Den Geist nicht auslöschen und die Welt nicht freiwillig räumen: ein Aufbruch in christlicher Zuversicht

Arbeitsgruppe 2, Moderation von Gaby Hagmans im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Wir müssen umkehren. Denn diese Krisen sind bedeutsame Zeichen der Zeit. In ihnen finden sich Hinweise für das, was Gott mit uns und seiner Kirche vorhat; was Gott uns als Christen und Kirche an Umkehr und Aufbruch zutraut und abverlangt. Die leidenschaftlichen Debatten in Gemeinden, Verbänden und Vereinigungen, die in den letzten Monaten begonnen haben, sind aber auch ein hoffnungsvolles 'Zeichen der Zeit', dass es vielen Katholikinnen und Katholiken ernst ist mit Umkehr und Aufbruch – trotz aller Erschütterungen, Enttäuschungen, ja auch Ermattung.
Unserer Kirche obliegt "durch alle Zeit die Pflicht, die Zeichen der Zeit zu erforschen und im Licht des Evangeliums auszulegen, so dass sie in einer der jeweiligen Generation angemessenen Weise auf die beständigen Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens und nach ihrem gegenseitigen Verhältnis antworten kann" (Gaudium et spes 4). Natürlich findet sich in allen Krisen und Problemen unserer Zeit immer auch bloß Zufälliges oder Zeitgeistiges, das uns in die Irre leiten kann. Aber wir vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes, der uns in der Gemeinschaft von Bischöfen, Ordinierten und Laien die Gabe der Unterscheidung schenkt und das wirklich Bedeutsame in Abgrenzung vom Unbedeutenden herausfinden hilft.

"[…] im Grunde bleibt der Mensch ungeborgen und unterwegs und offen bis zur letzten Begegnung. Mit aller demütigen Seligkeit und schmerzhaften Beglückung dieser Offenheit. Es gibt also das Endgültige vorläufig nicht und der Versuch, Endgültigkeiten zu schaffen, ist eine alte Versuchung des Menschen. Hungern und Dürsten und Wüstenfahrt und Notseilgemeinschaft gehören zur Wahrheit des Menschen. Dieser Wahrheit sind die Verheißungen gegeben und nicht der Anmaßung und der Einbildung. Aber dieser Wahrheit sind wirklich Verheißungen gegeben, auf die man sich verlassen soll und kann. 'Die Wahrheit wird euch frei machen!' (Joh 8, 32) Das ist das eigentliche Thema des Lebens. Alles andere ist nur Äußerung, Ergebnis, Anwendung, Folge, Bewährung, Einübung. Gott helfe uns zu uns selbst und so von uns weg und zu ihm hin. Jeder Versuch, von anderen Voraussetzungen her zu leben, ist lügenhaft".

P. Alfred Delp SJ: Gedanken zum ersten Adventssonntag 1944, in: Gesammelte Schriften, Bd. 4, hrsg. von Roman Bleistein, Frankfurt a. M. 1984ff., S. 156f.
"Der Mensch muss frei sein. Als Sklave, in Kette und Fessel, in Kerker und Haft verkümmert er. Über die äußere Freiheit hat sich der Mensch viele Gedanken und Sorgen gemacht. Er hat erst unternommen, seine äußere Freiheit zu sichern, und er hat sie doch immer wieder verloren. Das Schlimme ist, dass der Mensch sich an die Unfreiheit gewöhnt und selbst die ödeste und tödlichste Sklaverei sich als Freiheit aufreden lässt.
In diesen Wochen der Gebundenheit habe ich dies erkannt, dass die Menschen immer dann verloren sind und dem Gesetz ihrer Umwelt, ihrer Verhältnisse, ihrer Vergewaltigungen verfallen, wenn sie nicht einer inneren Weite und Freiheit fähig sind. Wer nicht in einer Atmosphäre der Freiheit zuhause ist, die unantastbar und unberührbar bleibt, allen äußeren Mächten und Zuständen zum Trotz, der ist verloren. Der ist aber auch kein wirklicher Mensch, sondern Objekt, Nummer, Statist, Karteikarte. Dieser Freiheit wird der Mensch nur teilhaft, wenn er seine eigenen Grenzen überschreitet. Er kann dies auch in unzulässiger, empörerischer Weise versuchen, Aber gerade der im Menschen schlummernde Blitz zur seinshaften Meuterei zeigt, wie sehr des Menschen Wesen darauf angelegt ist, aus seinen Grenzen herauszukommen. Den Rebellen kann man noch zum Menschen machen, den Spießer und das Genießerchen nicht mehr. Die Geburtsstunde der menschlichen Freiheit ist die Stunde der Begegnung mit Gott. Ob Gott nun einen Menschen aus sich herauszwingt durch die Übermacht von Not und Leid, ob er ihn aus sich herauslockt durch die Bilder der Schönheit und Wahrheit, ob er ihn aus sich selbst herausquält durch die unendliche Sehnsucht, durch den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, das ist ja eigentlich gleichgültig. Wenn der Mensch nur gerufen wird und wenn er sich nur rufen lässt!"

P. Alfred Delp SJ: Epiphanie 1945, in: Gesammelte Schriften, Bd. 4, hrsg. von Roman Bleistein, Frankfurt a. M. 1984ff., S. 217
 

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