele davon täglich. Communities sowie Video- und Fernsehinhalte im Netz werden immer beliebter, wobei das Anschauen von Online-Videos für die meisten Nutzer weitaus wichtiger ist als viele Web-2.0-Aktivitäten. 65 Prozent schauen Videos im Netz, 40 Prozent nutzen Communities. Beides ist insbesondere unter jungen Zielgruppen stark verbreitet – 95 Prozent der 14- bis19-Jährigen nutzen Videoportale und 81 Prozent Communities. Allerdings sind auch in dieser Gruppe die Nutzungszahlen von Blogs mit 9 Prozent und Twitter mit 4 Prozent relativ gering, so die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010.
Vor diesem Hintergrund verändert sich die katholische Medienlandschaft derzeit deutlich. Einige Ent-scheidungen und Ereignisse der jüngsten Zeit haben Aufsehen erregt, was die mediale Präsenz – oder sagt man besser Nicht-Präsenz – der Kirche in Deutschland angeht:
- Einzelne Bistümer suchen nach neuen Lösungen für ihre Kirchenzeitungen mit sinkenden Auflagen, so geschehen Ende vergangenen Jahres in Paderborn. Die Katholische Nachrichtenagentur hat hier die Redaktion für das Bistum übernommen.
- Der stark auf diözesane Zuschüsse angewiesene Rheinische Merkur wurde vor wenigen Wochen als selbständige Zeitung aufgegeben. Er wird in Zukunft als zusätzlicher Teil der "Zeit" abonniert werden können. Ob dieses Konzept bei den verbliebenen mutmaßlich 12.000 Abonnenten ankommt oder gar neue hinzugewonnen werden können, wird sich erst noch zeigen müssen. Erfreulich ist, dass im Zuge dieser Veränderungen der strukturell an den Rheinischen Merkur gebundene Filmdienst nicht angetastet wurde, sondern in veränderter Trägerschaft bei der KNA weitergeführt werden kann.
- Die deutsche Bischofkonferenz strebt die Zusammenführung mehrerer Mediendienstleister in einem so genannten Medienhaus in Bonn an, das das katholische Medienengagement bündeln soll.
- Zugleich bleibt eine starke Zergliederung des katholischen Medienengagements der 27 Bistümer bestehen, gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Insellösungen. Und es kommt zu einer weiteren Zersplitterung in der katholischen Medienlandschaft durch eine wachsende Zahl privater Medienini-tiativen wie Vatican Magazin, Theo, Radio Horeb, kath.net oder gloria.tv, einige davon sind ausge-sprochen konservativ.
- In den Online-Communities wie Facebook und StudiVZ entstehen eine Vielzahl von katholischen Gruppen, vor allem die Jugendverbände und -gruppen sind hier stark vertreten, aber auch eine Vielzahl von Einzelpersonen. Ebenso gibt es mittlerweile eine Reihe weiterer katholischer Verbände, Institutionen, Laien und Priester, die über Twitter Nachrichten verbreiten und/oder einen Blog betreiben.
- Die Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz, ein neues gemeinsames katholisch.de mit Be-wegtbild aufzubauen, scheint hingegen nur langsam voranzukommen, und weiterhin bleibt die Anbindung einer katholischen Community unklar. Seit 2007 wird an diesem Internetauftritt gearbeitet, leider ohne die katholischen Laien in einem strukturierten dialogischen Prozess einzubeziehen, sondern eher in vielen bilateralen Gesprächen und Vereinbarungen. Aber das muss ja noch nicht das letzte Wort sein, auch wenn bereits ein Chefredakteur für dieses Projekt gesucht wird. Wie diese neue Plattform im Detail aussehen wird, ist derweil noch wenig bekannt.
Insgesamt zeichnet sich damit auf Seiten der Deutschen Bischofskonferenz eine Konzentration des Me-dienengagements ab, in der insbesondere der Online-Bereich ausgebaut wird. Die Sorge, dass dabei ein wenig dialogisches elektronisches Amtsblatt entsteht, konnte bislang nicht überzeugend ausgeräumt werden. Zugleich führen technische Neuerungen dazu, dass es für einzelne Katholiken und Gruppen immer einfacher wird, ihre persönliche Meinung per Community, Twitter und Blog im Netz zu verbreiten. Hier wird eine Vielfalt der katholischen Kirche sichtbar, die sich dem Zugriff der Kirchenleitung weitgehend entzieht.
Eine Stärke katholischer Medienarbeit, die der Trendmonitor aufweist, darf bei dem intensiven Blick auf die Internetaktivitäten nicht vernachlässigt werden: die lokalen Medien der Pfarrgemeinden – im Printbereich hat der Pfarrbrief die höchste Verbreitung und im Internet kommt der Homepage der Pfarrei das stärkste Interesse zu. Viele der Community-Aktivitäten sind verbunden mit real existierenden (Jugend-) Gruppen vor Ort. Ein wachsender Anteil von Katholiken nutzt die katholischen öffentlichen Büchereien. Diese Angebote werden im Wesentlichen von ehrenamtlich Engagierten getragen, nicht von PR-Profis und Journalisten.
Was heißt das nun für die Zukunft?
1. Es bedarf einer weiteren Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit im Nahraum. Was passiert an meinem Wohnort, in meiner Pfarrgemeinde, welche Angebote gibt es, welche Verbände sind dort aktiv – das sind Themen, die die Menschen im Hinblick auf Kirche interessieren. Dies gilt für die traditionellen Medienangebote, insbesondere den Pfarrbrief, aber auch für das Internet und soziale Netzwerke. In vielen Diözesen wird die pfarrgemeindliche Medienarbeit bereits vielfältig unterstützt. Es bedarf einfacher technischer Mittel zur Umsetzung regionaler Medienarbeit, der bedarfsorientierten Weiterbildung der lokal Verantwortlichen, der Unterstützung von Ehrenamtlichen durch Hauptamtliche vor Ort sowie der Kooperationen in den kommunalen Nahraum hinein.
2. Finanzielle und personelle Ressourcen nehmen ab, eine Konzentration, wie die Deutsche Bischofskon-ferenz sie jetzt angestoßen hat, ist notwendig. Es bedarf einer ehrlichen Analyse: Was wird wirklich gebraucht? Welche Dinge sind vielleicht überholt? Worauf kann man verzichten? Was muss man ausbauen, damit es überhaupt funktionieren kann? Und es bedarf einer besseren Vernetzung und Ressourcennutzung der katholischen Medien. Grundsätzlich sollte dabei bedacht werden, welches Medienangebot sinnvoll gemeinsam in der Kirche in Deutschland für alle Gläubigen des Landes be-reitgestellt werden kann, statt in jeder Diözese eigene Lösungen zu schaffen, die nur begrenzt wahr-genommen werden und zur Unüberschaubarkeit des Angebotes beitragen. Gemeinsam eingesetzte Res-sourcen und ein Zurückstellen diözesaner Interessen zugunsten der Interessen der Mediennutzer könnten ein flächendeckend hochwertiges, differenziertes und vielseitiges kirchliches Medienangebot ermöglichen. Ein solcher Veränderungsprozess kirchlicher Medienlandschaft sollte transparent gestaltet werden und eine strukturelle Beteiligung der katholischen Laien umfassen. Gerade im Bereich der Räte und der Verbände gibt es eine Vielzahl im Medienbetrieb aktiver Katholiken, die an der Verbesserung der Präsenz der Botschaft des Evangeliums in der Öffentlichkeit mitzuwirken bereit sind.
3. Im Rahmen des nun von Erzbischof Zollitsch angestoßenen Dialogprozesses muss Raum sein, auch die Kommunikationsstrategie der Kirche in ihrer Gesamtheit offen zu diskutieren. Gerade dieser Dialogprozess ist angewiesen auf Medien – zur Kommunikation unter den Katholiken sowie zum Bekanntmachen und zur Diskussion ihrer Ergebnisse. "Wenn die Kirche lebendig sein und ihre Aufgaben wirklich erfüllen will, muss es zwischen kirchlichen Autoritäten auf jeder Ebene, katholischen Einrichtungen und allen Gläubigen einen ständigen, wechselseitigen und weltweiten Fluss von Informationen und Meinungen geben." Medien "helfen der Kirche, sich der heutigen Welt verständlich zu machen; sie fördern das innerkirchliche Gespräch; schließlich vermitteln sie der Kirche das Verständnis für die Mentalität und die Menschen unserer Zeit, denen sie auf Gottes Geheiß die Botschaft vom Heil bringen soll. Dabei wird sie eine Sprache sprechen, die von den Menschen verstanden wird; und sie wird ansetzen bei den Fragen, welche die Menschheit im Innersten bewegen." So weitsichtig formulierte bereits 1971 die im Auftrag des II. Vatikanischen Konzils entstandene Pastoralinstruktion "Communio et progressio".
Die nun hoffentlich lebhaft einsetzende Diskussion kann zum Beginn eines Reflexionsprozesses katholischer Laien über die Zukunft katholischer Medienarbeit werden, der bereits an vielen verschiedenen Stellen geführt wird. So hat sich der Katholische Medienverband moderierend in die Auseinandersetzung um die Kirchenzeitung Paderborn eingebracht. Die Gesellschaft Katholischer Publizisten hat am 11. Oktober fünf Thesen zur katholischen Medienarbeit in Deutschland veröffentlicht, in denen sie unter anderem fordert, an der Trennung von katholischem Journalismus und kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit festzuhalten.
Wenn wir diesen Prozess heute beginnen, können wir noch mehr tun, als nur den unbezweifelbar finanziellen Druck zu analysieren. Zu sehr, scheint mir, haben wir uns in den vergangenen Jahren treiben lassen. Haben vor der Kleinstaaterei in unseren 27 Diözesen resigniert, ohne uns mit aller vorhandenen Sachkompetenz einzumischen. Der Hauptausschuss wird in einer seiner nächsten Sitzungen Schlussfolgerungen aus der heutigen Diskussion ziehen. Eine Möglichkeit scheint mir, in einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe weiter an der Thematik zu arbeiten und bei einer der nächsten Vollversammlungen die Ergebnisse zu diskutieren – in welcher Form auch immer. Vielleicht führt das dazu, dass wir nach zwanzig Jahren eine neue Stellungnahme erarbeiten, wie wir uns – unter veränderten Rahmenbedingungen – zukünftig die mediale Verkündigung des Evangeliums und die Präsenz der Kirche in der Öffentlichkeit vorstellen.
In vielen Bereichen hat die Kirche Gesprächsbedarf. Im Rahmen des Dialogprozesses der Deutschen Bi-schofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken eröffnet sich die Chance, katholische Laien und kirchenamtlich Verantwortliche zusammenführen, die gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. Die Auseinandersetzung der Laien mit der medialen Verkündigung der frohen Botschaft könnte hier zu einem gemeinsamen Ringen um die Zukunft katholischer Medienarbeit werden. Zweifellos gehört dieses Anliegen wesentlich zum Bereich der "Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat".
In diesem Sinne lade ich Sie zu einer offenen Diskussion ein.
Klaus Prömpers Sprecher des Sachbereichs 7 "Publizistik und Medienpolitik"